»Parole Brückenbau«

Ein Interview mit Rapperin Sookee aus Berlin.

Die Rapperin Sookee, auch bekannt als Quing of Berlin, bietet seit ihrem Solo-Debüt »Kopf Herz Arsch« 2005 dem Hip Hop-Mainstream in Sachen Sexismus, Homophobie und Gewaltverherrlichung ein starkes Gegengewicht. Tina Füchslbauer traf sie vor ihrem Gig bei der Nightline des Crossing Europe-Festivals.

In deinem Track »Einige meiner besten Freunde sind Männer«, den du mit Refpolk aufgenommen hast, singst du über Sexismen in der linken Szene. Welche Rückmeldungen hast du da bekommen?

Das ist tatsächlich der Song mit den meisten Reaktionen. Viele sprachen mich danach an: »Ich hab das gehört und irgendwie erkenn ich mich auch darin, was soll ich denn jetzt machen?« Aber ich habe keinen Ratgeber geschrieben. Ich glaube schon, dass sich implizite Handlungsanleitungen ableiten lassen, aber ich bin jetzt nicht dazu da, dir eine Checkliste aufzustellen, die du dann abarbeiten kannst, um zu sagen: »Sookee hat gesagt, das geht jetzt klar.« Ansonsten wurde der Track quasi eine Referenz, Leute fühlten sich ermutigt, das Thema endlich mal anzusprechen. Refpolk und ich haben dann noch den Song »Mehr als genug« geschrieben, der sozusagen die Fortsetzung ist. Dazu haben wir mit verschiedenen feministischen Antifa-Gruppen aus Deutschland und Österreich Interviews über ihr Selbstverständnis gemacht, und die Antworten sind in diesen Song geflossen.

Auch wenn du sagst, du willst keine Anleitungen geben, hör ich da doch auch so was Pädagogisches raus. Du hast ja viel mit Jugendlichen gearbeitet. Machst du das jetzt noch weiter?

Ich hab ein pädagogisches Herz, ja, das stimmt schon. Das finden, glaub ich, auch ziemlich viele Leute anstrengend und sagen, das ist von oben herab. Aber das ist Quatsch, weil ich lern ja auch. Es gibt drei pädagogische Grundprinzipien bei mir: Fairness, Authentizität und Wechselseitigkeit. Ich arbeite immer wieder mal mit Jugendlichen, aber ich hab keine Lust mehr auf diese ganzen kurzzeitpädagogischen Projekte. Du machst was einen Tag oder einen halben Tag mit ihnen und haust wieder ab. Es ist Beziehungsarbeit notwendig, um inhaltlich wirklich was zu stemmen.

Die queer-feministische Berliner Szene ist sehr vielseitig. Erlebst du dort auch Ausschlussmechanismen? Und wo verortest du dich selbst?

Die Berliner Szene ist riesengroß, weil früher oder später fast alle nach Berlin ziehen. Dadurch, dass sich Leute den verschiedensten Gruppen anschließen können, wird es halt teilweise elitär. Die Sprache elaboriert sich stark, was ein Ausschlussmechanismus ist, und es wird schwierig, gewisse Debatten nachzuvollziehen.
Refpolk und ich machen diesen Vortrag zu Männlichkeitskonstruktionen und Heterosexismus im deutschsprachigen Rap. Da weisen wir schon darauf hin, aus welcher Position wir sprechen. Wenn wir über die Geschichte von Hip Hop erzählen, um über Rap zu reden, dann ist natürlich klar, dass, wenn das aus einer rassistischen Marginalisierungserfahrung heraus entstanden ist, nicht meine kollektive subkulturelle Geschichte ist, sondern dass ich an einem bestimmten Punkt aufgrund einer weißen Vereinnahmung überhaupt erst dazu gekommen bin, mich da anschließen zu können. Wir thematisieren auch, dass es Leute gibt, die es fragwürdig finden, wenn weiße Leute Rapmusik machen und erklären, warum wir trotzdem denken, dass es okay ist, dass wir das tun. Wenn ich aufhöre, gibt es halt eine Frau weniger, oder eine queere Person weniger, in diesem ganzen Trubel.
Ansonsten wird halt viel rumprojiziert. Die reguläre Hip Hop-Szene findet mich natürlich Scheiße, die ganzen Jungs haben wenig Liebe für das, was ich mache. Ich muss nicht jede Kritik annehmen, aber ich befass mich mit vielen Rückmeldungen. Ich habe auf jedem Album einen Song, der heißt »Lernprozess«, da reflektiere ich das vorangegangene Album kritisch. Natürlich hab ich immer wieder mal eine Sinnkrise, ob ich das alles richtig mach, ob ich zu kritisch bin, ob ich zu wenig kritisch bin. Ich hab jetzt viel für die linksradikale, queer-feministische Szene gespielt, hab da unglaublich viel Support bekommen, und das bleibt mein Zuhause. Momentan ist mein Zugang sehr öffnend, sonst wär ich nicht bei diesem Filmfestival hier. Das füllt mir einerseits den Kühlschrank, ist aber schon auch eine strategische Frage. Es ist eine gute Gelegenheit, was zu multiplizieren. Ich hab jetzt grad eine LP aufgenommen, die heißt »Parole Brückenbau« und so seh ich das tatsächlich. Es ist Zeit, meine Inhalte zu spreaden, ohne sie aufzuweichen. Viele sagen, sie haben keinen Bock mehr zu diskutieren, weil das machen sie jetzt seit tausend Jahren. Ich kann das voll verstehen, aber ich hab die Kraft noch.

Du schreibst Musikrezensionen für die An.schläge. Magst du uns auch noch ein paar Musikerinnen
empfehlen?


Also in Großbritannien gibt es ganz viel zu entdecken. Ein Song, der als Recherchestart zu empfehlen ist, heißt »Female takeover«. Da gibt es ein Video, in dem sich mehrere Frauen unfassbar gut zeigen und jede von denen hat eigene Releases. Ansonsten empfehle ich Angel Haze aus New York, die ist total großartig. Dann gibt’s genderqueere Personen wie Mykki Blanco. Im deutschsprachigen Raum gibt es viele Frauen, die schon seit einer ganzen Weile unterwegs sind, aber nicht so richtig gesehen wurden. Zum Beispiel ist da TemmyTon aus Hamburg. Und, ganz wichtig, es gibt ein female Hip Hop online-Archiv, das ganz viele Frauen versammelt, die Seite heißt noboysbutrap.org.