[FASSADE]
Tanja Brandmayr: Xav, beginnen wir mit STWST48x5 und kratzen wir zuerst an der Fassade: Unter dem Titel Previous Layers wird heuer eine sichtbare Referenz auf ein spezielles Projekt der STWST-Geschichte gesetzt – die Fassadengestaltung Sgraffito Alchemia von 1983. Sgraffito Alchemia ist ein sehr frühes Projekt, das federführend durch Georg Ritter auf der Fassade der alten STWST entstanden ist, damals sozusagen als Kunst-Schutzschild. 1990 wurde die alte Stadtwerkstatt letzten Endes abgerissen und damit auch das Sgraffito zerstört. Ein Bild des Sgraffitos der alten Hausfassade wird nun während STWST48x5 auf die Fassade des heutigen STWST-Gebäudes projiziert, ein Hinweis auf das 40jährige Bestehen des Hauses und ein Hinweis auf die Geschichte der STWST. Was quasi auch den Gedanken der Previous Layers zu folgenden beiden Dingen darstellt: Im Eingangsbereich des Hauses wurde heuer auch in die Wände gearbeitet. Mit dem in die Mauer gemeißelten Claim STAY UNFINISHED wurden einige Schichten der Mauer im Eingangsbereich freigelegt und es wird mit STAY UNFINISHED außerdem auf das ewig Unabgeschlossene von Kunst und Gesellschaft hingedeutet. Mit der Thematisierung der Fassade wird aber auch ein anderer Gedankengang geschlagen, denn es geht auch um eine seit damals immer wieder praktizierte und permanent wechselnde Nutzung der Fassade als künstlerisch zu gestaltende Fläche. Kannst du generell zur Fassade als künstlerisches Display, vielleicht zu anderen Fassadenprojekten, oder auch speziell zur aktuellen Fassadeninstallation Efeu Ex, auf die ja nun projiziert wird, etwas sagen?
Franz Xaver: Ich habe zwar das alte Haus der STWST gekannt, habe mich aber erst relativ spät mit dem Thema der Fassade beschäftigt. Es war schon das neue Haus in der Kirchengasse 4, bei dem die Fassade immer wieder mit Projekten bespielt wurde. Ich kann mich da eine einen Präsidentenwahlkampf von Heinz Baumüller, aber auch an das Projekt Goldhaube erinnern, bei dem die Fassade komplett mit Goldfolie zugekleistert war.
An sich ist es ja eigentlich ein Zeichen der Geringschätzung einem Werk oder Projekt gegenüber, wenn man es nach einer gewissen Zeit wieder zerstört. Kunst wird dadurch nur zur Deko. Wir suchten aber hinsichtlich der Fassade eine andere Möglichkeit, wie wir diese »bespielen« konnten. Keinesfalls wollten wir wieder eine fixe Grafik, ein Bild oder eine Kunstinstallation auf der Fassade umsetzen. Und dann, schon im Haus Kirchengasse 4, kamen Georg Ritter und ich auf die Idee, dass wir eigentlich ein unfertiges Werk, den Entstehungsprozess eines Werkes als Skulptur auf der Fassade zeigen sollten. Zu dieser Zeit arbeitete ich an einem Labor für visuelle Medien an der Hochschule für angewandte Kunst, wo es auch um dieses Thema ging. Die Kunst wechselte Ende der 80er Jahre und in den Folgejahren vom Atelier ins Labor. Diese Idee der unfertigen Fassade konnte ich sehr gut nachvollziehen und der Prozess wurde zum Inhalt. Für das Fassadenprojekt Wild Ivy (1993) kamen als Material vorerst nur Elektrizität und Licht in Frage. Der Prozess als eigene Instanz war ein häufiges Thema für die Kunst in dieser Zeit.
