Die mögliche Annahme, Sabine/Adelaida Iwanowna und der alte Schwede Lasse Benissen wären die einzigen Menschen gewesen, die Yorick in irgendeiner Weise nahe standen, beziehungsweise umgekehrt, ist falsch. Da gab es im weiteren nämlich auch noch Eisel und Peisel. Eisel und Peisel wurden von niemand so, also Eisel und Peisel, genannt, außer von Seiten Yoricks, der in einer Biographie des Komponisten Arnold Schönberg gelesen hatte, dass der große Gustav Mahler den jungen Schönberg und irgendeinen Zweiten, der mit Schönberg immer gemeinsam unterwegs gewesen war (Yorick hatte vergessen, wer), und die stets gemeinsam den Mahlerschen Salon aufsuchten, mit dem dualen Spitznamen Eisel und Peisel belehnt hatte; ihre wirklichen Namen, die von Eisel und Peisel, waren Fritz und Fratz, der übrigen Welt waren sie unter den Spitznamen Clown und Pfosten bekannt. Wenn Eisel und Peisel in die Studierstube des Yorick auf Besuch kamen, gefiel sich der dicke und leutselige Yorick in seiner Rolle als Gastgeber sehr und servierte Kaffee und Kuchen oder auch anderes. Oftmals endeten diese Treffen Yoricks, Eisels und Peisels in einem gehörigen Streit, da jeder gerne seine eigene Meinung vertrat und zu behaupten suchte, aber das machte nichts, beim nächsten Treffen war alles wieder vergessen, nicht allein aus edler Gesinnung und Respekt gegenüber den anderen im freundschaftlichen Bunde, aus Gründen der Nachsicht und der Toleranz und was es da sonst noch so an Vorbildlichem gibt, sondern auch, weil sie schnell feststellten, dass sie für sich genommen verloren waren. Beruhigend zu wissen, dass die meisten Zusammenkünfte aber friedlich und in großem Einklang zwischen Yorick und Eisel und Peisel verliefen, da ein jeder zwar seine eigene Meinung hatte, und sie seinem Naturell gemäß ohne größere Rücksichtnahme auf Persönliches verbreitete und auf ihr beharrte, sie bildeten schließlich eine Vernunftgesellschaft, sagten sie sich, sich in seinem eigenen Vortrag und in dessen Lebhaftigkeit von den Vorträgen des anderen in aller Regel aber nicht weiter stören ließ.
Da war zunächst Eisel. Eisel war, nach eigenen Maßstäben gemessen, so etwas wie ein Universalkünstler, und schäumte nur so über vor Ideen zu künstlerischen Projekten, von denen er gerne und mit großem Nachdruck berichtete. Er arbeite gerade an einem neuen künstlerischen Projekt, pflegte Eisel kurz, nachdem er zur Tür von Yoricks Studierstube, beziehungsweise eigentlich egal welcher, rein gekommen war, seine Garderobe abgelegt und Platz genommen hatte, oder manchmal auch schon vorher, zu berichten, und Fragen der Art wie zum Beispiel um was für ein künstlerisches Projekt es sich denn handeln würde, kam er in aller Regel durch seinen eigenen erläuternden Einsatz zuvor, sodass man selber im Umgang mit Eisel wenig Aufwand hatte.
