National im Reform- und Landhaus

Thomas Rammerstorfer über die rechte Annäherung an linke Lifestyle-Themen und den Kongress der »Verteidiger Europas« im Sitz des ersten oberösterreichischen Landtages in Linz.

Rechtsextremismus definiert sich hauptsächlich nach Feinden und Feindbildern. Tatsächlich hat er auf zentrale Fragen des menschlichen Zusammenlebens keine eigenen Antworten, ausgenommen unverbindliches »früher war alles besser«-Geraune. Trotz ihrer vorgeblichen Resistenz gegenüber den Zeitgeistern sind Rechtsextreme dazu verdammt, ständig Trends, Stimmungen und Moden hinterherzujagen, und zu versuchen, diese für ihr Ziel – also in erster Linie die Eroberung und Bewahrung politischer Macht – vor den Karren (oder in manchem Fall das Fahrrad) zu spannen.

Ratlose Radler

Bei »Velo – City – Linz«, einem 2016 gegründeten »Verein für urbanes Radfahren« scheinen Thema und Wording sehr weit weg von der FPÖ, die sich gerne als klassische Autofahrerpartei gibt. Freie Fahrt für freie Bürger! Autofahrer galten den Freiheitlichen stets als »Melkkuh der Nation«, als bemitleidenswerte, steuerpolitisch benachteiligtes, stets vom Sozialismus und den Grünen verfolgtes Opferkollektiv. Radfahren hingegen, noch dazu im städtischen Bereich, war dem Durchschnitts-Blauen bis dato ungefähr so sympathisch wie Gendern oder Flüchtlinge aufnehmen. Der oberösterreichische FP-Nationalrat Gerhard Deimek warnte 2013 noch ernsthaft vor dem »Fahrrad-Terror«, forderte Nummerntafel und höhere Strafen bei Pedal-Vergehen.[1] Doch seit Jahren hält ein Radfahrboom an; die RadlerInnen sind mittlerweile eine interessante WählerInnengruppe, die man nicht kampflos den Grünen überlassen möchte. Also versuchen sich nun die beiden freiheitlichen Jungpolitiker Gerolf Eder und Philipp Samhaber mit ihrem »Velo – City – Linz«-Verein, die Gegensätze zu versöhnen, oder zumindest so zu tun. Damit das Ganze nicht gar zu hip daherkommt wählte man als Profilbild der facebook-Gruppe ein Hochrad aus dem 19. Jahrhundert: die gute alte Zeit! Neben unverbindlichen Allgemeinplätzen bewirbt »Velo – City – Linz« in erster Linie die Positionen des zuständigen FP-Stadtrats Markus Hein (Arminia Czernowitz, Hobby laut facebook-Profil: Motorradfahren).

Die rechten Küchenburschen

Was machen deutschnationale Burschis bzw. Rechtsextreme noch, wenn sie sich nicht gerade für RadlerInnen einsetzen? Sie kochen. Nicht nur vor Wut, nein, so richtig, weil »Protest geht durch den Magen«. So beherbergt die Villa deutschnationaler Mädel[2]- und BurschenschafterInnen am Fuße des Pöstlingbergs nun eine »Volksküche Linz« – mutmaßlich nur für deutsches Volk jedoch. Das Schmalz trieft hier nicht nur in die Schnitzelpfanne: »Heimat schmeckt nach Most und riecht nach frischen Erdäpfeln.« und »Wie Bäume wachsen auch wir heran und finden am Esstisch zu unseren Wurzeln, die tief in den Boden der Geschichte reichen.« und »Wenn unsere Gabeln auf die Teller treffen, verliert die schnelllebige Zeit ihren Druck.«

Wenn dann alle Wurzeln gefunden sind und alle Gabeln auf die Teller getroffen haben, wird fotografiert (gibt es eigentlich ein deutsches Wort für »foodporn«?) und via Tumblr hochgeladen. http://vokue-linz.tumblr.com/ zeigt die kleine Welt im Idealzustand: Blonde Mädel, schäumendes Bier, saftiges Fleisch. Dazu Fotos vom Einkauf im Bioladen oder am Markt. Wieder: die gute alte Zeit, oder das was man dafür hält, wenn man keine Ahnung von Geschichte hat. Und die böse neue Zeit! Ein Norbert Hofer z. B. schreibt von »Pestizidcocktails aus der chemischen Giftküche in Feldfrüchten«, wodurch »unsere Lebensmittel mitunter zu rezeptpflichtigen Chemiebomben verkommen«, die Lösung wären »gesunde Lebensmittel statt giftiger Profit-Landwirtschaft«[3] (ob es die BäuerInnen begrüßen, wenn sie in Hinkunft keinen Profit mehr machen dürfen darf jedoch bezweifelt werden).

Aber dem noch nicht genug. Die neuerwachten Küchenrecken, die Erdäpfelschnüffler, Tiefbodenwurzler und Fahrradführer erinnern mit ihrem Lebensstil an jene urbanen EinwohnerInnen, die Hippie und Yuppie-Lifestyle miteinander verrenkten und als bourgeoise Bohémiens, kurz Bobos, berühmt wurden. Gibt es sie also schon unter uns, die Bobo-Nazis (wie Olja Alvir in der KUPF-Zeitung die »Identitären« bezeichnet)? Tatsächlich - Bereits 2012 attestierte Wolfram Weimer: »Konservative und Ökologen treffen sich in ihrem Sparsamkeits-, Sicherheits- und Verlangsamungsreflex.«[4] Er bezeichnet sie als Idyllianer: Servus TV-schauende, »Landlust«-lesende, Radfahrende, im Biomarkt einkaufende, entschleunigte Individuen. In der liberalen Variante harmlos, sich selbst genug, politisch meist abstinent. In ihrer rechten Ausprägung ein Teil der Hegemoniebestrebungen dieser politischen Richtung, die in immer mehr Milieus vordringt.

