Man könnte glauben, das iranische Regime wäre ein ungewöhnlicher Partner für fremdenfeindliche Parteien. Doch die Solidarität mit den Machthabern in Teheran ist bei Rechtsradikalen in Europa weit verbreitet, nicht nur in Ungarn. Die proisraelische Positionierung von Geert Wilders in den Niederlanden oder auch die Versuche der deutschen Pro-Bewegung, sich aus dem Schatten des traditionellen Antisemitismus zu lösen und in erster Linie auf das Ressentiment gegen Moslems zu setzen, verdecken bisweilen, das die alteingesessenen Rechtsradikalen weiterhin israelfeindlich und in einer spezifischen Weise proislamisch sind.
Die FPÖ lobt in einem Grundsatzpapier die »geopolitische Bedeutung des Islam« und erklärt: »Als identitätsbewußte Bewegung unterstützt die FPÖ die Bestrebungen der islamischen Welt, sich von Fremdbestimmung zu emanzipieren.« Bruno Gollnisch, der im Parteivorstand des französischen Front National und im Europaparlament sitzt, hat nichts gegen den Islam einzuwenden, »solange er sich nicht bei uns ausbreitet.« Und für die NPD erklärt ihr Vordenker Jürgen W. Gansel, die »innenpolitische Gegnerschaft zum Islam« schließe nicht »die außenpolitische Würdigung der islamischen Welt als letztes Bollwerk gegen die Durchkapitalisierung und Durchamerikanisierung der Welt aus.« Dort, »wo der Islam zuhause ist«, habe er »sein volles Existenzrecht«. In Europa aber sei der Islam »eine fremdkörperhafte Aggressionsreligion.«
Vor diesem Hintergrund ist die Positionierung gegenüber dem iranischen Regime zu verstehen, die ganz in der Tradition der proislamischen Bündnispolitik des Nationalsozialismus steht. NPD-Funktionäre hoffen auf Mahmud Ahmadinejad »als potentiellen Bündnispartner für ein neues Deutschland.« Bei Heinz-Christian Strache vertragen sich Parolen wie »Daham statt Islam« auf das Beste mit anerkennenden Worten für den iranischen Präsidenten. In ihrem ethnopluralistischen Weltbild ist es für Rechtsradikale kein Problem, gegen Moslems
in Europa zu hetzen und sich gleichzeitig mit dem antisemitischen Holocaustleugner-Regime in Teheran zu solidarisieren, das Israel ein ums andere mal mit der Vernichtung droht und unbeirrt weiter an seinem Nuklearwaffen- und Raketenprogramm arbeitet.
Bei Ungarns Rechten spielt die Agitation gegen Moslems allerdings so gut wie keine Rolle. In dem Land leben ausgesprochen wenig Zuwanderer, und fast gar keine aus islamisch geprägten Gesellschaften. Nichtsdestotrotz belegen die Ungarn bei vergleichenden Länderstudien zur Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit regelmäßig Spitzenwerte. Fidesz, die Schwesterpartei von CDU und ÖVP, betreibt mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der noch in Opposition befindlichen, offen antisemitischen und rassistischen Jobbik in einem atemberaubenden Tempo eine Umgestaltung der Gesellschaft, die wohl selbst eine Partei wie die FPÖ vor Neid erblassen lassen dürfte. Deren Vorsitzender hat 2010 eine Delegation von Jobbik empfangen. Die ungarischen Faschisten, denen auf Grund des Fokus auf die Regierungspartei Fidesz häufig nicht jene Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie verdienen, sind als drittstärkste Kraft mit 47 Abgeordneten im Parlament in Budapest vertreten. In Umfragen liegen sie mittlerweile bei fast 20 Prozent der Wählerstimmen. Neben der Hetze gegen Homosexuelle, Juden und Roma, die regelmäßig zu gewalttätigen, mitunter tödlichen Angriffen führen, fordert die Partei, Ungarn dürfe kein »zweites Palästina werden«, wie es ihre Spitzenkandidatin Krisztina Morvai für die Europaparlamentswahlen 2009 formulierte, bei denen Jobbik knapp 15 Prozent erhielt. Parteichef Gábor Vona, der vor den Parlamentswahlen 2010 Mahmud Ahmadinejad aufgefordert hatte, iranische Revolutionswächter als Wahlbeobachter nach Ungarn zu schicken, verglich den Erfolg seiner Partei mit dem »Triumph palästinensischer Partisanen gegen israelische Helikopter«. Morvai attackierte Israelis als »verlauste, dreckige Mörder«, denen sie die Hamas an den Hals wünscht und empfahl bereits 2008 den »liberal-bolschewistischen Zionisten« in Ungarn, sich zu überlegen, »wohin sie fliehen und wo sie sich verstecken« werden.
Insofern ist es nicht überraschend, dass die Partei sich ganz so wie ihre Gesinnungsgenossen in anderen Ländern regelmäßig mit dem iranischen Regime solidarisiert und auch in diesem Punkt die Politik der Regierungspartei Fidesz unterstützt, die auf einen Ausbau der ökonomischen Beziehungen mit Teheran setzt. Die Orbán-Regierung hat zwar die Beschlüsse der EU zur Teilsanktionierung der iranischen Zentralbank und zu neuen Sanktionen gegen Ölimporte aus dem Iran, die Ungarn kaum betreffen, mitgetragen, gleichzeitig finden aber immer wieder Treffen von iranischen Gesandten mit Fidesz-Regionalpolitikern statt. Iranische Nachrichtenagenturen bezeichnen Ungarn als Tor »in Richtung Mittel- und Osteuropa«. Das iranische Regime will zum einen der eigenen Bevölkerung signalisieren, dass das Land trotz des steigenden internationalen Drucks weiterhin gute Beziehungen zu europäischen Ländern unterhalte. Zum anderen suchen die Iraner verzweifelt nach Alternativen zu ihrem traditionellen Business in Europa, das durch die bisherigen Sanktionsbeschlüsse zwar keineswegs brachliegt, aber doch mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert ist.
