Fitness ist neben Effizienz, Flexibilität und Mobilität das Zauberwort der Zeit. Nicht zufällig ist die Fitness-Welle mit der weltweiten Offensive des Neoliberalismus, Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts über uns geschwappt. Also sind die Fitness-Diskurse nichts Neues, aber sie zeitigen heute Folgen, die in den frühen Zeiten der Fitness-Bewegung nicht absehbar waren. In den Anfängen lachte man noch über die monumentalen Muskelberge eines Arnold Schwarzenegger, man belächelte das enervierende Aerobic-Gehüpfe einer Jane Fonda. Aber es waren noch die Anderen, die dem Kult des leistungsfähigen, gesunden, schönen Körpers frönten und dabei in Kauf nahmen, den Körper letztendlich zu ruinieren. Doch Verwandtschaften zu Riefenstahls Körper-Bilder, waren auch damals nicht zu verleugnen und mit ihnen der Ausschluss jener, die nicht diesen Körperidealen entsprochen haben. In der Zwischenzeit setzt die Fitnessindustrie hunderte Milliarden Dollar jährlich um und der Fitness-Gedanke hat die ganze Gesellschaft erfasst. War bei Schwarzenegger und bei Fonda noch Fremdbestimmung im Spiel, so ist heute anstelle dieser die Idee der kreativen Selbstverwirklichung, ja der Wunsch nach einem besseren Leben getreten, doch diese ist in diesem Zusammenhang nicht ohne die Unterwerfung unter die Macht der Verwertbarkeit zu haben. Der Körper ist Ort öffentlicher Auseinander-setzungen geworden.
Survival of the Fittest
Der Fitness-Jargon hat zu allererst das Feld des Ökonomischen erfasst. Da ist von »Fitnesskuren in Unternehmen« die Rede. Die Telekom Austria hat sich selbst eine verordnet, was zur Folge hat, dass tausende Jobs gestrichen werden. Kaum eine Presseaussendung der Wirtschaftskammer in der nicht von »wirtschaftlicher und unternehmerischer Fitness« die Rede wäre. Dass ökonomische Fitness vor allem die Vernichtung von Jobs bedeutet, sei nur nebenbei erwähnt. Es hat sich da eine Sprechwei-se in das Alltagsleben eingeschlichen, die von Darwins Idee vom »survival of the fittest« aufs Bedenklichste aufgeladen ist. Fitness in diesem Kontext bedeutet nichts anderes als Kampf ums Dasein, der ökonomische Konkurrenzkampf wird so zum wichtigsten Prinzip der Gesellschaft. Er wird als quasi natürliche Gegebenheit in der Gesellschaft dargestellt und ein Regime der Ungleichheit der Menschen dadurch etabliert. Hier werden solidarische Menschenbilder und Gesellschaftsvorstellungen auf eine ganz perfide Weise ausgehebelt, weil mit Fitness vor allem körperliches und geistigen Wohlbefinden suggeriert wird, jedoch Konkurrenz und Ausschluss gemeint ist.
Die Unterwerfung unter das Regime der umfassenden Verwertbarkeit des Menschen lässt sich heute nicht mehr alleine durch äußeren Zwang und durch Verbote herstellen. Fitness, Wellness und Anti-Aging, die umfassende Ausrichtung auf Verwertbarkeit, Leistungsbereitschaft und Unterwerfung unter die herrschenden Körper-Politiken ist dermaßen verinnerlicht, dass niemand das als Zwang zu verspüren glaubt. Es sind keineswegs die aufgepolsterten Titten, die verlängerten Schwänze, die abgesaugten Schmerbäuche in den Hochglanzmagazinen, die das Ideal vorgeben, die Bewunderung und Nachahmung hervorrufen. Es ist die tiefste Überzeugung jedes Einzelnen, Anstrengung, Entbehrungen, ja Schmerzen ertragen zu müssen, um den Körperidealen gerecht werden zu können. Selbst der Philosoph Liessmann hat sich kürzlich als Fitnessstudio-Benutzer geoutet, und verbrämt die Unterwerfung euphemistisch als Streben nach dem gebildeten Körper. Das Bild vom gebildeten Körper hat allerdings nur dann seine Richtigkeit, wenn man das Fitnessstudio als Selbstverbesserungsanstalt liest (früher hatten ausschließlich Schule und Gefängnis diese Funktion) und die dortigen Praktiken als Teil von Bildungs- und Repräsentationsarbeit, mit der sich die Benutzer ihr Selbstdesign entwickeln, um für die Konkurrenzkämpfe der kapitalistischen Märkte gewappnet zu sein. In Interviews bei Bewerbungen für Jobs im mittleren Management wird zunehmend verhandelt, welche Marathon-Zeiten erreicht worden sind, welche Trainingsprogram-me auf Spinning-Bikes absolviert werden und ob die sportphysiologischen Tests in diesem oder jenem Spa zuverlässig seien.