Die Übernahme »linker« Optiken und Praktiken ist dabei freilich so alt wie der Rechtsextremismus. Ob die Massenaufmärsche der Sozialdemokratie des frühen 20. Jahrhunderts oder die Politikformen der Links-Autonomen des späten 20. Jahrhunderts – man kopierte, probierte, was ging, was ging nicht. Nicht immer aus Kalkül; auch NationalistInnen sind Kinder ihrer Zeiten und beeinflusst von herrschenden Trends. Früher oder später musste man wohl auch wieder im Grünen landen. Die Affinität der von der Romantik geprägten völkischen Bewegungen zu Umweltschutz (bzw. »Heimatschutz«) oder Gesundheit (bzw. »Körperertüchtigung«) ist zudem ja eine alte und intensive.

Auf dem Sprung zur Volkspartei

Die FPÖ schickt sich derzeit an sich als »Volkspartei« zu etablieren. Dafür möchte sie über ihre Funktionärsbasis an Burschenschaftern und über ihrer WählerInnenbasis im Proletariat hinauswachsen. Kaum eine gesellschaftliche Gruppe ist zu klein, um ihr nicht Zuneigung vorzutäuschen. Längst sind auch MigrantInnen nicht mehr sicher. Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien (minus Muslime) sind längst Dauerzielscheibe freiheitlicher Agitationspfeile, die Anbandelungsversuche bei kurdischen und alevitischen Organisationen stießen noch auf wenig Gegenliebe. Ein besonderer Treppenwitz ist das Durchführen einer Gedenkkundgebung zur »Reichspogromnacht«, die der Welser FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl Anfang November initiierte. Dass sich nach Fahrradfahren und Volksküchen-Gekoche nun aber auch noch der Antifaschismus in blauen Kreisen etabliert, darf bezweifelt werden.

Stürmer Europas

Ob nun »Leistungsschau der patriotischen, identitären und konservativen Arbeit«, »Nazi-Kongress« oder schlicht eine Art postfaktische Freakshow: Der »erste österreichische Kongress gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völker«, der »Verteidiger Europas«, in Linz ließ viele Einschätzungen zu. Organisiert von den üblichen Verdächtigen aus FPÖ und Arminia Czernowitz und durch polizeiliche Platzverbote wohlbehütet, kamen am 28./29. Oktober rund 600 Personen in die Redoutensäle des Landes, um zweifellos außergewöhnlichen Referaten zu lauschen. Dem eröffnenden Klagelied des FPÖ-Generalsekretärs Herbert Kickl folgte ein Reigen von mehr oder weniger Obskurem – meistens mehr. So sprach etwa aus Serbien Misa Djurkovic, Autor des wenig beachteten Werkes »Geopolitik der Homosexualität«. Er fürchtet eine gezielte Bevölkerungsreduktion der »Weißen« durch Propaganda für die gleichgeschlechtliche Liebe. Um dieser Bedrohung zu entgehen, weiß er Rat: »Homosexualität ist zu behandeln und muss mit Geldbußen und Gefängnis geahndet werden.«[5] Die Wiener Rechtsanwältin Dr.in Eva Maria Barki attestiert, »dass wir mitten im Krieg stehen«. Der Zug »Richtung Westen« »fährt in den Abgrund, fährt in die Hölle«.[6] Die Erlösung vor der Apokalypse liegt im Osten: bei den neuen Heroen der Rechtsextremen, Ungarns Viktor Orban und natürlich der Lichtgestalt unserer Zeit, Wladimir Putin. Der war natürlich nicht persönlich, jedoch im Geist zu Gast, und quasi vertreten von Natalie Holzmüller, russisch-stämmiger Eventmanagerin aus Wien. Die treue Verkünderin Putin`scher Heilsbotschaften war 2014 einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, als Organisatorin einer Zusammenkunft osteuropäischer Rechtsextremer in Wien. Strache und Co. wurden hier auf ihren Moskau-hörigen Kurs eingeschworen (mutmaßlich nicht nur mit der Kraft der Worte).[7]

Bei der Linzer Spiegelung der neuen geopolitischen Allianzen darf natürlich nicht das Sprachröhrchen Assads fehlen: Maram Susli. Die australisch-syrische Bloggerin tingelt als beliebte Verschwörungsphantastin derzeit von Kongress zu Konferenz. Ihre Kernthese – die USA und Israel sind schuld am Bösen auf der Welt – erfreut sich anhaltender Beliebtheit nicht nur ganz rechts. Die Woche zuvor konferierte Susli auch mit der in linken Kreisen beliebten Karin Leukefeld bei einer »Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik« im deutschen Bad Sooden-Allendorf. Sonst? Alles dabei. Identitäre, Verrückte, Burschis, Nazi-Skinheads/Hooligans als Security, Ludwig Reinthaler als Anti-Antifa-Fotograf… nur der erzkonservative Salzburger Weihbischof Laun wurde an der zugesagten Teilnahme gehindert. Da war höhere Gewalt im Spiel. Was von den »Verteidigern« bleibt, ist ein guter Überblick über die neuen geopolitischen und ideologischen Allianzen.

Die Demo vor den abgesperrten Redoutensälen (Bild: Versorgerin)