Im Oktober 2010 gründete das ungarische Parlament eine Abgeordnetengruppe zur »Ungarisch-iranischen Freundschaft« und das Majles, das Pseudoparlament in Teheran, initiierte das iranische Pendant, womit an ähnliche Initiativen aus der ersten Amtszeit von Ministerpräsident Viktor Orbán angeknüpft wurde. Einen Monat später besuchte der stellvertretende iranische Außenminister Ali Ahani Budapest. Als Vizepräsident der Hungarian-Iranian Chamber of Commerce fungiert gegenwärtig Márton Gyöngyösi, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Jobbik und Vizevorsitzender des Außenausschusses des ungarischen Parlaments, und Tiszavasvári, jener Ort im Osten Ungarns, der von Jobbik als eine Art »Hauptstadt der Bewegung« betrachtet wird, hat unlängst eine Städte-partnerschaft mit dem iranischen Ardabil geschlossen.
Jobbik macht zwar auch Anstalten, sich der arabischen Welt an den Hals zu schmeißen und hat beispielsweise 2010 zum Jahrestag der Anschläge von 9/11 einen »Tag der ungarisch-arabischen Freundschaft« veranstaltet. Doch mit keinem Regime des Nahen Ostens sind die Gemeinsamkeiten so groß wie mit dem iranischen, das auf Grund seiner Holocaust-Leugnung, seinen wiederholten Vernichtungsdrohungen gegen Israel und seiner antiwestlichen Ideologie schon einer ganzen Generation von europäischen Rechtsradikalen und Neonazis als leuchtendes Vorbild gilt.
Doch auch in Ungarn, wo die Fidesz-Regierung befeuert von der Jobbik-Opposition immer wieder mit Tiraden gegen die EU und das internationale Kapital auffällt, zeigt sich das Problem der umstandslosen Umsetzung einer gegenüber dem Westen isolationistischen Politik in einer weitestgehend in den Weltmarkt integrierten Ökonomie mitten in Europa. Das klassische faschistische Modell einer massiv gesteigerten Staatsnachfrage, die durch eine exorbitante Verschuldung finanziert wird, die letztlich nur durch militärische Expansion getilgt werden kann, scheint keine Option zu sein. Schon das Beispiel Kärntens unter Jörg Haider hat gezeigt, dass es auch durch die Kooperation mit antisemitischen Ölpotentaten wie Muammar al-Gaddafi oder Saddam Hussein auf Dauer nicht substituiert werden kann. Auch in Ungarn ist es ausgesprochen fraglich, ob die sowohl von Fidesz als auch von Jobbik betriebene Annährung an das iranische Regime samt Ausbau der bisher vergleichsweise unterentwickelten ökonomischen Beziehungen eine ernsthafte Alternative darstellt.
Nur macht das die Hetze der ungarischen Rechtsparteien kein bisschen weniger gefährlich. Im Gegenteil: je mehr sich die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Orbán-Regierung als aussichtsloser Versuch erweisen, den Gesetzen des Weltmarkts etwas entgegenzusetzen, desto aggressiver dürften die Angriffe gegen all jene werden, von denen sich immer mehr Ungarn in ihren antiwestlichen Ressentiments und wahnhaften Projektionen bedroht fühlen. Zu erwarten ist von Fidesz letztlich ein pragmatisches Einlenken gegenüber EU und IWF, insbesondere hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank, aber gleichzeitig eine Verschärfung der antiwestlichen, antiliberalen Rhetorik. Letzteres wird wiederum die offen rechtsradikale Konkurrenz der Regierungspartei stärken. Sollte die Jobbik-Partei, die von einer Bedrohung Ungarns durch Israel fantasiert, als großer Gewinner aus der Krise hervorgehen, wäre mit einer zunehmenden Faschisierung auch der Außenpolitik zu rechnen, in der der Antisemitismus zur Leitlinie würde. Die Mullahs in Teheran würden sich freuen und einen derartigen Prozess wohl tatkräftig unterstützen.
Aufstieg und Ausrichtung der ungarischen Rechtsparteien verweisen auf einen Ausdifferenzierungsprozess im europäischen Rechtsradikalismus. Fidesz-nahe Autoren wie der Orbán-Freund Zsolt Bayer und die Jobbik–Nazis stehen für einen traditionellen Antisemitismus, der sich gar keine Mühe geben will und muss, aus dem Schatten des Nationalsozialismus, bzw. der ungarischen Horthy-Faschisten zu treten. Die NPD, die in Deutschland ähnlich agiert, zeigt allerdings, dass in Westeuropa auf nationaler Ebene mit einer derartigen Positionierung keine großen Wahlerfolge zu erzielen sind. Dementsprechend setzen vergleichsweise erfolgreiche rechtsradikalen Parteien auf eine partielle Modernisierung – allerdings nicht in dem oft behaupteten Sinn, dass sie den Antisemitismus einfach durch Hetze gegen in Europa lebende Moslems »ersetzen« würden. Die europäischen Rechtsradikalen ringen im Zeitalter der Konkurrenz zwischen abendländischem Antisemitismus und islamischen Djihadismus um ihre Positionsbestimmung. Dem Regime in Teherans begegnen sie dabei mit jener Mischung aus Ehrfurcht und Neid, die auch die ungarischen Antisemiten an die Seite der Machthaber in Teheran treibt.