Eisel erzählte zum Beispiel: Er arbeite gerade an einem neuen Projekt. Sein Plan sei es, ein Cellokonzert zu verfassen, so Eisel. Das Cellokonzert als künstlerische Ausdrucksform gilt der Versinnbildlichung des Konflikts zwischen dem Individuum, dargestellt durch das Solocello, und der Gesellschaft, dargestellt durch das Orchester, entgegnete Yorick wie aus der Pistole geschossen und lehnte sich in seinem Lehnstuhl reflexartig und mit einem plötzlich leuchtenden Ausdruck in seinen Augen nach vorne. Er habe davon gehört, entgegnete wiederum Eisel ruhig, was auch der Grund sei, wieso er anstrebe, ein Cellokonzert zu schreiben (ansonsten hatte er keine Ahnung von Musik). Beim nächsten Mal berichtete Eisel: Er verfolge gerade ein neues künstlerisches Projekt. Er plane die Verfassung eines Klavierkonzerts, so Eisel. Das Klavierkonzert ist ein Solokonzert, bei dem das Soloinstrument das Klavier ist, welches von einem Orchester begleitet wird, entgegnete Yorick wieder mit einer plötzlichen Bewegung nach vorn, denn auch er wollte dazu etwas zu sagen wissen. Ein anderes Mal erläuterte Eisel: Er plane die Verfassung eines dramatischen Werkes in der Tradition Shakespeares mit dem Titel »Plinius der Jüngere« (Eisel hatte, wie sich im weiteren Verlauf herausstellte, einen Film des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa, der, wie man vielleicht weiß, sich gerne mit Shakespeare-Sujets auseinandersetzt, gesehen). Dann wäre es erforderlich, zunächst einmal genau zu recherchieren, wer Plinius der Ältere gewesen ist, entgegnete Yorick mit einem diesmal etwas unsicheren Ausdruck in den Augen und nach einer kurzen Pause (er hatte es, wie er nach einiger Zeit zugeben musste, in diesem Moment nicht im Kopf, wer Plinius der Jüngere eigentlich war, und welcher Art dessen historische Rolle gewesen sein soll, und wie es sich herausstellen sollte, wusste Eisel dergleichen im wesentlichen auch nicht), der Flüssigkeit der darauf folgenden gegenseitigen Monologe Eisels und Yoricks über das Wesen des dramatischen Kunstwerks, und auch anderes, tat das erfreulicherweise jedoch keinen Abbruch.
Die weitere Reihenfolge von Eisels Projekten zu dieser Zeit (die, sagen wir einmal, eine Spanne von gut sechs Wochen umfasst) war: einen Dokumentarfilm zu drehen über den Alltag in Pensionistenheimen mit dem Titel »Wartezimmer zum Tod«/ eine Environment-Installation zu schaffen, die aus hundertundfünfzig aufgehäuften künstlichen Autoreifen aus Papiermaché bestand / eine künstlerische Programmreihe mit dem Titel »Bodycheck« zu konzipieren, bei der es um das Thema »Körperlichkeit und Subjektivität« geht / ein Bild zu malen, wie sich Cezanne wohl ein Stück Hundekot vorgestellt hätte / ein Haus zu konstruieren wie das unheimliche Haus ur des deutschen Künstlers Gregor Schneider / ein Ballet zu choreographieren nach dem Vorbild von Bernd Bienert / einen ungeheuren wilden Wurm in einen mit Formaldehyd gefüllten Behälter einzulegen, mit dem auf Damien Hirst und Richard Wagner gleichzeitig angespielt wird / einen großen Roman zu schreiben / eine Performance zu machen, bei der eine Lastwagenladung Fleisch neben einer Demonstration von Veganern auf den Gehsteig gekippt wird / eine multimediale Installation zu konstruieren, die bei der nächsten Ars Electronica ausgestellt wird.