Damals wurde auch bereits die Idee geboren, beleuchtete Fenster mit in das Steuerungskonzept mit einzubeziehen. Seit einigen Jahren gibt es mit »Efeu Ex« auf der Fassade nun eine Weiterführung dieses ursprünglichen Konzeptes, allerdings mit anderen Mitteln – mit einer Begrünung und einem Zusammenwirken von Pflanzen und Maschinen, und einer Thematisierung von Information über Begrifflichkeiten der Natur, was wiederum eine weiter gefasste prozesshafte Auseinandersetzung darstellt, die in der STWST über das Infolab gemacht wird.
[LOCH]
Tanja Brandmayr: Themenwechsel, bzw. wechsle ich damit zum Loch, das wir heuer graben wollten. Das heißt, zu Beginn der Planungen von STWST48x5 STAY UNFINISHED wollten wir ein tatsächliches, überdimensioniertes Loch graben, als unabgeschlossenes »Unfinished«-Projekt, wozu wir auch möglichst viele Leute einladen wollten, unser eigenes Umfeld bis hin zu einer hiesigen Szene, die vielleicht besonders aktuell nicht mehr ganz versteht, was die reguläre Kulturtätigkeit und eine reguläre Kunstproduktion noch bedeuten, wenn Motohalls Kulturförderung erhalten, bis hin zum internationalen Ars-Publikum, das sich vielleicht für ein wirklich anderes Programm an der sogenannten Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft begeistern hätte können. Trotz vieler Bemühungen ist es am Ort gescheitert, an dem dieses Kunstloch möglich werden hätte können – und wir haben doch einige Ansätze durchgespielt. Wir haben nun tatsächlich zwei Projekte, die aus diesen grundsätzlichen Überlegungen resultieren – ich reiße nur an, denn das kann im Programm selbst durchgelesen werden: Mein »Deep Drilling for Contracts« geht in die symbolische Tiefe der Abmachungen, dein »Sandhole« ist ein konkav ausgehöhltes Sandloch, das letzten Endes in die Höhe geht – sprich, das konkave Loch empfängt Wasserstoffstrahlung aus dem Universum. Und damit zurück zur Ursprungsidee des Loches: Mir gefällt die Idee des Loches als irrationaler Akt, als in die Tiefe gerichtete Geometrie, als ungereinigter Sinnschlick, als unabgeschlossen bleibendes Subprojekt, als Zone, in der sich Dinge anders verbinden als an der Oberfläche. Letzteres ist nun eine Referenz an die Theorie, die ich für meine Quasikunst gerne bemühe, aber auch dazu kann an anderer Stelle nachgelesen werden.
Was fasziniert nun dich an dieser Idee eines Loches, das ohne tieferen Grund bleibt? Nennen wir es vielleicht sogar die Idee eines Anti-Negativ-Raumes?
Franz Xaver: Mit dem Anti-Negativen-Raum meinst du vielleicht das »Nichts« das hier die Quasikunst mit dem Infolab verbindet. Dahinter steht ein immer wiederkehrender Gedanke: Um mit einer Skulptur ein »Etwas« zu schaffen, ist es notwendig, auch die negative Form, »das nicht Vorhandene« mit einzubeziehen. Zuerst muss man Raum schaffen und das »Nichts« denken um Platz für das »Etwas« zu bekommen. Die Oberfläche wird zum Übergang, zur äußersten Hülle, zum Interface. Sie wird daduch zum wichtigsten Element einer Skulptur. Es ist die langsame Entstehung des »Nichts«, die bei der Erarbeitung eines »Lochs« Bedeutung kommt. Im Sinn von »Unfinshed« ist es der Prozess, bei dem das Loch geschaffen wird und ein immer größer werdendes »Nichts« hervorbringt. Das Loch darf nie fertig werden. Es muss immer tiefer und tiefer gegraben werden. Es ist wie bei einem immer wiederkehrenden Traum. Ich sehe ein unglaublich riesiges Loch, in dem Künstlerinnen mit Schaufel und Schubkarre stehen und Material abtransportieren um »Etwas« zu schaffen.
