Welcome to Stall City! Ciao, hier wird die Geschichte »eines vom Smog geplagten Industriestandorts, der sich selbst zu helfen wusste« (Onkel/Intendant Martin Heller) erzählt. Lasset uns andächtig Brösel und Buffetreste aus dem Kultur-Nabel kitzeln – liebe Mitgeschädigte oder Mittendrinseiende – und diese edlen Spenden korrekt getrennt an unterernährte Kinder in Vilnius (Linz09-Schwesterstadt) gerecht verteilen. Die Politikposse der Grottenbahn-Republik sollte amtshandeln und die Kulturhauptstadt in den Tiefen der Donau versenken, außer den Beteiligten wird’s wohl niemand merken und der Schatz kann dann später einmal – spektakulär inszeniert – geborgen werden. So, mein Gewissen und Torschützen-Neid sind hiermit beruhigt – außerdem hat mir der leibliche Metropolis-Mayor Doc Busch anlässlich der Präsentation des »Programmbuchs 1/3« die frostgebeutelten Hände am Eingang angewärmt und mich mit einem ehrlichen Prolinz-Smile überzeugt, endlich die Idee einer (bürgermeisterlichen) Souvenir-Statue09, Dobu als buddhaähnliche Kulturgottheit von einem Schaukelpferd gestürzt, umzusetzen. Nix da mit Schadstoffimperium, Selbstbedienungsparadies für Mittelmaß-Maximalisten oder Durchfahrts-Provinz, nein, die Imagekorrek-turen greifen tief: »Linz ist ...: schön, zufrieden, sozial, international, Linz. Die Überzeugung, schon jetzt die beste aller Städte zu sein, versetzt Berge.« (Heller’s Thesen: OÖN, 12.11.07)
Kein Lenz in Linz, denn »Linz ist Linz«, oder wie’s der Linz09-Info-Folder auf den Punkt bringt: »Linz 2009 is Linz 2015« (!). Die Zukunft ist globale Interaktion, Kulturkapital das Fastfood von übermorgen und positives Phrasengedresche der Kitt fürs Kreuz, auf dem sich die ehrenamtlichen Sklaven der Kulturarbeit sonnen. Die Vorzeigestadt Linz hat den schönsten Bahnhof Österreichs, SolarCity, fast eine U-Bahn und jetzt die Kultur-EM – tja, auch bei der Fußball-EM 08 werden Eigentore zu bejubelten Fallrückzieher-Toren von der Mittellinie. Wobei Euphorie auch ein über sich selbst Wachsen in sich birgt, man beginnt zu improvisieren, macht Dinge, die man sonst (so) nicht macht – bei projektbezogener Kunst endet dies aber zumeist in üblen Sackgassen.
Aber zurück zum »Hauptakteur« Programmbuch 1/3, der Annäherung ans Ganze, präsentiert wird, »was Linz braucht« (Heller) – das ultimative Buch erscheint im November 2008. Dieser Leistungsschau-Katalog, der in Kapitel wie Linz Macht oder Linz Welt unterteilt ist, kann natürlich gratis geordert werden. Fixiert sind ca. 3/4 des Budgets, bis 11.08 können »charmante und knappe« Projekte eingereicht werden – mit der Mission, die Stadt zu retten. 26 der 90 präsentierten Projekte sind Linz09-Eigenproduktionen, wie das noch abzuklärende, und nicht im Buch vorgestellte »Aufregerprojekt« »Gefallene Helden«, Aufstellen von NS-Reiterstandbildern (»Wirbt Heller um Rechtsextreme als Touristen?«, business & culture ) oder »Politik liebt Kunst«: der Intendant von Linz09 spricht mit PolitkerInnen darüber, was ihnen Kunst bedeutet ...
Dobusch, bei der Pressekonferenz: »Es gilt umzusetzen, dass Linz schön ist, und Linz über Linz hinaus bekannt zu machen.« Pühringer, der das Privileg hatte, das Buch »schon am Wochenende zu lesen«, ist da schon tiefsichtiger in seiner Einschätzung: »Oberösterreich war während der Zeit des Eisernen Vorhangs am Ende der Welt, jetzt ist man im Zentrum.« Der »Nabel der Welt« ist Warnung und Statement zugleich – Koma-Kulturveranstalten und »Never-ending fireworks« (Folder-Versprechen) fürs Wahlvolk. Die Weichspül-Sprache dieses Propaganda-Pamphlets kann aber auch durchaus unterhalten: »Wie die offizielle Feier verlaufen wird, soll noch nicht verraten werden. Vielleicht mit einem Feuerwerk, das man sogar über Vilnius sieht? Vielleicht mit Böllern, die man bis Liverpool hört ... der friedliche Ausnahmezustand kann beginnen« oder als Exempel die Projektbeschreibung zu »Der kranke Hase«: »In einem Kunstprojekt drängt es den Hasen (Anm.: Grottenbahn-Urgestein) in die Kulturhauptstadt. Was wird er dort anstellen? Was will er nahe bringen? Etwas über die Grotte, seine Wunde oder den Wunsch, endlich erwachsen zu werden?« Superlative, Love-Peace-&-Kultur-Projektdeutsch, Komplexabbau-Parolen oder altkluge Durchhaltesprüche, die Latte liegt hoch: Volksnahe Kultur für Jedermensch im Superwahljahr 2009, fließen doch 60 Mio. Euro (Bund, Land, Stadt je ein Drittel) und 1,5 Mio. EU + Sponsoren – davon 42 Mio. für Projekte, wie folgende: Sommerfrische (Weihnachtsmarkt im Sommer, von der Linzer Kunstuni), Orgel-Chill-out in Kirchen, Subversiv Messe (Fachmesse als Grenzüberschreitung, subversive Highlights aus Kunst, Mode, Design und Architektur) bis hin zum Lentos, das eine »Leistungsschau des Österreichischen Nationalen Besitzes« (so Direktorin Stella Rolling) betreibt. Ars (Zukunft!), Linzfest & Co. werden mit Turboanspruch aufgepimpt. Das 2008 niemand an Langeweile stirbt, dafür sorgen bereits Projekte wie von Goiserns »Linz Europa Tour West«, der seekranke Donau-Fitzgeraldo als Kaptiän Ahab auf der Jagd nach Flussjungfrauen, oder Linz Texas (Erkundungs-Weltreise für die glücklichen Gewinner...äh...KünstlerInnen). Alles in allem besticht das Projekt-Oeuvre mit Tugend-Not, wobei eine leicht zu beeindruckende Kuratoren-, Politiker- und Intendantenschar in kongenialem Duett mit der beauftragten Werbeagentur einen Zuckergupf über die Iron City legen. Beginn ist früher als in anderen Kulturhauptstädten, nämlich Silvester: »Damit keine Minute des kostbaren Jahres verschenkt wird.« (Heller)
Dobusch, ein an Projekttropenfieber dahinsiechender Tempelbauer der Neuzeit, legt sein Image als stahlbiegender Witwentröster ab und wird jetzt international, unsterblich. Endlich Seitenblicke und nicht LT1! Mayor D (Batman), Pepipapa P (Robin mit Junkie-Zittern) und ihr Geheimbunker im Pöstlingberg: Kämpfer gegen das Gute in »Eine Nacht am Kristallschiff«, Soundtrack by RIK.