Dann wieder einmal erläuterte Eisel, er plane, ein wissenschaftliches Werk zu verfassen mit dem Titel Problems and Perspectives in Contemporary World Order, woraufhin Yorick aber einwarf: das habe bereits er gemacht! (es handelte sich um seine Diplomarbeit an der Universität), wobei Yorick im weiteren Verlauf aber einräumte, dass die Ergebnisse und Behauptungen, die in dieser Arbeit aufgestellt werden, bereits ein halbes Jahr nach ihrem Erscheinen durch den weiteren Gang der weltpolitischen Ereignisse und der Weltgeschichte zu einem großen Teil wieder überholt waren, und es Eisel daher an seiner Stelle von neuem versuchen könne. Bei der darauf folgenden Zusammenkunft begann Eisel aber ohnehin darüber zu plaudern, dass sein neues Projekt vorsehe, Kapitalismus und Kommunismus miteinander zu vereinigen (schließlich handle es sich bei beiden um Projekte, bei denen das Ökonomische im Vordergrund stehe und mit Heilsversprechen verknüpft ist, meinte Eisel). Yorick sah sich etwas irritiert, freute sich aber darüber, über die Gleichzeitigkeit des ökonomisch Ungleichzeitigen als Charakteristikum aller möglichen Epochen, wie es bereits in der berühmten »Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie« von Marx in brillanter Weise ausgeführt wird, zu referieren, und nach nur zwei Stunden der Diskussion kam ihm in den Sinn, dass der Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus in der Frage nach der Stellung des Privateigentums bestünde, und dieser Unterschied einen unversöhnlichen und unüberbrückbaren Gegensatz markieren würde, das Projekt »Vereinigung Kapitalismus und Kommunismus« daher zum Scheitern verurteilt sei (was im weiteren Verlauf bei Eisel und Yorick den Gedanken produzierte, dass ein derartiges Ergebnis eigentlich im Widerspruch mit der marxistischen Dialektik stünde, nach der es keine unüberbrückbaren Gegensätze geben könne, und dass der Marxismus daher möglicherweise falsch ist).
In seinen Schilderungen über seine Projekte ging Eisel auf wie Germteig, und ähnlich erging es, in seinen Repliken, Yorick. Man muss sich das etwa so vorstellen, aus der Totale betrachtet: In seiner Sitzgelegenheit wie Germteig ging auf Eisel, in seinem Lehnstuhl gegenüber wie Germteig auf ging Yorick; ein interessantes Projekt wäre es gewesen, diesen Prozess unter der Zuhilfenahme künstlicher Mittel filmisch festzuhalten, allein, auf eine solche Idee kamen weder Eisel noch Yorick, wobei es allerdings unwahrscheinlich gewesen wäre, dass Eisel und Yorick, hätten sie eine solche Idee gehabt, diese auch ausgeführt hätten. Zu der Ausführung seiner Ideen war vor allen Dingen Eisel immer viel zu sehr beschäftigt. Zum Verhältnis zwischen Eisel und Yorick ist zu sagen, dass sich Eisel und Yorick in ihrer gegenseitigen Anwesenheit außerordentlich schätzten, obwohl sie sich auf persönlicher Ebene eigentlich gar nicht besonders mochten, und keine großen Stücke aufeinander hielten; freilich freuten sie sich aber über die Möglichkeit, die die Präsenz des jeweils anderen eröffnete, eine Rede über sich selbst zu führen. Vor allen Dingen Eisel redete ja immer gerne über seine Projekte; und Yorick gab dazu seine Kommentare ab. Eisel: Projekt – Yorick: Kommentar. Und beim nächsten Mal war alles wieder vergessen, da Eisel mit einem neuen Projekt daherkam. Zu all dem muss angemerkt werden, dass Eisel ein grundgütiger Mensch war, und keiner Menschenseele jemals etwas zuleide tat (er war auch zu klein dazu).
Eisel und Yorick kannten sich noch von der gemeinsamen Schulzeit. Eisel wollte damals: sich ein Elektronenmikroskop kaufen, auf einer Bohrinsel arbeiten, Diamantenschürfer werden, Relativitätstheorie und Quantenmechanik miteinander vereinigen, Astronaut werden, einen Düsenantrieb konstruieren, Profi-Catcher werden, Uhrmacher, Millionär, Milizionär, Söldner, Dirigent, Polizist, Entwicklungshelfer, Bombenentschärfer, Profiler, General, Anwalt, Kommunist, Schriftsteller, Regisseur, Krimi-Autor, Detektiv, Künstler, Eisenbahnfahrer, Journalist, Gitarrist und Christ, und einiges, was das Erinnerungsvermögen übersteigt, mehr, denn Eisel wollte ja beinahe jede Woche irgendwas anderes (Yorick war etwas beharrlicher, seine Pläne konzentrierten sich, neben dem Zeichnen von (zumeist obszönen) Karikaturen, allein darauf, Relativitätstheorie und Quantenmechanik miteinander zu vereinigen.) Eisel und Yorick kannten sich im Übrigen nicht von der Grundschulzeit, sondern von der Allgemein bildenden Höheren Schule.