Warum wir uns im Zeitalter der Maschinen händisch abmühen, ist mir noch unklar. Die Form des Loches sehe ich als großes Parabol. Denn nur bei einer paraboliden Form eines Lochs ist es möglich, dass man ohne Hilfsmittel oder Stützschalung immer weitergräbt und das Material auf spiralenförmigen Pfaden aus dem Loch transportiert. Dass es in einem konkaven Loch automatisch zu einem Brennpunkt kommt, ist eine Begleiterscheinung. In diesem Brennpunkt lässt sich sehr leicht die Stahlung des Universums bündeln und somit die Vergangenheit in die Gegenwart holen. Das »Nichts« in Form eines Lochs, oder auch der Übergang, wird dadurch zur Zeitmaschine.
Eine weitere Metaebene eines unfertigen Lochs sind die Begriffs-deutungen. Etwas/nichts, innen/außen, da/dort, Leben/Tod, etc. Wir leben in Feldern mit entgegengesetzten Begriffen. Die Felder sind meist sehr subjektiv und bedeuten für verschiedene Personen unterschiedlichste Dinge. Über »Kultur« versuchen wir uns über die Bedeutung von diesen Begriffen zu einigen. Wir suchen dafür gemeinsame Nenner. Diese Begriffe werden dadurch immer weiter objektiviert, was in Folge die Kommunikation zwischen Individuen zunächst erleichtert. 1 und 0, das Etwas und das Nichts, sind sehr objektivierte Begriffe. Sie sind auch die kleinste Einheit der Informatik. Um eine maschinelle Informationsverar-beitung zu ermöglichen, müssen aber möglichst viele Begriffe vereinheitlicht werden. Wir sind dadurch in einem großen Umbruch unserer Kultur, der aus dem digitalen Zeitalter resultiert. Die fortschreitende Objektivierung unseres Alltag wirkt den individuellen und subjektiven Empfindungen der Menschen entgegen. Leider ist das Interesse sehr gering, diese Entwicklung kritisch zu hinterfragen. In der Informationsflut dringen persönliche, individuelle Standpunkte nicht mehr durch. Wir als gesamte Gesellschaft stellen uns leider nicht die Frage, ob wir diese Entwicklung überhaupt wollen. Dadurch bleibt uns in der STWST nichts anderes über als weiter am NICHTS zu formen, zu graben und zu hoffen, dass das Loch immer größer wird um irgendwann Platz für was Neues
zu haben.
[HAUSPRODUKTION]
Tanja Brandmayr: Schließen wir mit einem wesentlichen Punkt bei STWST48 an, mit der hauseigenen Kunstproduktion, die längerfristige Entwicklung von Projekten innerhalb der »New Art Contexts«. Wir haben hier neben den oben bereits genannten heuer Projekte von taro, der sich der Thematik der Mycelien widmet, andererseits Jakob Breitwieser mit seinem No-Float-Konstrukt. Michael Aschauer, der dem Haus seit längerer Zeit verbunden ist, präsentiert zwei Arbeiten eines Blockchain-Ad-Absurdums. Diese Arbeiten stehen alle im engen inhaltlichen Zusammenhang mit längerfristigen Hausthematiken und Projektschienen – mit einer Ongoing-Kunstproduktion. Darum »dürfen« ja auch wir beide innerhalb des Show-Formats präsentieren: weil es ganz wesentlich ist, dass der Space STWST aus einer Produktion heraus immer noch Artist-Run ist, und aus den nach vorne gerichteten »New Art Contexts« Positionen vertritt und Kritik übt, inklusive aller Faktoren, die nur innerhalb von Entwicklung und Umsetzungsstrategien schlagend werden. Versus eines um sich greifenden »Plattformcharakters« von Kunst. Dieser gibt sich mit einer in den Vordergrund getretenen Einladungspolicy gerne diskursiv, bietet unter der Oberfläche aber zu oft kaum mehr etwas außer einen inhaltlichen Mess, über dessen megalomanischem Schlund sich gerade mal noch strategische Karriereplanungen und die Side-Talks zur Kunst abspielen können … und aus diesen Gedanken heraus – und eigene Arbeiten hin oder her: Ich habe oft das Gefühl, dass in 100 Jahren etwas völlig anderes als relevant erachtet werden wird, als wir heute glauben, mein Gefühl für den Zeitgeist ist der eines allumfassenden Übergangsopportunismus, der uns alle mehr als weniger blind macht. Was meinst du dazu? Bzw anders gefragt: Was glaubst du, dass übrigbleiben wird? Aus einem Gedanken von 100 Jahre STWST in der Zukunft oder auch ganz generell?