Das reaktionäre Geschwätz vom gesunden Geist in einem gesunden Körper erhält hier eine zusätzliche Dimension. Fitness-Techniken zur Erhaltung der Gesundheit werden zunehmend als Ausdruck der Autono-mie des Individuums suggeriert. Begriffe wie Freiheit und Eigenverant-wortung gaukeln Autonomie vor, verschleiern aber vor allem, dass es sich um eine schnöde Privatisierung der Lebensrisiken handelt. Was zuvor durch soziale und kollektive Sicherungssysteme wie Pensions- und Krankenversicherungen einigermaßen abgesichert war, wird in die Verantwortung des Einzelnen übertragen. Gesund sein bedeutet also nur noch, stets die Arbeitskraft dem Verwertungsprozess zur Verfügung stellen zu können. Und das fordert, ein unternehmerisches Denken den eigenen Körper betreffend zu entwickeln. Man muss in den Körper investieren, ihn rationalisieren und man muss ihn vermarkten. Ob die Arbeits- kraft, einschließlich des Intellekts und der emotionalen Kompetenzen schließlich kapitalistisch verwertet werden, ist nicht mehr Sache des Individuums, sondern scheinbar höheren Mächten vorbehalten, die zu beeinflussen uns nicht möglich ist oder nicht zusteht. Die Verantwortung und die Folgen haben die Einzelnen zu tragen, weil, und das hat sich ebenfalls in den Köpfen durchgesetzt, es eben nicht gelungen ist, die eigene Fitness und die Tauglichkeit entsprechend herzustellen und plausibel darzustellen.
Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass dort, wo die kapitalistische Ökonomie nicht imstande ist ausreichend Jobs zur Verfügung zu stellen, auch der äußere Zwang manifest wird. Kaum eine Menschengruppe (ausgenommen MigrantInnen), der heute so zugesetzt wird wie den Arbeitslosen. Harz IV also die Enteignung der Arbeitslosen und deren Verwandten, sowie dessen Entsprechungen hierzulande, werden flankiert durch Maßnahmen auf dem Feld der Bildung, die allesamt Unterwerfung und Anpassung an die Erfordernisse der Verwertung zum Inhalt haben. Das Prinzip des lebenslangen Lernens, also der Unterwerfung bis zum letzten Atemzug, wird hier allerdings mit existenziellem Zwang durchgesetzt. Das Fitnessstudio ist somit die verlängerte Werkbank des Arbeits-amtes. Hier unter handfestem Zwang, dort scheinbar freiwillig. In jedem Fall lebenslang. Das subjektive Verlangen, bis zu einem möglichst späten Zeitpunkt ohne große Krankheiten oder Beschwerden zu leben, befindet sich in erstaunlicher Übereinstimmung mit der Außenwelt: Des Arbeitsmarktes auf ungeschmälertes Leistungsvermögen und grenzenloser Einsatzbereitschaft, der Versicherungen auf einen kostenneutralen Lebensabend und der Gesellschaft ein Menschenbild, das diese Zustände erst herstellt. Und da die Ziele der unbegrenzten Fitness und Leistungs-fähigkeit, des makellosen Körpers und der völligen Entspannung nie vollständig zu verwirklichen sind, bleibt nur die Hoffnung und diese feuert an zu unablässigem Abrackern am Körpertuning und am Selbstdesign.