Wie anders als Eisel war da doch Peisel! Peisels Handlungen und Beiträge zur Geselligkeit beschränkten sich im wesentlichen darauf, mit doppelt verschränkten Beinen, also den Fuß des über das linke Bein geschlagenen rechten Beines an die Köchelinnenseite des linken Beines angewinkelt, und kreuzweise übereinander verschränkten Armen auf seinem Stuhl zu sitzen und Zigaretten zu rauchen (und dabei den Rauch in die Luft zu blasen). Im Sinne einer möglichst vollständigen Schilderung der Situation darf Peisels dabei eingenommene Kopfposition nicht vergessen erwähnt zu werden, nämlich von der Vertikale nach links abweichend und nach oben gerichtet, mit den Augen dabei zusätzlich nach rechts oben blickend, das heißt also an die Zimmerdecke, den Eindruck machend, diese studierend, und zwar eingehend. (Peisel! Was geht ab am Plafond? oder Peisel! An der Decke alles klar?, mit diesen scherzhaften Fragen beliebten Yorick und Eisel den Peisel in seinen mysteriösen Betrachtungen zu unterbrechen, in den kurzen Momenten, in denen sie sich von ihrer Beschäftigung mit sich selbst erholten, um neue Kraft zu schöpfen, woraufhin Peisel, sich mit solchem Nachdruck angesprochen und ins Zentrum gerückt sehend, meistens etwas murmelte oder brummte: Es gab zwei Optionen, wie seine Reaktionen sich gestalten konnten, entweder er murmelte etwas oder er brummte (weswegen Yorick und Eisel sich gerne den Spaß leisteten, Wetten abzuschließen, welche der beiden Optionen sich bei der nächsten Reaktion des Peisel wohl realisieren würde: Dass Peisel etwas murmelte oder brummte). Mysterium, sprich!, neckten Yorick und Eisel bei solchen Gelegenheiten dann den Peisel, der daraufhin entweder etwas murmelte oder brummte, oder aber angesichts der Konfrontation mit derartiger Dummheit und Niedrigkeit einen tiefen Zug von seiner Zigarette zu sich nahm, um ihn mit einem stillen, aber ebenso tiefen Seufzer wieder von sich zu geben (in Richtung Zimmerecke, versteht sich)). Aufgrund seiner Körperhaltung machten sich der kunstsinnige Yorick sowie der kunstsinnige Eisel gerne das Vergnügen, dem Peisel einen Kunstband mit Bildern des britischen Malers Francis Bacon unter die Nase zu halten, und eifrig darüber zu diskutieren, welches wohl die größte Ähnlichkeit mit dem Peisel hätte. Zu den Favoriten zählten die Studie für ein Porträt von Lucian Freud aus dem Jahr 1971, oder der Triptych der Drei Studien von Lucian Freud aus dem Jahre 1969, oder die Porträts von George Dyer, sich im Spiegel betrachtend aus den Jahren 1967 und 1968 oder die männliche, rechte Figur aus Mann und Kind aus dem Jahr 1963. Schau her, Peisel, richte deinen Blick Richtung Buch!, forderten Yorick und Eisel dann immer den Peisel auf, versuchend, ihn in die Debatte mit einzubeziehen, welches Francis Bacon–Bild wohl am ehesten, wenngleich unfreiwillig, den Peisel wiederzugeben imstande gewesen wäre. Tatsächlich konnte es geschehen, dass Peisel den ihm unter die Nase gehaltenen Francis Bacon-Porträts einen kurzen Blick schenkte, um ihn anschließend wieder Richtung Zimmerdecke zu wenden und einen tiefen Zug von seiner Zigarette zu nehmen (und den Rauch in die Luft zu blasen).
