Die HOSI hat ein massiv finanzielles Problem, das mit dem Einzug ins HOSI-Haus begonnen hat. Wie ist die HOSI eigentlich zu diesem Haus gekommen?
Es war gewissermaßen eine Fügung. Die HOSI hat sich um 2000 selbst das Ziel gesetzt, bessere Räumlichkeiten zu bekommen und dann ein Projekt für den Umbau eines Gebäudes in der Marienstraße bei der Stadt vorgestellt. Die Stadt hat das Potential eines solchen Projektes erkannt und machte das Angebot auf einen Neubau in der Fabrikstraße. 2009, im Kulturhauptstadtjahr, wurde es vom Bürgermeister eröffnet.
Dieses Haus war ein Riesensprung?
Der Verein konnte, wollte damals zu diesem Angebot nicht nein sagen. Rückwirkend war das vielleicht leichtfertig. Das Haus hat enormen Stress bedeutet. Je konkreter es wurde, desto mehr Probleme und Konflikte gab es intern. Es ist vieles liegengeblieben, Fragen der dauerhaften Finanzierung und der längerfristigen Machbarkeit. Wir mussten von Jahr zu Jahr Schulden mitnehmen. Neben der regulären Infrastruktur, Büro und Beratung waren zum Beispiel ein Café im Vollbetrieb und ein Veranstaltungsraum immer Teil des Konzepts. Es war auch immer klar vermittelt, dass sich das zu Beginn nicht rechnen wird. Wir sind davon ausgegangen, dass wir mit der Eröffnung im Kulturhauptstadtjahr in Folge nicht mit 18000 Euro Jahresförderung von der Stadt auskommen werden müssen und die Situation so geklärt werden kann, damit wir unsere Struktur diesem Haus anpassen können. Es gab zwar immer eine Unterstützung, andererseits aber konnten wir eine längerfristige und nachhaltige finanzielle Absicherung einfach nicht erreichen.
Um es etwas sarkastisch zu formulieren: Die HOSI steht etwa nicht schon vor ihrer Selbstauflösung, weil sie durch gesellschaftliche Akzeptanz obsolet geworden ist?
Nein. Deswegen sicher nicht.
Wie ist die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft heute – es gibt eine mediale Oberfläche, die etwa schwulen Lebensstil als selbstverständlich darstellt. Andererseits gibt es wieder relativ gängige Beschimpfungen mit dem attributiven Zusatz »schwul«.
Diskriminierung findet statt, durchaus auch sehr offen. Die Frage ist, was ist Diskriminierung. Die Sprache bei Jugendlichen ist insgesamt derber. Andererseits ist das in einem Innenverhältnis wiederum auch nicht anders als es immer war: Jugendliche leben in einer völlig anderen verbalen Welt. Solche Bemerkungen sind dann auch Reaktionen auf eine verstärkte öffentliche Präsenz, also auch einer vermehrten gesellschaftlichen Akzeptanz. Generell ist es oft eine Gratwanderung, zu bestimmen, was Diskriminierung ist. Eindeutig wirdes dort, wo Vorurteile in überlegte physische oder psychische Gewalt umschlagen, wo Mobbing, Drohungen oder homophobe Gewalt passiert: Wir hatten hier in der HOSI zum Beispiel einen Buttersäureanschlag. Oder es gibt in Österreich eine Dunkelziffer an jugendlichen Selbstmorden, die einen homophoben Hintergrund haben – homosexuelle Jugendliche haben ein dreifach höheres Suizidrisiko. Wir machen auch seit Jahrzehnten Schulvorträge, wo immer wieder dieselben Fragen auftauchen, die von Vorurteilen zeugen. Da hat sich nichts geändert. Ich habe erst gestern einen stumpfsinnigen Artikel über Regenbogenfamilien und Kinder gelesen … keine Frage: Der Bauch der Bevölkerung ist nicht besonders liberal. Es gibt zwar das Signal des Gesetzgebers mit der neuen Partnerschaft, eine Regelung, die übrigens in sich doppeldeutig ist. Bis das aber unten ankommt, braucht es die HOSI. Und interessant wird es in 10, 20 Jahren, wenn die neuen Lebensgemeinschaften greifen und dann Kinder in diesen Partnerschaften groß geworden sind – wie dann die Akzeptanz aussieht. Es hat sich ja insgesamt gar nicht so viel getan, das ist überschätzt. Es gibt zwar in jeder Castingshow einen Quotenschwulen und Alfons Haider tanzt mit einem Mann … als kalkulierte Provokation.
