Spiegelwelten aus Kunst und Natur

Franz Xaver zum Beitrag der Stadtwerkstatt in der Ausstellung »Im Garten« – Museum Nordico Linz.

Die Stadtwerkstatt Linz betreibt seit 2009 einen 90 Meter langen Uferabschnitt an der Donau unterhalb der Nibelungenbrücke in Urfahr und begrünt seit diesem Zeitpunkt die Hausfassade unter dem Titel »Efeu Extended«. In diesen zwei Jahren wurden Lösungen und Zukunftperspektiven, abseits der virtuellen Welten des Informationszeitalters gesucht. Speziell in Linz werden große Hoffnungen in das neue digitale Zeitalter projiziert, die Stadtwerkstatt macht das nicht mehr, sie hinterfragt diese Position. Es müssen aber alternative Mechanismen gefunden werden, über die man diese neue Technologien distanziert betrachten kann. Dafür bietet sich die analoge Spiegelwelt der Natur und ihr Umgang mit Information an. Digitale Welten wollen ja eigentlich nur die Natur kopieren, deswegen ist es nur legitim, digitale Entwicklungen mit Prozessen der Natur zu vergleichen.
Alles entstand in der Evolution, der Entwicklung jener Aminosäuren, die bei ihren Kopiervorgängen Anomalien entwickelten und dadurch Information durch die Differenz erzeugten. Ein weiterer Meilenstein war das autonome Denkvermögen des Menschen, jenes Ich-Bewusstsein, das er entwickelte, und mit dem auch das Selbst-Erkennen im Spiegel möglich wurde (oder vice versa). Das Erkennen des Ichs und die Folge, dass Umwelt gestaltbar wurde, könnte eventuell auch die Geburtsstunde der Kunst und des Künstlichen sein. Kunst ein schwieriger Begriff, da er bis in die Gegenwart stark individuell geprägt ist. An dieser Stelle ist jedem/r LeserIn zu raten, den Begriff Kunst in Wikipedia nachzulesen. Das kollektive, künstliche Wissen des Internets kommt einer Erklärung wohl am nächsten.
Mit der Abstraktion der Information entwickelte sich eine künstliche Welt. Sie bildete Werte, die den Vorteil des Informationsvorsprungs absicherte – »Wissen ist Macht«. Da nun bei den Entwicklungen einer mathematischen Definition von Information Probleme auftauchen, kann man sich derzeit immer weniger auf die Naturwissenschaften verlassen. Die Krise, in der wir stecken, ist eine Systemkrise, mit Ursachen im Zusammenspiel von Macht, Wissen, Vorteil und Kapital. Das Problem lässt sich nicht mehr durch die Ratio lösen. Wir müssen wieder auf die Natur zurückblicken – und vergleichen, wie dort Information und Wissen verwaltet wird. Auf den ersten Blick fällt auf, dass in der Natur der Stellenwert von Information und der Vorteil der neuen Information geringer ist, als in unserer künstlichen Welt. Es gibt mehr Toleranzen, in denen sich ruhig mal etwas »falsch« entwickeln kann. Weiters fällt auf, dass in der Natur alles zyklisch in Bewegungen ist. Neben den aktiven Phasen gibt es immer wieder scheinbare Ruhephasen, in denen Information in einer anderen Welt reflektiert, und mitunter auch gelerntes wieder zerstört wird, falls die Information keinen erkennbaren Wert oder kein erkennbares Wiederholungmuster besitzt. Keine Belastung, kein Overhead. In den Phasen dieser Reflektion schaltet die Natur (vor allem beim Menschen, da er ein hohes Abstraktionsvermögen hat) in einen anderen Realitätsmodus – in die Welt der Träume.
Aber nicht nur der Tag-Nacht-Rythmus ermöglicht diese Ruhephasen. Auch Jahreszeiten, Wind und Wetter bieten Erholungsphasen. Das Vergessen wird zu dem wichtigsten Element in der Natur. Informationsverabeitende Maschinen zu konstruieren, in denen nur alte Strategien wie »Wissen ist Macht« verfolgt werden, sind obsolet.

