Dieses Open Air ist charmant! Als Reaktion auf meine, scheinbar, einfache Frage »Das wievielte Open Air ist das eigentlich?« gibt es erstmal lange Gesichter – Äh, das weiß keiner so genau, vermutlich das 15te. Wo sich andere VeranstalterInnen mit riesen Trara selbst beweihräuchern, die glorreiche Vergangenheit abfeiern und zur Legende erklären würden, gehen die Ottensheimer-Innen (mit Linzer Support: KAPU, STWST) einen anderen, hundertmal symphatischeren Weg. Wichtig ist das Hier und Jetzt, das letzte Juni-Wochenende, das OpenAir 2008.
Sicher kann ein kleines Festival nicht mit seit 30 Jahren aufgelösten Ex-Punkern wie den Sex Pistols aufwarten, auch auf »Shiny Happy People« muß verzichtet werden. Doch 10 Bands, moderate Preise (23.- Euronen für 2 Tage im Vorverkauf), Grillen, gratis Campen, Bademöglichkeiten in der Rodel und der Donau – Festivalliebhaberherz was willst du mehr. Auch FreundInnen des Passiv-Ballesterns können beruhigt die Reise in das, 10 Kilometer von Linz entfernt gelegene gallische Dorf antreten, der Fußballgott ließ in seiner unendlichen Weisheit sowohl den 27. als auch den 28. Juni als spielfreie Tage in den Euro-Kalender eintragen.
Liebhaberei erkennt man auch an Details. So ist selbst das stille Örtchen an diesen 2 Tagen gar nicht so leise. Eigens erstellte Toiletten-Sampler lassen die BesucherInnen beschwingt ihren Geschäften nachgehen. Gerüch(t)eweise soll heuer auch das Dach des Klo-Wagens zur Bühne umfunktioniert werden. Man darf gespannt sein!
Wer spielt nun aber abseits der Sanitäranlagen? Das BOBAN I MARKO MARKOVIC ORKESTAR reist mit 13 (in Worten: DREIZEHN!!!) Bläsern aus Serbien nach Ottensheim an und wird mit ihrem Gypsy Brass selbst die hölzernsten Tanzbeine in Ekstase versetzten. FUCKHEAD liefern eine 20 Jahre Jubiläumsshow ab, Wahnsinn garantiert! TIGROVA MAST aus Kroatien jagen Melodien des Ostens in unglaublicher Geschwindigkeit über ein ca. 40cm großes Keyboard. Bass & Schlagzeug sorgen für eine Ruins-artige Energiewolke, die dermaßen groovt, dass man/ frau das letzte Bier schnell wieder heraus schwitzen wird. Balkan Folklore goes Noise-Rock! VALINA präsentieren uns einmal mehr ihr neues unglaublich großartiges Album »«A Tempo! A Tempo!« und werden dabei zeigen, daß sie imstande sind Live noch einige Zähne zuzulegen. FIVA & RADRUM aus München stehen für soliden, intelligenten Deutschrap, voll liebenswerter Wortspiele und fernab der heutzutage leider allzuoft üblichen Phrasendrescherei.
Dann gibt es noch das aus Buenos Aires stammende Musikerpaar Fatima El Kosht und Francisco Perez Mazon, die 2006 die 8-köpfige Band NAT MAIKOKII gründeten. Gesungen wird zweistimmig in spanischer, englischer, portugiesischer und französischer Sprache. Reggae, Dub und Ska, gespielt mit Lebenslust und südamerikanischem Flair. Unterstützt von dreistimmigen Bläsersätzen, zwei Gitarren, Keyboards und unerhört groovenden Bass & Drums gehört diese Gruppe zu einer der aufregendsten und abwechslungsreichsten Live-Acts ihres Genres.
Mit SQUISHY SQUID kommt eine junge Band aus Wien, die den gepflegten Synthiepunk der 1980er Jahre ins 21. Jahrhundert befördern. No Wave? Post Punk? Ja, ja, natürlich... aber vor allem sehr charmant und äußerst groovy. Ebenfalls aus der Bundeshauptstadt stammen GOOD ENOUGH FOR YOU, deren Name der Textzeile eines Captain Beefheart-Songs entstammt. Manfred Engelmayr -- bekannt von der österreichischen Noise-Rock-Experimental-Formation BULBUL -- macht sich diesmal als Raumschiff Engelmayr in neue musikalische Weiten auf und tritt mit Karin Brüll -- bekannt von der feministischen Künstlerinnengruppe SCHWESTERN BRÜLL -- an seiner Seite aus dem Schatten des von Männern dominierten Rockgenres. Auf ihrem Debüt-Mini-Album mit dem Titel »Wer hat von meiner Installation gegessen?« erweitern sie mit Hilfe treibender Electrobeats, peitschender Gitarrensounds, experimenteller bis melodiöser Klarinetten-, Trompeten-, und Maultrommelsoli, einer selbst gebauten Axtgitarre, dadaistisch anmutender Texten, zweistimmigen Gesang und jeder Menge exotischer Samples den Begriff des Electro-Rock/Pop um das Moment der Schrägheit.
Last but not least: DELILAH. Die 3er-Kombo setzt Schlagzeug, Bass, Gitarre, ungewöhnliche musikalische Sonderwünsche sowie eine gehörige Portion ausgeklügeltes Songwriting zu einem gekonnten Ganzen zusammen. Da wechseln die Rhythmen Schlag auf Schlag, breaken die absurd geilen Dreschriffs, böllern krachigste Brachialgrooves. Und wer denkt, einen Bass kann man nicht mit einem Drahtwaschl spielen, liegt übrigens auch falsch. Dazwischen geht’s immer mal wieder ab in ausgedehnte und ebenso ästhetische wie wohlklingende Impro/Noise-Weiten.
Kopfschütteln, Arschwackeln, Genießen, Augen zu und durch!