Peisel war Wissenschafter. Daher erschien es ihm womöglich als zu unseriös, sich mit anderen Leuten zu unterhalten. Hin und wieder erregte etwas seine Aufmerksamkeit, dann richtete er seinen Blick weg von der Decke und fixierte Eisel und Yorick. Das bedeutete natürlich noch nicht, dass er etwas sagte, aber in einigen Fällen konnte genau das vorkommen. Meistens handelte es sich um einen unartikuliert ausgesprochenen, irgendwie abschätzig wirkenden Kommentar zu den Hervorbringungen Eisels und Yoricks. Wenn Eisel und Yorick über etwas lachten, verdrehte Peisel meistens die Augen und bedeutete über sein Gebahren ganz allgemein, als wie unglaublich primitiv das Niveau der Leute um ihn herum seines Erachtens nicht einzuschätzen wäre. Hin und wieder konnte es natürlich auch vorkommen, dass Peisel von der Späßen Eisels und Yoricks tatsächlich positiv überwältigt war. Dann verzog er seinen Mund zu einem leichten Lächeln. Er bemühte sich dabei aber, den Mund nicht zu stark zu verziehen, was bei Yorick und Eisel dann immer mal wieder den Impuls auslöste, sich unter Gelächter an der Visage des Peisel zu schaffen zu machen (mit ihren Fingern und Händen), um ihr durch tatkräftige Verformung ein freundlicheres Aussehen zu verleihen, was natürlich dauerhaft nicht gelang, denn die Kontrolle über seine Mimik lag bei Peisel, und dessen Pläne waren, wie man sich denken kann, anderer Natur. Deshalb probierten es Yorick und Eisel hin und wieder mit Wäscheklammern, einen freundlichen Ausdruck in der Visage des Peisel zu fixieren, oder aber mit Klebestrei-fen, mit denen sie immerhin ein temporär befriedigendes Resultat erzielten. (Und einmal ging Yorick soweit, zu diesem Behuf beinahe einen Superkleber einzusetzen, er konnte aber noch rechtzeitig zurückgehalten werden.) Peisel ließ sich davon nicht beeindrucken. Hin und wieder führte das schelmische Treiben Eisels und Yoricks zu dem Ergebnis, dass Peisel mit dem Ausstoß des inhalierten Zigarettenrauchs gleichsam einen seiner für ihn charakteristischen tiefen, stillen Seufzer fahren ließ, dann hatten sie beinahe schon gewonnen. Bei einer Gelegenheit leerten sie dem mit seinen doppelt verschränkten Beinen und seinen verschränkten Armen Richtung Zimmerdecke blickenden rauchenden Peisel ein Glas Bier über den Kopf, was Peisel, seine Position beibehaltend, einen Zug von seiner Zigarette nehmend (und den Rauch in die Luft blasend), immerhin mit einem gemurmelten ist mir wurscht quittierte.
