Beginnen wir mit der Arbeit der DF. Was sind Eure Schwerpunkte und Ziele?
Die DF ist eine kleine NGO, die im Asylbereich tätig ist und sich vor allem der Beratung von AsylwerberInnen widmet. Tabiki (»kleine Insel im Fluss« auf Sranan Tongo) nennt sich unser Beratungsprojekt für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Das sind Leute, die bereits Asyl oder ein temporäres Aufenthaltsrecht bekommen haben. Zentral für die DF ist ein parteiischer Zugang, d.h. wir richten unsere Arbeit allein nach dem Interesse der KlientInnen. Gleichzeitig verstehen wir die DF auch als politische Organisation. Eine wichtige Aufgabe sehen wir darin, der weit verbreiteten gesellschaftlichen Stigmatisierung und rassistischen Diskriminierung von Asylsuchenden und MigrantInnen entgegenzutreten und (gesetzliche) Maßnahmen dagegen zu unterstützen. Die DF legt viel Wert auf ihre Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit. Dies bedeutet aber auch, dass wir für den Kernbereich unserer Arbeit, die Rechtsberatung, keine staatlichen Förderungen bekommen. Der Großteil der Arbeit der DF erfolgt auf ehrenamtlicher Basis, daneben sind wir auf Spenden und den Erlös von Benefizveranstaltungen angewiesen.
Im Oktober 2009 wurde das Fremdenrechtsänderungspaket beschlossen. Dieses stellt das letzte Glied in einer langen Kette von gesetzlichen Bestimmungen zur Aushöhlung des Asylrechts dar. Was sind die maßgeblichen Punkte dieser Novelle?
Das Fremdenrechtsänderungspaket umfasst eine Vielzahl von Verschärfungen, hinsichtlich des sozialen und rechtlichen Status von AsylwerberInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen. Dies betrifft einmal die Bestimmungen für Folgeanträge, das sind Asylanträge, die nach der bereits rechtskräftigen Erledigung eines Asylverfahrens gestellt werden. Durch die Gesetzesänderungen wird der faktische Abschiebeschutz der AntragstellerInnen empfindlich eingeschränkt und diese können nun unter Umständen noch während des laufenden Verfahrens abgeschoben werden. Verschärfungen gibt es insbesondere auch in Bezug auf straffällige AsylwerberInnen, subsidiär Schutzberechtigte und anerkannte Flüchtlinge. Für AsylwerberInnen, die nur über eine Obdachlosmeldung verfügen, sieht das Gesetz nunmehr eine regelmäßige Meldepflicht bei der Polizei vor. Aufgrund der zahlreichen Gesetzesänderungen im Asylbereich ist es kaum möglich aufzuzeigen, was für drastische Auswirkungen manche dieser Änderungen nach sich ziehen. Die Rechtslage ist mittlerweile so kompliziert, dass selbst Leute, die sich täglich mit dem Thema beschäftigen, nur schwer mit der Entwicklung Schritt halten können. Ich will mich daher hier vorerst auf die neu eingeführte Kategorie der »Straffälligkeit« beschränken.
Als straffällig im Sinn dieses Gesetzes gelten nunmehr AsylwerberInnen, die einmal wegen einer Vorsatztat vom Landesgericht oder zweimal wegen einer solchen vom Bezirksgericht verurteilt wurden. Menschen, die in diese Kategorie fallen, haben mit einer Reihe negativer Konsequenzen zu rechnen. Personen, denen bereits Asyl zuerkannt wurde, konnten bereits bisher unter gewissen Umständen den Status wieder verlieren. War das bisher nur 5 Jahre lang möglich, so ist das jetzt – bei Straffälligkeit – unbegrenzt lange möglich.
Subsidiär Schutzberechtigte, also Personen, die kein Asyl bekommen haben, aber aufgrund einer Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit nicht ins Herkunftsland abgeschoben werden können (z.B. weil dort Bürgerkrieg herrscht) und daher eine befristete Aufenthaltsberechtigung bekommen, die sie immer wieder verlängern müssen, haben auch mit verschärften Konsequenzen zu rechnen. Werden sie straffällig, kann ihnen unter Umständen der subsidiäre Schutz aberkannt werden. Dann können sie zwar immer noch nicht abgeschoben werden (außer die Lage im Herkunftsland ändert sich), sie sind in Österreich aber nur mehr »geduldet«, d.h. sie können ihre Familie nicht nach Österreich nachholen, verlieren den freien Arbeitsmarktzugang und alle sozialrechtlichen Ansprüche, die mit dem Status als subsidiär Schutzberechtigte verbunden waren. Praktisch heißt das, dass sie vermutlich maximal die Grundversorgung bekommen können, die auch AsylwerberInnen im laufenden Verfahren bekommen und die etwa 290 Euro/Person beträgt.
