1979: Nach dem Bürgerkrieg und der Niederwerfung des Diktators Somoza zogen die sandinistischen Guerilleros nach 18 Jahren Widerstandskampf in die Hauptstadt Managua: die Nicaraguanische Revolution hatte vorerst gesiegt! »Wir kämpfen gegen den Yankee, den Feind der Menschheit«, tönt die Hymne der sandinistischen Einheit. Ronald Reagan unternahm dann bald den Versuch, diese Regierung zu stürzen: Contras zerstörten die Infrastruktur, destabilisierten und verunsicherten die Bevölkerung. Die Unterstützung der Revolution durch linke Bewegungen von Süd- und Mittelamerika wie der westlichen Welt erreichte in diesen Jahren ihren Höhepunkt, so dass zeitweise mehrere Hundert Freiwillige bei Aufbau und Ernte halfen.
Auch Helga Schager verfolgt seit damals den Verlauf der Entwicklung dieses Landes mit großem Interesse.
Einige österreichische Aktive sind noch heute vor Ort und wurden von der Projektgruppe ebenfalls besucht.
1990: Das Wahlbündnis UNO, das eine kapitalistische Privatwirtschaft mit gut gemischter Korruption zuließ (wohlweislich auch mit Sandinisten-Beteiligung), gewann überraschend die Wahlen. Diese Politik führte u. a. zur höchsten Pro-Kopf-Verschuldung der Welt. 1979 wurde die Landreform der Sandinisten umgesetzt, wobei hierbei »vergessen« wurde, das vergebene Land in Katasterämter einzutragen, bzw. wollten sie nicht die Kontrolle über die vielen Ländereien verlieren. Nach 1990 und dem Niedergang der Revolution führte dies zu unklaren Besitzverhältnissen, die wiederum in massiver Landflucht gipfelten – und in einer Auswanderungswelle, vorwiegend gen USA.
Seit dem 10. Januar 2007 ist Guerillero Daniel Ortega nach 16 Jahren wieder Staatspräsident – verbündet mit den Katholiken. Rund 80 % der Bevölkerung sind heute römisch-katholisch, zudem sind die meisten Medien in Händen der Regierung. Aktuell werden die Frauenrechte um mehr als 100 Jahre zurückgeworfen: Therapeutische Abtreibung (aufgrund von Komplikationen oder wenn das Leben der Mutter gefährdet ist) wurde wieder unter Strafe gestellt. Helga Schager sieht darin »einen Hauptgrund, warum Ortega wieder gewählt wurde.« Norma Elena Gardea, eine der berühmtesten Sängerinnen des Landes, die auch vom Team interviewt wurde, mahnt: »Es kommt viel zu oft zu Schwangerschaften in Familien, wo junge Mädchen vom Vater oder Onkel geschwängert werden und keine Abtreibung stattfinden kann.« Tausende DemonstrantInnen gingen seither auf die Straßen, zahlreiche »autonome« Radio- bzw. Videostationen oder Internet-Portale sind Träger ihrer Botschaften.
Nicaragua ist ein von »Machismus« geprägtes Land, ein die Dominanz des Mannes und die Unterordnung der Frau verherrlichendes Weltbild, zementiert in Sprache und Alltagspraxis. Dieses gilt es aufzuzeigen und zu brechen, wobei die Frauen sich keinesfalls als Opfer sehen. Seit Ortega zum zweiten Mal als Präsident regiert, versucht die Frauenbewegung sich besser zu vernetzen und gemeinsam gegen Ortega zu kämpfen und ihre Rechte durchzusetzen.
Während des einmonatigen Aufenthalts fanden Interviews mit Rebellinnen und Kämpferinnen des Alltags statt: Journalistinnen, Poetinnen, Radiomacherinnen, Schriftstellerinnen, Aktivistinnen, Sängerinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen, eine Frauenprojekt-Leiterin oder auch eine allein erziehenden Mutter, etc. Zusammen ergibt das ein sehr umfangreiches und informatives Gesamtbild, das die komplexe Lebenssituation der Frauen Nicaraguas und die Veränderungen seit der sandinistischen Revolution aufzeigt, wobei die weibliche/feministische Haltung einen Schwerpunkt dieses Medienprojekts einnimmt. Neben den filmischen Aufnahmen gibt es auch Material für Radiosendungen, das im Herbst 2010 in einer Sendereihe auf Radio FRO (SPACEfemFM Frauenradio) präsentiert wird.
Zu Beginn der Reise begibt sich die Gruppe zum Frauenradio »Palabra de Mujer« (Das Wort der Frau) – »Mutterprojekt« und Höhepunkt der Projektreise. Diese unabhängige, im Herzen des Landes gelegene Radiostation, die von Frauen betrieben und aufgebaut wurde, besitzt als einziges Radio in dieser Region auch das Monopol viel gehört zu werden und beweist ständig eindrucksvoll, dass die Frauen mit einer starken Stimme um ihr Recht kämpfen. Das aktive Mitwirken von Frauen und Jugendlichen soll die machistische Ordnung ins Wanken bringen und Gleichberechtigung einen nährhaften Boden bieten. Mit vielen der Mitarbeiterinnen werden Interviews und lange Gespräche geführt, Erfahrungen werden ausgetauscht und die allgegenwärtige Gastfreundschaft genossen. Auch mit der »Bruja mensajera«, der »Hexe, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt« und den machistischen Machtansprüchen einen Spiegel vorhält. Sie spricht in ihrer Radiosendung aus, was als Tabu gilt: Z.b. wenn von einem Hof Schreie von einer Frau zu hören sind, weiß es am nächsten Tag die ganze Region.
In vielen persönlichen Geschichten wird klar, dass viele von der Revolution ein schweres Trauma davon getragen haben, alle sind irgendwie darin verwickelt, doch haben sie alle gemeinsam weiter gekämpft für etwas Besseres. Die Radiofrauen werden dann auch zu einem Vernetzungstreffen begleitet, da die Regierung Geld für Frauensekretariate in den Gemeinden locker gemacht hat, jedoch die Bürgermeister kein großes Engagement zeigen. Die Frauen organisieren sich, erstellen Konzepte und üben Druck auf die Bürgermeister aus.
Später trifft das Team »La baca loca« (Die verrückte Kuh), Sängerin und Performerin, die sich klar als Feministin und Kämpferin für Frauenrechte positioniert und sich als faszinierende Entertainerin und Musikerin herausstellt.
Besucht werden auch die »Casa Materna« (Haus der Mutterschaft), extrem wichtige Einrichtungen mit Schlaf- und Aufenthaltsräumen und medizinischem Personal. Etlichen Frauen auch aus den entlegensten Regionen Nicaraguas, bei denen z. B. Risikoschwangerschaften diagnostiziert werden, wurde durch diese Casas das Leben gerettet. Dass es sie gibt, ist auf die Initiative der Frauenaktivistinnen zurückzuführen.
Das Engagement und die Courage dieser Frauen wurde audio-visuell festgehalten, um die Nachhaltigkeit und Vernetzung dieser Bewegungen zu fördern – es soll Vermittlung stattfinden und die Öffentlichkeit über prekäre Missstände auch im globalen Kontext informiert werden.
»Durch die geringe Förderungen, welche in die Produktion flossen, stehen wir jetzt vor 26 Stunden Videomaterial und 40 Stunden Audioaufnahmen, die auf Übersetzung, Schnitt und Verarbeitung warten. Wir hoffen durch weitere Einreichungen und Fördergelder dieses Projekt zu einem gebührenden Abschluss zu bringen«, so Oona Valarie Schager.