Ich mache mit dem nun bereits geschlossenen Cafe Julius einen Zeitsprung: Was für Zeiten waren das, in den 70ern, 80ern, als Julius Zechner, nach dem das Café benannt ist, eine Galionsfigur war?
Dass der Julius sein Schwulsein so offen gelebt hat, war ein Novum. Vielleicht hat es so offene Bekenntnisse damals auch noch in England in der Kunstszene gegeben. Aber da war es auch eher so, dass das Schwulsein öffentlich als bisexuell gehandhabt worden ist. Es hat damals mehr Mut gebraucht, um dazu zu stehen. Bei Julius hat auch das Umfeld gepasst. Linz war mit den ganzen Bands und dem Landgraf ein Leuchtfeuer. Und die Subkultur hat das getragen. Außerhalb dieser Community hat es das Schwulsein aber gar nicht gebraucht – da hat es schon gereicht, dass du Rockmusik gemacht hast. Schwule Angebote, was Treffpunkte oder Lokale betrifft, hat es seit 1945 immer schon gegeben, aber verborgen. Bis zur Aufhebung des Totalverbots 1971 hat man jederzeit mit einer Polizeirazzia rechnen müssen. Der Julius war auch da ein Phänomen, er hat das Badcafé betrieben, er hat die HOSI und die Aids-Hilfe mitbegründet. Er hat sich verdient gemacht. Man darf nicht vergessen, dass bis in die 80er Schwule z.B. in den Zeitungen immer nur auf den Gerichtsseiten neben Verbrechern präsent waren – das ist bildprägend.
Für mich hatte schwul-lesbische Lebensführung auch immer mit einer emanzipatorisch gesellschaftlichen Kraft zu tun, Stichwort alternative Lebensstile. Ist das noch so?
Jein, es ist ein Querschnitt. Schwule und Lesben sind genauso progressiv oder konservativ wie der Rest der Bevölkerung auch. Homosexualität macht noch keine besseren Menschen. Es gibt Theorien, dass aufgrund der Diskriminierungserfahrungen eine stärkere Sensibilisierung da ist. Das stimmt aber auch nur bedingt, da dies zB. bei Menschen mit einem wirklich problematischen Coming-Out auch oft nicht zutrifft. Was aber sicher stimmt, ist ein gewisser revolutionärer Impetus der Bewegung insgesamt, auch weil es keine historischen Vorbilder gab. In den USA gab es zum Beispiel eine durchgehende subkulturelle Infrastruktur. Bei uns kam die Hälfte der Schwulen in den KZs um, die andere Hälfte im Krieg oder wollte danach einfach nur nicht auffallen. In den USA hat es dann die StonewallRiots gegeben, weil man sich den Polizeiterror nicht mehr gefallen lassen wollte, das hat in die 68er auch gepasst. Bis dieser aufständische Impetus dann bei uns angekommen ist, hat es Jahre gedauert. Was die StonewallRiots in New York waren, hat sich bei uns dann darin niedergeschlagen, dass sechs Leute einen Verein gegründet haben. Es hat da auch Kontakte mit der Revolutionären Linken gegeben. Die schwul-lesbische Entwicklung stand auch in starkem Zusammenhang mit der Frauenbewegung: Die Aktion von Alice Schwarzer »Ich habe abgetrieben« hat die Möglichkeit von Bekenntnis sehr befördert, denn Abtreibung war damals ja mindestens genauso schlimm. Und die Frauenbewegung war insgesamt ziemlich voraus – ohne die hätte es die HOSI sicher nicht so schnell gegeben. Denn als die Frauen damals in Linz ein Haus besetzt haben, da war das auch so eine Botschaft à la: Hallo! Wenn die Frauen sich das trauen, dann sollte sich die Community das auch trauen! Heute gibt es etwa offene Bekenntnisse von homosexuellen Promis, es gibt mittlerweile diese positiven Identifikationsfiguren. Bis vor 10, 15 Jahren gab es da nur ein schwarzes Loch. Die HOSI-Gründung war auch ein Signal an die Community: Traut‘s euch.
