Iran im Weltsystem, herausgegeben von Stephan Grigat und Simone Dinah Hartmann, erschien im Studienverlag und ist quasi die Fortsetzung des 2008 erschienen Buches Der Iran – Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer. Hartmann und Grigat sind seit Jahren im Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm – STOP THE BOMB engagiert, das in Österreich, Deutschland und den Niederlanden gegen die atomare Aufrüstung des islamischen Gottesstaates aktiv ist. www.stopthebomb.net
Angelpunkt von Iran im Weltsystem sind dementsprechend mögliche Sanktionen gegen die IRI bzw. die Chancen und Probleme von deren Umsetzung. Gefordert werden crippling sanctions, die, so Grigat im einleitenden Artikel, »darauf abzielen, es dem Regime zu verunmöglichen, seine Projekte weiter voranzutreiben.« (13) Die Arbeiten von Ely Karmon, Ilan Berman, Florian Markl und anderen Autoren behandeln die internationale Bündnispolitik der IRI mit China, Russland, Lateinamerika und deren Strategie sich politisch und ökonomisch gegen Sanktionen zu wappnen. Wie weit deren Ambitionen bereits gediehen sind, wird nicht zuletzt am Bündnis zwischen dem lateinamerikanischen Revolutionsführer Hugo Chavez und der IRI ersichtlich. Dies Bündnis zeichnet sich nicht allein durch wahnwitzige Aussagen des Caudillo aus, der die Ankunft des schiitischen Messias verkündete und Ahmadinejad einen »antiimperialistischen Gladiator« nannte, sondern umfasst ebenso Milliarden US-Dollar Investitionen, politische Zusammenarbeit in internationalen Gremien und Kooperation im Verteidigungs- und Atombereich. Zugleich dient die Zusammenarbeit mit Venezuela der IRI als »Fundament […] einer gegen die USA gerichteten Allianz« (58) in Südamerika. Der zunehmenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Ländern wie Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Brasilien, entspricht deren Engagement für »das Recht des Iran auf friedliche Nutzung von Nuklearenergie« (62), dass sie regelmäßig in internationalen Gremien propagieren. Karmon verweist auch auf die Geschichte des iranischen Terrorismus in Lateinamerika, der zwischen 1992 und 1994 seinen Höhepunkt erreichte, als die israelische Botschaft und das Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Argentinien Ziel von verheerenden Anschlägen wurden, die insgesamt über hundert Menschen das Leben kosteten. Auch heute hat die vom Iran geförderte »Hisbollah […] im Dreiländer-Eck Argentinien, Brasilien und Paraguay eine erhebliche Präsenz etabliert. Sie benützt dort lokale Geschäfte, den Drogenhandel und Schmugglernetzwerke, um Geld für weltweite Terroroperationen zu waschen«. (68)
Ulrike Beckers und Michael Spaneys zeigen die Verwicklungen deutscher Unternehmen mit der iranischen Wirtschaft auf: die handfesten Folgen und Ursachen der europäischen Appeasementpolitik. Die Münchner Linde AG exportiert bspw. Gasverflüssigungstechnik in die IRI, die weltweit nur von wenigen Unternehmen beherrscht wird und die Gas-Exporte des Regimes signifikant steigern könnte. Die Thyssen-Krupp Tochter Uhde war am Bau einer der größten Olefin-Anlagen im Iran beteiligt. »Im Jahr 2009 trug dieses Projekt offensichtlich wesentlich zur 69 %igen Steigerung der petrochemischen Produktion im Iran bei.« (128) Womit deutsche Unternehmen tatkräftig die Wirksamkeit von Sanktionen sabotieren. Grigat beleuchtet auch das wenig überraschende Verhältnis Österreichs zur IRI: »1991 war es der österreichische Bundespräsident mit Wehrmachts-Vergangenheit Kurt Waldheim, der als erstes westliches Staatsoberhaupt [nach der islamischen Revolution 1979] Teheran seine Aufwartung machte.« (139) Während der österreichische Gesamtexport auf Grund der globalen Krise 2009 um fast 20% eingebrochen war, stiegen die Exporte in den Iran 2009 um 4%. Die OMV unterzeichnete 2007 »mit der nationalen iranischen Ölgesellschaft NIOC einen Vorvertrag über einen Gasdeal im zweistelligen Milliardenbereich«. (143) Nicht zuletzt aufgrund der Proteste von STOP THE BOMB scheint der Deal vorerst gestoppt zu sein. Auch die Voestalpine Tochter Boehler Schweisstechnik oder der Löschfahrzeuge- und Löschsystemhersteller Rosenbauer International sind im Iran aktiv.
