Es ist wiedermal so weit: Der Gibling verändert wie jedes Jahr im Juni sein Aussehen und wird gleichzeitig abgewertet. Der Gibling ist unsere Währung, die in 1er-, 2er-, 5er-Scheinen und einem 500er erhältlich ist. Unsere Zentralbank nennt sich Punkaustria. Diese koordiniert vor allem die Wechselstellen in Wien, Graz und Linz und den Rücktausch der Giblinge von unseren 80 Gibling-PartnerInnen in Euros. Der Gibling ist eine umlaufgesicherte Währung. Im Laufe von 6 Jahren verliert dieses Geld komplett seinen Handelswert. Aus diesem Grund kann/muss der Gibling jedes Jahr von einer neuen KünstlerIn gestaltet werden. Begonnen hat 2012 Oona Valerie, dann kamen Leo Schatzl, Deborah Sengl und Michael Aschauer. 2016 wird die Künstlerin Judith Fegerl heißen. Vor allem der 500er ist im Kunstkontext sehr interessant, denn auch er verliert offiziell seinen Wert. Hat aber gleichzeitig einen Kunstwert. Dieser Kunst- oder Sammlerwert ist durch den nicht erfolgten Rücktausch zu erklären. Jedes Jahr am 14. Juni werden die alten Editionen vernichtet. Vor allem die nicht rückgetauschten 500er Scheine verstärken den Wert des Sammelobjekts. Zurzeit sind 11 Stück 500er im Umlauf. Durch die nicht rückgetauschten Giblinge können nach der Abwertung Rabatte beim Umtausch der neuen Editionen gewährt werden. Das macht außerdem alle Waren und Dienstleistungen im System des Giblings attraktiver. Von der Sammelleidenschaft der Leute profitiert im Endeffekt jede Person, die Giblinge als Zahlungsmittel verwendet.
Hallo Judith! Du wirst heuer unsere fünfte Gibling-Edition gestalten. Für zwei Jahre wird Dein Geld volle Kaufkraft in 80 Betrieben haben. Wir hoffen natürlich, dass in diesen zwei Jahren noch mehr Betriebe dem Wertesystem der Punkaustria beitreten werden. Die Idee von einer eigenen Währung haben ja schon viele Leute gehabt. Auch zu Netznetz-Zeiten wurde über eigenes Geld lang und breit diskutiert. Diese Zeit ist nun schon lang vorbei und von diesen damaligen Utopien ist fast nichts geblieben. Das Festival paraflows ist vielleicht eine Aktivität, die aus dieser Community resultierte. Unsere restliche gemeinsame Vergangenheit beschränkte sich, glaube ich, auf ein bis zwei Gruppenausstellungen, an denen wir gemeinsam teilgenommen haben. Das war unsere Vergangenheit, und nun machen wir gemeinsam eine Währung. Warum ist das für Dich spannend?
Judith Fegerl: Ich habe mich sehr über Deine Einladung gefreut! Zum einen, weil wir ja wirklich ein kleines Stück Geschichte teilen und es super ist, diese Verbindung wieder aufleben zu lassen, zum anderen freue ich mich über das Projekt in Linz, weil ich auch einige Verbindungen zu Oberösterreich und seiner Hauptstadt habe. Jetzt den Gibling gestalten zu können und mich somit auch mit dem Thema Währung zu beschäftigen, finde ich gerade jetzt besonders aktuell, mit der über uns schwebenden Forderung, die physische Währung abzuschaffen. Den 500er hat es ja schon erwischt. Möglicherweise sind diese alternativen Zahlungssysteme, Kulturwährungen einmal die einzig manifesten Zahlungsmittel, die noch bleiben.
Unseren 500er wird es länger geben. Vielleicht steigen die Schwarzgeldwäscher nach der Abschaffung des 500.- Euroscheins ja dann auf den Gibling um :) Geld ist ja ein zentrales Medium in unserer Gesellschaft, und hat ja durch den anonymen Gebrauch etwas Anarchistisches. Ist ja kein Wunder, wenn die Kontrollfreaks der Weltpolitik versuchen, dieses Geld unter Kontrolle zu bringen. Die totale Kontrolle einer logisch-kapitalistischen Ratio in dieser Welt. Diese Kontrolle wird durch die Informationstech-nologie erst so richtig angeheizt. Die Kunst war auch mal technologieaffin und versuchte, die IT für die Kunst zu verwenden. Ich sehe hier schon länger keinen Kunstkontext mehr und habe mich in den letzten Jahren immer weiter davon entfernt. Du bist ja in letzter Zeit sehr aktiv. Eine Ausstellung jagt die andere - wie geht es dir dabei?