Franz Xaver: Ich bin froh dass es in der STWST überhaupt noch Personen gibt, die etwas referenzieren wollen. Personen, die sich eine Meinung bilden und diese gegen andere Sichtweisen vertreten können und wollen. Diese Auseinandersetzung ist für eine Weiterentwicklung in einem Haus Kirchengasse 4, in dem Kreativität höchste Priorität hat, unabdingbar. Verschiedene Sichtweisen befruchten sich und diese Situation will ich in Zukunft nicht missen. Die Arbeiten unserer Flagschiffe von Quasikunst und Infolab stehen im Kontext zu den unfertigen Dingen. Der Prozess im Labor ist Teil der Arbeit. Es stellt sich aber die Frage, ob in der Zukunft »unfertige Dinge« überhaupt noch eine Aussagekraft besitzen können. Ich sehe unterschiedliche Kulturen auf uns zukommen, die miteinander nicht kompatibel sind. Unsere Kultur der Kreativität, die das Unfertige und die spontane Idee als Potential sieht, steht im Gegensatz zu einer maschinengetriebenen Kultur des Profits, die den Menschen nur als Benutzer für eine individuell, maschinell aufbereitete Information sieht. Was wir in Zukunft brauchen werden, sind dicke Mauern und effizente Firewalls gegen eine solche Art von totalitäter Kultur, mit der wir unsere Kultur der offenen Prozesse schützen können.
[INTERNATIONALITÄT]
Tanja Brandmayr: Wie du bereits gesagt hast, bei STWST48x5 verweisen wir mit STAY UNFINISHED vor allem auf per se unabgeschlossene Entwicklungen. Es gibt unter dem Titel UNFINISHED CLUB zwei Nächte mit insgesamt 10 Sessions von UNFINISHED CODE bis UNFINISHED DREAM. Diese 10 Sessions laufen die Freitag- und Samstagnacht bis in den Morgen, dauern jeweils 90 Minuten und sind international besetzt. Dies ist hier ein Hinweis auf unsere Mitkuratorin Shu Lea Cheang, die hier vor allem gewirkt hat. Mit ihr war die STWST zuletzt mit der Mycelium Network Society bei der Biennale Taipeh eingeladen. Vielleicht kannst du ein paar Worte zum internationalen Kunstbetrieb sagen und was die STWST hier für eine Position einnimmt oder in Zukunft einnehmen sollte.
Franz Xaver: Ausgangsituation ist die globalisierte, vernetzten Welt. Information ist fast schon überall gleich schnell vorhanden. Nur mit neuen, antigeografischen Konzepten kann sich Kunst in dieser vernetzen Welt entwickeln. Basis für alles ist die maschinelle Informationsverarbeitung. Die STWST hat das alles sehr früh erkannt und dadurch vor 20 Jahren eigene Medienvereine gegründet, die unsere Positionen medial unabhängig vermitteln zu können. Unsere Positionen sind vor allem in der Kreativität und Kunst zu finden. In der STWST hat sich die Kunst noch nie an ästhetischen Gesichtspunkten einzelner Genres orientiert. Es geht und ging immer um die Gesamtheit, es geht um die Einbeziehung von sozialen und politischen Situationen und der Einbeziehung des Unabgeschlossenen.