Hassan Daioleslam schreibt über die Iran-Lobby in den USA, welche im National Iranian American Council (NIAC) organisiert ist und gegen Sanktionen und eine mögliche militärische Intervention mobilisiert. Zuletzt wurde mit John Limbert ein Vorstandsmitglied des NIAC zum Iran-Koordinator des State Department ernannt. Erwähnt sei auch Jonathan Weckerles Beitrag über den Aufstieg der iranischen Revolutionsgarden (IRG). Die IRG sind neben der regulären Armee, ein Teil der iranischen Verteidigungskräfte mit mind. 120.000 Soldaten, mit einer eigenen Marine und Luftwaffe, eigenen Geheimdiensten und Terrorkommandos für Auslandseinsätze. Die IRG ist heute in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen organisiert und spielt eine dominante Rolle in Wirtschaft, Regierung und Verwaltung. »Heute beträgt der Anteil der IRG am iranischen Bruttosozialprodukt nach verschiedenen Schätzungen mindestens ein bis fast zwei Drittel.« (34) Die IRG kontrolliert ebenso den heimischen Telekommunikationssektor wie das Atom- und Raketenprogramm. »Mit Ahmad Vahidi wurde ein von Interpol gesuchter Terrorist Verteidigungs-minister. Als Leiter der Quds-Brigaden der IRG soll er für den Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum 1994 in Buenos Aires verantwortlich sein.« (39)
Iran im Weltsystem bietet aktuelle Hintergrundinformationen, vernachlässigt jedoch eine über geopolitische und ökonomische Erwägungen hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Aufstand der iranischen Opposition nimmt nur einen vergleichsweise bescheidenen Raum im Buch ein. Dieses Manko wird jedoch dankenswerterweise durch das im Verbrecher Verlag erschienene und von Thomas von der Osten-Sacken, Oliver M. Piecha und Alex Feuerherdt herausgegebene Buch Verratene Freiheit ausgeglichen. Einige der Autoren haben bereits zu Der Iran und Iran im Weltsystem einen Beitrag geliefert. Der Schwerpunkt liegt in Verratene Freiheit auf der Haltung des Westens und auf der iranischen Opposition. In einem einleitenden Beitrag skizzieren die Herausgeber eine neue ideologische Front, die frei nach Hugo Chavez als »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« bezeichnet wird. Dieser vereint Elemente der »europäisch-faschistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts«, des »Nationalsozialismus«, des »Stalinismus« und »bestimmten Formen des Antirassismus« und »Antiimperialismus«: »Im Kern geht es um dies: Was im deutschen Straßenslang jener Sozialismus von »wir hier unten« und »denen da oben« ist oder […] die Fetischisierung der Massen respektive Armen, transformiert sich nun in eine diffuse Frontstellung, die großzügig alle einschließt, die sich gegen die »USraelische« Kontrolle der Welt stark machen, sich irgendwie benachteiligt fühlen und für eine »Welt ohne Krieg und Kapitalismus« schwärmen. Tjark Kunstreich befasst sich mit der Unterstützung und Verharmlosung der Islamischen Republik durch westliche Intellektuelle und der Kollaboration der iranischen Linken mit den Mullahs 1979. Gerhard Scheit untersucht die Beweggründe des Aufstandes im Sommer 2009. In Umkehrung der linken Parole das Private ist politisch sieht Scheit einen »Aufstand der Privatheit« (137) gegen die Gewalt der verschiedenen rivalisierenden Machtgruppen und Rackets, welche die Bevölkerung in einem »permanente[n] Ausnahmezustand« (139) halten. Wie »eben auf offener Straße eine unverschleierte Frau oder ein homosexuelles Paar fortwährend damit rechnen muss, von einem mehr oder wenig zufällig anwesenden Kommando überfallen zu werden.« (139) In dieser Situation erfährt die von den Linken geschmähte egoistische, individuelle Freiheit ihre revolutionäre Bedeutung. Die Stärke der aufständischen iranischen Bevölkerung sieht Scheit gerade in der Abwesenheit einer politischen Führung und kollektiver Selbstlosigkeit. »So entstehen aber Massenkundgebungen von Individuen, die gar keine Massenindividuen sein wollen, […] die nicht bereit sind, das Glück im Privaten den repressiven Maßgaben irgendeines Kollektivs zu unterwerfen. […] Denn die erste Freiheit ist die vom Kollektiv.« (141) Erwähnt seien auch Uli Krugs Beitrag über die Verbindungen Obamas zu den Saudis, Michael Rubins Verteidigung des Neokonservatismus und Fathiyeh Naghibzadehs Ausführungen zur Struktur der Geschlechterverhältnisse im Iran.