Judith Fegerl: Kontrolle und Durchsichtigkeit des Individuums wird anhand der Debatte rund um die Abschaffung des Bargelds wieder besonders sichtbar. Wenn man sich vorstellt, dass man dann zB nicht einmal seinem Kind Taschengeld geben kann, ohne dass es dann für den Staat oder andere Institutionen/Konzerne nachvollziehbar ist, verliert man schon ein großes Stück Freiheit. Der Schritt zur Besteuerung und Verwertung jeglicher zwischenmenschlicher Transaktion ist dann auch nur noch ein kleiner. Brrrrrr! Große Gänsehaut. Die Informations-technologie ist nach wie vor ein interessantes Thema und auch Medium in der Kunst. Da ich ja neben meiner eigenen künstlerischen Arbeit auch seit nun elf Jahren die Ausstellungen von paraflows – des Festivals für Digitale Kunst und Kulturen in Wien leite, erfahre ich viel über neue Arbeiten und Zugänge der Künstlerinnen und Künstler. Ich glaube jedoch, die anfänglichen Begeisterung ist einem sehr viel skeptischeren Blick gewichen, und es wurde klar, dass diese scheinbar demokratische Ebene mehr und mehr auch zur Spielwiese der Konzerne und Politik wird. Selbst wenn Schlupflöcher vorhanden sind, Hackerattacken stattfinden und die erreichbare Crowd noch immer überraschend viel bewirken kann. Viele Projekte verwenden ITs auch einfach für ihre Sache, ohne medien- oder systemkritisch zu sein. In meinen Arbeiten, Skulpturen, Zeichnungen und raumbasierten Installationen gehe ich mit Technologie auf eher abstrakte Art um. Ich beziehe Betrachterinnen und Betrachter mit ein, indem ich ihre Vorstellungskraft herausfordere. Mir ist das unmittelbare körperliche Erlebnis wichtig, ungefiltert. Damit geht‘s ganz gut, ich kann nicht klagen. Letzte Woche wurde gerade eine Ausstellung im Kunstverein Leipzig eröffnet, gemeinsam mit Christoph Weber. In meinen Arbeiten thematisiere ich Energie/Strom als Material indem ich schwere Stahl-Skulpturen gebaut habe, die von Elektromagneten zusammengehalten werden: Wenn der Strom ausfällt, brechen die Objekte zusammen. Diesen zweiten (inaktiven) Zustand der Skulptur stellen sich die Leute gerne vor, bzw es gibt ein gewisses subversives Bedürfnis den Stecker zu ziehen. Christoph Weber arbeitet mit Beton und das auf sehr virtuose Art. Für den KV Leipzig hat er eine zusätzliche Säule aus Beton in den Raum eingefügt, die aber, anders als die vorhandenen tragenden Betonsäulen, eine komplett spiegelnde (Beton-)Oberfläche hat.
Über deinen Ansatz zur IT in der Kunst müssen wir ein andermal reden. Auch deine Ausstellungsprojekte klingen sehr spannend. Wir sehen hier auf der Seite auch einen Entwurf des 1-Giblingscheins. Mir gefällt er sehr gut, gibt es Dinge, die Du dazu sagen möchtest?
Judith Fegerl: Ich wollte mit der Gestaltung etwas weiter weg vom typischen Geldschein, eher hin zu was, das Unregelmäßigkeiten hat, fast wie selbstgemacht, aber eben dann doch nicht. Die Farbe Schwarz muss ich wohl nicht näher erklären, das liegt auf der Hand. Durch die Verwendung von braunem Papier wirkt der Geldschein auch alt oder gebraucht. Mir ging es darum, den Geldschein als etwas zu positionieren, das in Zukunft möglicherweise wirklich nicht mehr zentral gesteuert, gestaltet und produziert wird. Mehr, dass es so wie hier beim Gibling, viele unabhängige alternative Zahlungsmittel geben wird, die kompensieren, was durch die Digitalität und Vernetzung letztlich verloren ging. Ein bisserl Endzeitstimmung zum Schluss!
Trotz Endzeitstimmung hoffen wir natürlich, dass viele der NutzerInnen neben den vielen kleinen Scheinen auch eine gewisse Menge an 500ter tauschen werden. Damit bleibt die Utopie an der Kunst und dem Kunstwert.