Mit dem Kontext zur Natur und dem gegenüberliegenden Begriff der Kunst in unserem Infolab haben wir in den letzten Jahren international großen Erfolg gehabt. Wir waren bei der Transmediale in Berlin, beim Pixel Festival in Bergen und voriges Jahr auch noch auf der Biennale in Taipeh. Grundlage dafür war in den letzten Jahren »stwst48«, und heuer führen wir dieses 48-Stunden-Event zum fünften Mal durch. Der internationale Austausch schafft uns eine Dialogebene. Die Schritte dorthin waren die Erweiterung unserer Arbeits- und Aktionsräume, da das Haus der STWST aus allen Nähten platzt. In den letzten 10 Jahren haben wir eine Werkstatt und ein Lager gemietet, und wir haben den internationalen Dialog über unser »Artist in Residence«-Programm auf dem Schiff Eleonore geführt. Dieser Dialog führte etwa über die Themen der Natur und des Wassers zu einer Kunst nach den Neuen Medien.
[GESCHICHTE]
Tanja Brandmayr: Ich komme gegen Ende zurück zur Geschichte der STWST. Es gab und gibt seit einigen Jahren eine eingeschlagene Richtung einer Aufarbeitung der Geschichte der STWST – oder einer (Wieder-)Sichtbarmachung von wegweisenden Projekten und der kollektiven Sphäre des Hauses. Die Archiv-Thematik ist zudem eine DER Thematiken der Zeit, mit all ihren Schwierigkeiten der Aufarbeitung. Um nochmal konkret zu werden: Die STWST setzt heuer einige Schlaglichter auf die Geschichte. Es werden in Live-Sessions innerhalb des oben genannten UNFINISHED CLUBS frühere und aktuelle Positionen vermittelt: Die von dir initiierte SeefahrerInnen-sprich-MedientheoretikerInnen-Crew Captain Mnemo beginnt unter dem Titel »Unfinished Business« eine LIVE-Fernsehshow, die die Medienperspektiven der 80er Jahre und von heute reflektiert, mit diversen Gästen. Thomas Lehner aus der früheren STWST scannt in seinem Videovortrag »Unfinished Archive« die STWST-TV-Sendungen, die seit Mitte der 80er Jahre während der diversen Ars Electronicas präsentiert wurden – und spricht über diverse Hintergründe. Und Laura McGough komplementiert in »Unfinished Access« sozusagen international und erzählt unter dem Titel »Making a Scene« über öffentlich-rechtliche Fernsehformate in den Vereinigten Staaten, die von 1972 bis 1994 von Künstlern und Künstlerinnen gestaltet wurden. Was erwartet uns hier?
Franz Xaver: Die STWST steht für einen Ort, an dem alles gedacht und umgesetzt werden kann. Die Weichen dafür haben vor 40 Jahren die GründerInnen der STWST gelegt. Diese Positionen haben gehalten und sind immer noch Grundgerüst für unseren Kreativitätsraum von heute. Die letzten 40 Jahre waren gesellschaftlich von der Entwicklung der Medien geprägt – es änderte sich mehr, als das oft heute scheint. Es waren zuerst die staatlichen Medien, die sogenannten Pushmedien, mit denen wir unzufrieden waren. Wir zeigten damals Modelle, wie aktives Fernsehen umgesetzt werden kann. Sender- und Empfängerpositionen wurden vertauscht. Erste Rückmeldekanäle wurden in den Informationsfluss eingebaut und es fanden somit neben dem »Prix Ars Electronica« die ersten Interaktionen im Fernseh-Kunst-Kontext statt. Neben der STWST gab es in diesem Bereich in Europa noch Ponton und Van Gogh TV. Weiters fällt mir Radio Frigo in Lion, RAMS und Radio Subcom in Wien ein. An alle diese frühen Auseinandersetzungen mit den Push-Medien will sich Captain Mnemo (Leo Findeisen) mit Eleonore-TV erinnern. Gerade diese Aktionen sind wichtig, wenn man eine kritische Position zu den Pullmedien, die mit dem Internet kamen, aufbauen möchte. Ohne diese Geschichte ist eine Netzkritik für mich undenkbar. Bei einer der ersten Pilotsendungen EleonoreTV - Cpt Mnemo bei STWST48 sind folgende Personen eingeladen: Alf Altendorf, Mike Hentz, Benjamin Heidersberger, Stubnitz Blo, Claudia Blaser und Tilmann Baumgärtel.