Möglichkeiten der Kunst, Ruhephasen zu ersetzen

Die Information von Kunst im Sinn eines wertfreien Inhalts wie wir sie z.B. von abstrakten Bildern und Musik kennen, muss den gleichen Stellenwert bekommen, wie die Informationen, die wir zum Zweck unseres Vorteils sammeln (Wissens-, Macht- und Kapitalvorsprung). Die Informatik zeigt uns aber leider einen anderen Weg. Mit dem Web3.0, dem semantischen Web, wird die Information immer weiter über eine deterministische Welt qualifiziert und quantifiziert. Kunst bzw. Ruhephasen wie wir sie von der Natur kennen, haben in dieser Welt keine zwingende Notwendigkeit. Die Werte der Aufklärung und industriellen Revolution werden leider in der Welt der Software-Informationsmaschinen unreflektiert übernommen. Effizienz wird essenziell. Maschinen haben 24h, 7 Tage die Woche, fehlerfrei und schnell zu arbeiten, um Profit zu maximieren. Hier möchte ich die »High Frequency Trading« Software der Börsenwelt nennen, bei der 20000 Transaktionen pro Sekunde keine Seltenheit mehr sind.
Die Stadtwerkstatt versucht im naturnahen Arbeiten und mit einem grünen Erscheinungsbild auf der Hausfassade und auf der Donaulände auf einen notwendigen Wertewechsel zu verweisen. Im Gegensatz dazu steht das neue AEC-Gebäude mit Glas, Beton, Elektronik, Informatik und Licht. Eine alte Technologie mit der Zukunftsperspektive der 80er Jahren, bietet heute keine Lösungen mehr. Die neuen grünen Arbeitsmaterialien der STWST zeigen eine Alternative und bieten vor allem schon im visuellen Kontrast eine Perspektive.
Die Natur ist für uns aber keinesfalls die gewohnte Kultur- oder Parklandschaft, sie soll auch nicht eine Erholungs- und Schrebergartenidylle bieten. Die Entwicklung der Kulturlandschaften unseres Landes wurde von der Urangst der Menschen geprägt, das eroberte Land wieder an die Natur zu verlieren. Diese Kulturlandschaft zeigt uns sicher keine Lösungen, da hier die Natur als Feind des Menschen gesehen wird. Arbeiten mit Natur soll Erkenntnisse bringen, die im technologischen Informationsbereich angewandt werden können.
In unseren Gärten wird das Unkraut gepflegt, Hochwasserablagerungen der Donau, die Entwicklung der Entropie und die Rückeroberung der scheinbaren Kulturlandschaft durch die Natur genau beobachtet. Renaturierungsprogramme sind uns ein Greuel. Chaos ist Entropie und vernichtet Information im Sinn von »Wissen ist Macht« und kann in diesem Fall Lösungen bringen. An der Donaulände wird Wasser zugleich als neues Arbeitsmedium entdeckt, und der Zusammenhang zu Information erforscht.

Die Stadtwerkstatt verankerte dafür eine Boje in der Donau. Neben anderen Sensoren wurde für die Ausstellung auch eine Unterwasserkamera montiert. Diese Kamera ermöglicht einen anderen Blickwinkel in neues Terrain. Bilder aus Lebensräumen, die für Menschen unzugänglich und lebensfeindlich scheinen, bieten manchmal, bei genauerer Betrachtung, Lösungen und Alternativen.

Kurz zusammengefasst:
Kunst kommt von der Schaffung des Künstlichen. Dadurch entsteht eine Spiegelwelt der Natur.
Die Stadtwerkstatt sucht diese Grenzen, bzw die Schnittstellen von der Natur zur Kunst.
Die Wasseroberfläche als natürlicher Spiegel war ein Meilenstein in der Evolution und erzeugte Kunst. Mit der Kamera, welche drei Meter unter der Wasseroberfläche schwimmt, blickt man in eine dunkle Welt hinter den Spiegel, und ermöglicht dadurch neue Reflektionen.
Sie können die Welt hinter dem Spiegel auch über die STWST homepage http://stwst.at erreichen.

Es sind zwei Besichtigungstermine auf der Donaulände geplant, bei denen Themen unseres Programms im Rahmen eines gemütlichen Picknicks erörtert werden können.
Freitag, 1. Juli 2011: 16.00 Uhr, Stadtwerksatt Linz, Kirchengasse 4, T: +43732731209
Freitag, 30. September 2011: 16.00 Uhr, Eleonore Winterhafen Linz, Am Winterhafen 29e, T:+43732731209

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Der Text ist eine persönliche Sicht des Autors und muss sich nicht mit der aller Interessensgruppen in der Stadtwerkstatt decken.