Peisel war, wie gesagt, Wissenschafter. Wie wissenschaftlich er tatsächlich war, konnte allerdings niemand sagen, denn er hatte noch nie ein wissenschaftliches Werk veröffentlicht, und auch noch nie einen wissenschaftlichen Vortrag gehalten, ja, eigentlich noch nie auch nur einmal etwas wissenschaftliches gesagt. Hin und wieder mischte er sich in die wissenschaftlichen Vorträge Yoricks oder Eisels ein, und dabei blickte er ihnen sogar in die Augen, und zwar meistens mit den Worten, woher sie denn das wüssten; woher sie glauben, dass sie das wüssten, oder ob sie glauben würden, dass das tatsächlich stimmt. Das war alles. Hinsichtlich seiner Kompetenz war es Peisel also beschieden, nach einer gewissen Zeit einen etwas zwiespältigen Eindruck zu hinterlassen. Das Geheimnis-volle und Mysteriöse an Peisel war jedoch, dass er, laut eigenen Angaben, welche niemand wagte, anzuzweifeln, an einem ganz großen wissenschaftlichen Werk arbeitete. Das war seine Hauptbeschäftigung. Er arbeite an seiner Arbeit, sagte er, und war von dem Arbeiten an seiner Arbeit ganz und gar in Anspruch genommen, denn bei dieser Arbeit handle es sich nicht um irgendeine Arbeit, sondern um ein ganz großes, ein umwälzendes, alles in seinen Grundfesten erschütterndes, revolutionäres Werk, daher könne er noch nicht darüber sprechen, und tatsächlich war über den Gegenstand des ganz großen wissenschaftlichen Werks nichts bekannt, denn Peisel gelang es, sein Inkognito zu wahren, außer, dass es sich um eine komplette Umwälzung und Neudeutung der Weltgeschichte handeln würde. Das musste freilich eine Sache von höchst aufwendiger Natur sein. Hin und wieder, selten freilich, schien dem Peisel seine Arbeit über den Kopf zu wachsen, und unter dem Druck der enormen geistigen Belastung stieß er hervor, was später einmal als Klage des Peisel bekannt werden sollte, nämlich wie nahe er daran sei, die großen Zusammenhänge zu erkennen, allerdings noch nicht ganz, die Dinge lägen wohlgeordnet in seinem Kopf, er spüre es, alles würde bald durchbrechen, hin zur Erkenntnis der großen Zusammenhänge, aber ach, noch wäre es nicht soweit. Und damit hatte es auch den Yorick, egal, in welcher Beschäftigung er gerade verstrickt war, sogleich gepackt, der sich daraufhin erging, dass er derartiges sehr genau kenne, da es ihm genauso ginge, also dass er fühlte, wie knapp er davor wäre, die großen Zusammenhänge zu erkennen, er sei ihnen auf der Spur, welche Erkenntnisse hatte er denn nicht im Kopf, er fühle es, bald würde er vermittels dieser Erkenntnisse zur Erkenntnis der großen Zusammenhänge vorstoßen, noch aber sei es nicht soweit, und auch Eisel warf ein, dass es ihm genauso gehen würde, auch sein Kopf sei kurz davor, die großen Zusammenhänge ausfindig zu machen, das vorhandene Wissen zu synthetisieren, zu vereinigen, und auf die Stufe der Erkenntnis der großen Zusammenhänge sowie der großen künstlerischen Lösung und der reinen künstlerischen Anschauung zu heben, noch aber sei es nicht soweit. Dann sagten und befanden also alle drei das gleiche, also, wie kurz davor sie sich nicht fühlen würden, die großen Zusammenhänge zu erkennen vermöge ihrer bereits vorhandenen Erkenntnisse, bald würde es soweit sein, die Dinge in ihrem Kopf hatten bereits ein hohes Maß an Ordnung angenommen, und es sei allein noch eine Frage der Zeit, bis sie zur Erkenntnis der großen Zusammenhänge und der großen künstlerischen Lösung vorgedrungen wären, noch aber sei es noch nicht soweit, aber bald. (Die Geschicke des Zufalls wollten es einmal, unbeabsichtigterweise einen Einblick in die Intention der Geheimnis umwitterten Arbeit des Peisel zu verschaffen, und legten frei, dass sie den Zweck verfolgte, den Beweis zu erbringen, dass Alexander der Große, Karl der Große, Julius Cäsar und Jesus Christus angeblich ein und dieselbe historische Person gewesen sein sollen. (Was Yorick und Eisel einen Anhaltspunkt lieferte, warum, wie sie sich erinnern konnten, Peisel an jenem denkwürdigen Tag, an dem der Name Plinius des Jüngeren fiel, indem er plötzlich aufstand, nervös im Zimmer herumzulaufen begann und schließlich (ohne sich zu entschuldigen, versteht sich) die Örtlichkeit verließ, so seltsam und gar nicht seiner Art gemäß reagierte.))