Da wir nun bei der Netzkritik angekommen sind, muss ich noch auf eine weitere Veranstaltung von STWST48 hinweisen. Es geht um den Begriff der Netzkunst. Mit UNFINISHED LIST werden fünf Mailinglisten der Netzkunst live auf Radio FRO zusammen ein Programm machen. Am Ende kompostiert Shu Lea Cheang in ihrer Performance »Composting the Net« symbolisch diese Archive der Netzkunst.
UNFINISHED LIST, das sind Mailinglisten rund um Ted Byfield, Felix Stalder, Beryl Graham, Sarah Cook, Valie Djordjevi ‘c, Kathy Rae Huffman, Diana McCarty, Ushi Reiter, Elena Robles Mateo, Renate Ferro, Tim Murray, Inke Arns, Andreas Broeckmann, Geert Lovink COMPOSTING THE NET - Shu Lea Cheang Sonntag 13.00 bis 18.00 Radio Fro
[40 JAHRE – STWST und ARS]
Tanja Brandmayr: Oben wurde die Ars Electronica erwähnt. Es ist kein Geheimnis, dass es neben den Ars-Kooperationen immer wieder Kritik bis Streitereien gab, wobei ich persönlich die autonome Haltung des Hauses und eine größere politische Kritik oder Medienkunstkritik als das wesentlichere Faktum erachte, als den Widerstand gegen die Ars. Das ist ja nur die gekräuselte Oberfläche an einer tieferen Kritik gegenüber dem System, so symptomatisch sich hier manche Punkte auch präsentieren. Nun wird es im Lentos eine Ars-Ausstellung geben, wo anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums, auch der Ars, Arbeiten der STWST präsentiert werden – leider nur von der Ars Electronica durchgeführt. Wir müssen hier leider sagen, dass diese Präsentation völlig ohne Mitwirkung der STWST erfolgt ist.
Franz Xaver: Jede Gesellschaft braucht eine Spiegel, obwohl das in der neuen logisch konstruierten Welt aus logischen Gründen nicht mehr nachvollziehbar ist. Wir machen mit Kritik trotzdem weiter, weil wir es als unsere Pflicht sehen, die Welt rund um uns wahrzunehmen und zu kommentieren. Wir dürfen nicht den Kopf un den Sand stecken und alles ungelesen ankreuzen. NEIN NEIN NEIN. Das ist der falsche Weg. Und ja, die Arbeitsgebiete haben sich vielleicht in den 40 Jahren durch verschiedene Entwicklungen in Gesellschaft geändert. Wir waren die Generation, in der alles passierte: Es war der Hippie-Gedanke, es war die Plastikgesellschaft. Und wir verloren fast jeden politischen Kampf: Wir kämpften für Aufklärung, die Umwelt, soziale Gerechtigkeit, gegen Neoliberalismus und Verdummung. Es nützte alles nichts. Wir sind aber immer noch nicht verstummt. Aber es war das einzige und richtige Konzept, es war die Basis, wir konnten 40 Jahre Kreativität und unsere Autonomie halten: Es war die Stadtwerkstatt vor 40 Jahren, die einen möglichen Pfad auszutreten begann. Linz brachte es zur »Unesco City of Media Art«. Die STWST hat in den letzen 40 Jahren einmal einen lächerlichen Staatspreis für Medienkunst erhalten, an den sich niemand mehr erinnern möchte. Um diese autonomen Positionen zu dokumentieren, ist in unserem Gesellschaftsystem leider kein Geld mehr vorgesehen. Es läuft anscheinend alles bestens und zu aller Zufriedenheit, in unserer zukünftigen neuen Gesellschaftsordnung ist nicht einmal mehr Platz
für Kritik vorgesehen.
[WITZ]
Tanja Brandmayr: Zum Abschluss ein Witz, den ich aus einem Buch von Markus Metz und Georg Seeßlen habe, aus »Geld frisst Kunst Kunst frisst Geld«: »Wenn zwei Künstler miteinander reden, dann sprechen sie über Geld. Wenn zwei Banker miteinander reden, dann sprechen sie über Kunst.« Lustig?
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