Und heute? Also, versteh ich das richtig, es gibt eine politische Interessenvertretung und einen, sagen wir, politischen Detailkampf, aber die HOSI ist auch vermehrt zur Servicestelle geworden?
Die großen Themen sind sicher erledigt. Der §209 ist 2002 gefallen – ein Treppenwitz, dass das unter der schwarz/blauen Regierung passiert ist. Auch das Partnerschaftsgesetz als großes Thema ist erledigt. Und um die Feinheiten muss man kämpfen: Etwa, dass es sich lohnt, aufmerksam in den kleinen Details in der Gesetzgebung zu bleiben, die in Realität vielleicht nur mit extrem geringer Häufigkeit auftreten, wo es aber um prinzipielle Gleichstellung geht. Eine Organisation muss mit der Zeit gehen – es hat sich zum Beispiel dahingehend etwas gewandelt, dass in verschiedenen Organisationen spezialisierte Serviceleistungen angeboten werden. Und die Zeiten des großen politischen Engagements oder von politischem Aktivismus scheinen generell vorbei zu sein.
Welche Form der öffentlichen Präsenz bleibt?
Es geht darum, am Puls der Zeit zu bleiben, ohne sich selbst zu verleugnen. Wir haben zB. großen Wert auf unseren Veranstaltungsraum gelegt, weil Zugeständnisse an den Zeitgeist natürlich nicht nur gut sind. Sprich, schwuler und lesbischer Lebensstil darf sich nicht nur in der Clubbingszene wiederfinden, in einer Sphäre der Unterhaltung. Wir verstehen uns vermehrt als Kultureinrichtung für schwul-lesbische Kultur. Das heißt wir sehen uns als Kulturvermittler für die anderen kulturellen Zugänge von lesbisch-schwulen Menschen. Wir hatten etwa einen tschechischen Künstler hier, oder eine lesbische Malerin, deren Bilder sicher auch anderswo hängen können. Aber bei uns konnte die Künstlerin eben den lesbischen Aspekt ihrer Arbeit thematisieren, was sie anderswo nicht kann. Schwule Männer haben auch z.B. einen anderen Blick auf Gilbert & George, die im Lentos ausgestellt waren. Wir legen den Fokus auf diese Ebene … und gehen auch ins Lentos und schauen uns die Ausstellung an. Solange die Lebensumstände differieren, solange gibt es diesen Bedarf.
Wie geht es nun weiter mit der HOSI?
Wir haben kein Personal mehr und können deshalb keine Einnahmen lukrieren. Gleichzeitig laufen die Kosten weiter. Die Bank hat die Konten gesperrt und die Krankenkasse schickt den Exekutor. Das Wasser steht uns bis zum Hals. Wir freuen uns, dass die Stadt uns helfen will. Wir brauchen aber ein dauerhaftes Konzept, wie viel Geld wir bekommen, dann können wir entscheiden, was wir machen können. Klar muss sein, dass wir hier Arbeit machen, die in einer anderen Struktur um vieles mehr Geld kosten würde. Und dass wir nicht ohne Personal in diesem Haus bleiben können. Wir haben in einer ersten Reaktion von der Stadt Linz und der SPÖ Unterstützung signalisiert bekommen. Auch wenn wir jetzt in der Warteschleife stehen, bin ich überzeugt, dass wir zu einer tragfähigen Lösung mit den FördergeberInnen kommen. Die Frage ist nur zu welchem Preis. Solange wir nicht genau wissen, wie der ausschaut, ist für uns deshalb alles denkbar und alles ist offen: an diesem Standort zu bleiben, woanders und back to the roots zu gehen, sprich, uns wieder zu verkleinern. Das würde dann aber sicher vieles verändern. Oder uns überhaupt nur noch im Web 2.0 zu bewegen…