Alles Biber an der Lände

Ein Überblick über Biber, ihr Leben an der Donau und die Biber-Forschungsstation Beaver Lab im Rück- und Ausblick durch dessen Betreiber:innen.

Am Ufer der Stadtwerkstatt an der Linzer Donau entstand zwischen 1. und 10. September ein mobiles, öffentliches Feldlabor sowie eine skulpturale Biberburg, die das Zusammenwirken von Natur und Kultur und unseren Umgang mit Wildtieren am Beispiel der im 19. Jahrhundert ausgerotteten und nun wieder zurückkehrenden Biber thematisiert. Neben wissenschaftlichen Fakten oder Historischem wurde insbesondere auf das Leben der hier ansässigen, innerstädtischen Biberfamilie Bezug genommen, die Rolle von Tieren in der Kunst (oder als Kunstschaffende) beleuchtet und Utopien der Koexistenz bis Konvivialität im Hinblick auf Klimakrise und Artensterben erarbeitet, in Form von Diskussionsrunden mit Expert*innen aus Biologie, Ökologie, Kunst, Philosophie und Architektur oder Biberspaziergängen.

Basics zu Bibern

Biber bevölkern und prägen seit 15 Millionen Jahren unsere Landschaften. Nachdem sie Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich ausgerottet waren, wurden Ende der 1970er Jahre im Nationalpark Donauauen und am Inn wieder einige Tiere angesiedelt – ebenso wie in einer Vielzahl anderer Länder, deren Populationen seitdem wieder zusammenwachsen und ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet wiederbesiedeln. In Linz fanden sich Ende der 1990er Jahre wieder erste Biberspuren und von der Donau ausgehend wurden inzwischen auch die meisten kleineren Gewässer im Mühlviertel wieder besiedelt. Biber sind enorm anpassungsfähig und nutzen auch urbane Räume – so findet sich auch in Linz eine Vielzahl von Revieren in verschiedensten Lebensräumen, von beengten urbanen Bächen über die Au bis zur Donau. Dort bewohnt eine Familie der reviertreuen, monogamen und höchst sozialen Tiere ein mehr als 4 Kilometer langes Revier – die gesamte Innenstadt.

 

(Bild: Beaver Lab)

 

In Biberburgen oder Höhlen (immer mit Unterwasser-Eingang) leben nicht nur die Eltern mit den 2-4 Jungen pro Jahr, sondern auch deren ältere Geschwister, die sich ebenso um die Kleinen kümmern. Nach 2-3 Jahren wandern Jungbiber auf der Suche nach einem eigenen Revier ab – wird der begrenzte (von Wasser abhängige) Lebensraum knapp, sorgen hormonelle Anpassungen für weniger Junge. Die zweitgrößten Nagetiere der Erde sind perfekt an ihr semiaquatisches Leben in und am Wasser angepasst und vor allem für ihre Bautätigkeit und das Fällen von Bäumen bekannt. Letzteres tun sie allerdings primär im Herbst und Winter, um die nährstoffreiche Schicht unter der Rinde (das Kambium) zu essen und den Rest als Baumaterial zu verwenden – im Sommer ernähren sich die Vegetarier vor allem von Gräsern, Kräutern oder Früchten. Im Notfall können sie mehr als 15 Minuten tauchen und ein 6 Monate altes Junges überquert die Donau in fast 3 Minuten ohne weit abzudriften – an Land allerdings sind sie alles andere als flink und wagen sich selten mehr als 10-20 Meter aus dem Wasser. 

Benefits durch Biber

Kleinere, zu seichte Gewässer stauen Biber gerne auf und bauen oft unscheinbare, aber auch beeindruckend große Dämme, um den Wasserstand zu regulieren. Dies tun sie, um die Eingänge ihrer Behausung unter Wasser zu halten und schwimmend oder tauchend ihre Plätze des täglichen Lebens zu erreichen. Biberdämme sorgen nicht nur für enormen Wasserrückhalt und helfen so gegen Dürre, schaffen Retentionsraum und dämpfen Hochwasserwellen ab, sondern halten auch Schadstoffe zurück oder können Gewässer kühlen. Ebenso schaffen die Bautätigkeiten von Bibern (neben Burgen & Dämmen auch Kanäle) Unmengen an Lebensraum für andere, oft seltene Arten: Insekten, Fische, Amphibien, Reptilien und andere Säugetiere profitieren von den kleinstrukturierten Oasen. Und von Bibern bevorzugte Bäume wie Zitterpappeln leben regelrecht in Symbiose mit den tierischen Baumeistern. Auch in urbanen Nischen wie dem Urfahraner Diesenleitenbach sind ihre enormen Auswirkungen auf Biodiversität ersichtlich: Viele Fische, Enten, Blauflügel-Prachtlibellen, Gelbspötter, Eisvögel und seltene Würfelnattern tummeln sich zwischen Autobahn und Plesching. Nach langer Zeit der Begradigung und Verbauung von Flüssen und Überschwemmungs-zonen können Biber enorme Leistungen bei der Renaturierung von Gewässern vollbringen und werden hierfür in einigen Ländern seit einiger Zeit umfassend erforscht und ihre erstaunlichen Fähigkeiten genutzt oder auch imitiert (z.B.: in Form von Beaver Dam Analogs). So singen im schon länger von Dürren geplagten Westen der USA gar viele Farmer Loblieder auf die tierischen Wasserbau-Experten – wie schon lange zuvor die indigene Bevölkerung mancherorts Biber sogar mit prominenten Rollen in Schöpfungsmythen versah.