Was hat es mit der Gebietsbeschränkung auf sich?
Für AsylwerberInnen im Zulassungsverfahren (dem Vorverfahren vor dem eigentlichen Asylverfahren) brachte die Novelle weitere Verschärfungen. Während dieses Zeitraumes unterliegen sie einer Gebietsbeschränkung, welche das Verlassen des Bezirks der Erstaufnahmestelle unter Strafe stellt. Da beide Erstaufnahmestellen am Land sind, bedeutet dies nun, dass AsylwerberInnen, die sich etwa im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen befinden, für einen gewissen Zeitraum den Bezirk Baden nicht verlassen dürfen. Wollen sie etwa nach Wien fahren, um dort eine Rechtsberatung aufzusuchen, drohen hohe Verwaltungsstrafen oder unter Umständen sogar Schubhaft.
Die Gebietsbeschränkungen im Zulassungsverfahren wurden ausgedehnt, zugleich wurden die Rechtsmittelfristen gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren auf eine Woche verkürzt. Für Flüchtlinge, welche oft kaum Erfahrung mit einem westlichen bürokratischen Verfahren haben oder Analphabeten sind und kein Deutsch sprechen, war es schon schwer innerhalb der zweiwöchigen Frist von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Nun muss diese Prozedur (Kontaktaufnahme mit Beratung, Dolmetsch, Bearbeitung, Verfassen der Rechtsmittel, etc.) innerhalb einer Woche abgeschlossen sein!
Kann unter diesen Bedingungen noch von einem rechtsstaatlichen Verfahren die Rede sein?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Jedenfalls sind keine fairen Verfahrensbe-dingungen gegeben, um selbst die ohnehin beschränkten grundlegenden Rechte der AsylwerberInnen im Verfahren zur Geltung zu bringen. Notwendig wäre daher vor allem, allen AsylwerberInnen überhaupt die Möglichkeit einer unabhängigen, kostenlosen und frei zugänglichen Beratung zu sichern. Die Bescheide der Behörden, die über das Leben der Flüchtlinge entscheiden, sind oft nur teilweise übersetzt. Die Spruchpunkte und die Rechtsmittelbelehrungen werden in der jeweiligen Muttersprache verfasst, doch die Begründungen, deren Verstän-dnis für das Verfassen einer Beschwerde unabdingbar ist, sind auf Deutsch geschrieben. Es muss auch erwähnt werden, dass die oft jahrelangen Wartezeiten und die undurchsichtige Gesetzeslage für AsylwerberInnen einen massiven Druck erzeugen. De facto verbringen diese Menschen ihr Leben jahrelang in einer extrem unsicheren Situation, in dem Wissen, dass jederzeit eine Entscheidung kommen kann, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Für AsylwerberInnen ist es daher in den meisten Fällen unbedingt notwendig, mit einer Rechtsberatung in Kontakt zu treten.
Die Verschärfung der Asyl- und Fremdenpolitik ist nichts Neues und geht seit über einem Jahrzehnt mit rassistischer Hetze in Medien und Politik einher. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Das ist ebenfalls nicht so leicht zu beantworten. Sicher ist, dass durch die politische und mediale Debatte eine gedankliche Verschmelzung von AsylwerberInnen mit Kriminalität stattgefunden hat. Die politischen Entscheidungsträger sind zum Teil selbst in Vorurteilen befangen, doch gleichzeitig wird die rassistische Hetze auch bewusst forciert und instrumentalisiert, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Demgegenüber haben die NGOs nur einen äußerst beschränkten Einfluss auf die Entscheidungsprozesse. Die betroffenen Flüchtlinge und MigrantInnen verfügen über keine wirksame Lobby in der österreichischen Gesellschaft. Sie können sich aufgrund ihres prekären rechtlichen und sozialen Status und ihrer individuellen Migrationsgeschichten auch kaum selbst organisieren, um ihre Interessen selbst zu vertreten. Als kleine NGO können wir nur versuchen, durch Aufklärung und Beratung einen Beitrag dazu zu leisten, dass Flüchtlinge in ihrer ohnehin schwierigen Situation zumindest die wenigen Rechte, die ihnen im Verfahren zustehen, effektiv wahrnehmen können.