 

Talk im Beaver Lab im September 2023 (Bild: Beaver Lab)

 

Biber-Ökologie und (Kunst)Kontext

Nachdem Biber in Österreich über hundert Jahre lang ausgerottet waren, fehlt Menschen seit Generationen jeglicher Bezug zu den Tieren, vielerorts werden Biberdämme illegal zerstört (oft auch extrem kontraproduktiv: Die Tiere brauchen dann nur umso mehr Baumaterial) und zu oft auch illegal getötet. Auch ästhetische Gesichtspunkte und allumfassender menschlicher Machtanspruch über die Natur spielen eine Rolle: Intakte Ökosysteme, von deren Funktionieren wir in vielerlei Weise abhängen, wirken für Menschen im urbanen Raum oder in großflächig von Menschen veränderten und kontrollierten Kulturlandschaften heutzutage oft chaotisch – Totholz beispielsweise ist jedoch ein wichtiger Lebensraum für viele Organismen. Konflikte können meist mit einfachen Mitteln (wie dem Eindrahten von Bäumen) behoben werden und Koexistenz ermöglichen. Wenn – entgegen der Vielzahl an kursierenden Mythen und Falschinformationen – Wissen breitflächig vermittelt und Akzeptanz für unsere tierischen Nachbarn gefördert wird (wie auch gröbere wirtschaftliche Schäden abgegolten werden müssen), können längerfristig gute Kompromisse oder gar Kooperationen mit dieser Schlüsselspezies und vielen anderen Wildtieren in unserer Umgebung entstehen. Angesichts der sich rapide verschärfenden Klimakrise, Artensterben und immer mehr Extremwetterereignissen ist es allerorts vonnöten, funktionierenden Ökosystemen und insbesondere Gewässern und ihren Bewohner*innen wieder mehr Raum zu geben, sowie Wildtiere in Architektur und Landschaftsgestaltung miteinzubeziehen bzw. gar von ihnen zu lernen. Insbesondere auch im städtischen Raum und in Kulturlandschaften werden davon Tiere wie Menschen langfristig auf vielerlei Ebenen profitieren. Wie auch intakte Ökosysteme, Begegnungen oder auch persönliche Beziehungen zu Wildtieren in Naherholungsgebieten bereichernd für viele Menschen sein können und seit den ersten Höhlenmalereien Nährboden für vielfältige künstlerische Auseinandersetzungen bilden. 

 

(Bild: Beaver Lab)

 

Auch hier gilt es sich von menschlichem Exzeptionalismus zu verabschieden: Neben der enormen Effektivität ihrer Wasserbau-Tätigkeiten müssen auch ästhetische, künstlerische und kollaborative Aspekte gewürdigt werden – viele Bauwerke von Bibern bestechen auch durch Formschönheit, ebenso wie manch Fraßspuren (die klassischen sanduhrförmigen Fällungen oder feinsäuberlich abgenagte Ästchen, die erstaunlicherweise sogar auf Online-Plattformen zu relativ hohen Preisen angeboten werden). Aber auch ihre vielfältigen, manchmal gar an Gesänge erinnernden Lautäußerungen bieten Raum zur Auseinandersetzung mit künstlerischen Aspekten.

Im Herbst 2022 partizipierte die örtliche Biberfamilie bereits an einem Kunstprojekt am Stwst-Donauufer – einer Nest-Skulptur aus Weiden von Andrea Lehmann (siehe »Kopfschnittgalerie Wildfrucht« – Versorgerin #136, Dez. 2022). Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere setzen sich mit Kunst im öffentlichen Raum auseinander und nicht zuletzt bietet Kunst ungeahnte Möglichkeiten für die Zugänglichkeit von Wissenschaftskommunikation und dem In-Beziehung-Treten mit unserer Umwelt und nicht-menschlichen Akteur*innen.

Weitere Informationen, die gesamte Projektdokumentation, die Lautäußerungen von Biberbabys oder auch die Möglichkeit zur Buchung von Biberführungen finden sich unter https://beaverlab.at

 

Das Beaver Lab sind:

Franziska Thurner (Franka Katz): Medienkünstlerin und Universitätslektorin an der Akademie der bildenden Künste Wien sowie an der Kunstuniversität Linz.

Fabian Holzinger (Abby Lee Tee): Musiker & Sound Designer – seit 2020 erforscht er Biber und ihre Lautäußerungen.

Auch 2024: Sich mit dem Beaver Lab an der STWST-Lände vom menschlichen Exzeptionismus verabschieden. Mit Kunst, Akustik und Ökologie. 

Die STWST-Lände ist erweitertes Gestaltungs- und Wildwuchskonzept, auf 86 Metern Donauufer vor der STWST. 

beaverlab.at
newcontext.stwst.at/deckdock

Wen‘s interessiert mitzumachen: office@stwst.at