EXPLOITATION FEMINISM?

Kristina Pia Hofer wirft einen zweiten Blick auf Herschel Gordon Lewis‘ Film von 1968 She Devils on Wheels.

Um Exploitation-Filme ist es seitens der feministischen Theorien während der letzten Dekade relativ ruhig geworden. Nicht, dass es vorher wahnsinnig gerappelt hätte im Reviewkarton. Seit Pam Cooks bahnbrechendem Artikel »Exploitation Films and Feminism« - immerhin bereits 1976 in der Zeitschrift Screen veröffentlicht - finden sich zumindest in akademischen Publikationen nur vereinzelt feministische und/oder gendertheoretische Überlegungen zu einschlägigen Machwerken. Auch während der trash-, kult- und fanverliebten 1990er arbeiten sich die Diskurse eher generell an der Frage nach »art-or-arse« ab, meist ohne sich auf die einladenden Anknüpfungspunkte zu sich zeitgleich formierenden dekonstruktivistischen Sex/Gender-Theorien einzulassen.

Grund genug, hier einen kurzen Blick auf einen Genreklassiker mit aufgelegter Geschlechterthematik zu werfen: Herschell Gordon Lewis‘ She Devils on Wheels. Der Plot des 1968 erschienenen Bikerfeatures ist schnell zusammengefasst. Die Zuseher_in folgt den Man Eaters, einer Motorradgang mit einem harten, verbindlich Kodex und einer strengen, aber charismatischen Führung, durch eine Reihe von generischen Episoden: innerhalb der Gruppe ausgetragene Rennen auf der offenen Piste, Sauf- und Sexparties mit knackigen, willigen Angehörigen des »anderen« Geschlechts, blut- und motoröllastige feierliche Initiationen von minderjährigen Pfleglingen, und verschiedene Stationen einer brutalen Fehde mit einer verfeindeten Gang. So weit, so bekannt aus anderen einschlägigen Filmen, mit denen Exploitation-Directors Ende der 1960er um das jugendliche Drive-In Publikum rittern. Als Alleinstellungsmerkmal für sein Feature wählt Lewis einen altbekannten »Verkehrte Welt« Geschlechtertwist: die Man Eaters sind eine Gang, die ausschließlich aus weiblichen Mitgliedern besteht. Diese prügeln, vögeln und stänkern sich durch den Film, als ob ihnen selbst gar nicht bewusst wäre, dass »richtige« Frauen zu dieser Zeit sowas eigentlich gar nicht tun. Der Film selbst serviert der Zuseher_in die Existenz einer solchen - doch eher untypischen - weiblichen Motorradgang als Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich ist auch der Rotz, den die Man Eaters mit einer rivalisierenden Gang haben - diese ist allerdings rein männlich bestückt (und fährt- uncool! - Autos). Ganz »Kampf der Geschlechter«-mäßig fetzen die beiden Gruppen symbolträchtig über Territorialrechte: Beide beanspruchen den »Strip«, ein Stück freie Öffentlichkeit, zur exklusiven Benutzung. Das Ende mag überraschen: das letzte Wort im Beef um die Straße hat die Frauengang. Sie erringt den Sieg über die spektakuläre Enthauptung des männlichen Gangleaders durch einen perfide und hinterrücks über die Straße gespannten, für den auf dem Motorrad heranrasenden Bandenjoe unsichtbaren Draht.

Auf den ersten Blick lässt sich diese Artikulation der »verkehrten (Geschlechter-)Welt« eher als klassische Äußerung im Exploitation-Kontext lesen, und weniger als eine feministische Intervention in ein tendenziell misogyn angelegtes Genre. Wie ältere Exploitationfilme etwa kiffende Teenager, brandschatzende Beatniks oder sexuell aktive Schülerinnen als gruselige Sensation vorführen, stellt She Devils Frauen, die nicht wissen, wie sich Frauen zu benehmen haben, unverbrämt als Monstrositäten zur Schau. Ein zweiter Blick jedoch erlaubt, Lewis‘ Feature durchaus als Ressource für eine ernstgemeinte feministische Analyse zu erschließen. Immerhin erscheint She Devils im Jahr 1968 - zu einer Zeit, in der sich die zweite Welle der Frauenbewegung in westlichen Metropolen langsam zu formieren beginnt. Innerhalb von studentischen, subkulturellen und bürgerrechtlerischen Bewegungen beginnen Frauen (und vereinzelt auch Männer) zu diesem Zeitpunkt eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in ihren Lebenszusammenhängen zu fordern. Bürgerliche Rollenkorsetts - scheinbar natürliche »weibliche« und »männliche« Eigenschaften und Fähigkeiten - stehen plötzlich zur Diskussion. Wie diese Gleichstellung allerdings auszusehen hätte, und wer dabei auf der Strecke bleiben würde, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar - eine Unsicherheit, die sowohl in den alternativen Bewegungen als in der von diesen Bewegungen konfrontierten bürgerlichen Gesellschaft für Unbehagen bis heftigen Widerstand sorgt. She Devils on Wheels verarbeitet dieses Unbehagen in eine Art Exploitation Feminism, und projiziert eine mögliche Fantasie über den Weg zur Gleichstellung der Geschlechter als blutiges Spektakel mit unklarem Ausgang.

Dabei streift Lewis‘ Exploitation Feminism durchaus an Fragestellungen an, die mit dem state of the art verschiedener (akademischer) feministischer Kontexte seiner Zeit zumindest konferieren. In der Darstellung von Sex Acts zum Beispiel. Diese sind in She Devils nicht nur entkoppelt von (heterosexueller) Liebe, sondern auch vom Gedanken des »Privaten« und der häuslichen Intimität. Monogame Beziehungen sind den Man Eaters nicht nur verpönt, sondern verboten: Wer zweimal mit dem selben pennt, fliegt aus der Gang. Sex hat man mit »Studs« - junge Männer, die auf Abruf am Rande der Gang bereit stehen, und außer sexuellen Dienstleistungen nichts zum Gruppenleben beizutragen haben. Entsprechend einschlägiger pornotopischer Fantasien empfinden sich die »Studs« nicht als erniedrigt oder ausgebeutet, sondern zeigen durchwegs Begeisterung ob ihrer Rolle als Funktionsrammler. Die Partnerwahl erfolgt leistungshierarchisch: Die Siegerin eines Rennens darf jeweils als Erste aus dem Männerpool wählen. Vollzug ist Gruppensache: Sex hat man am Boden des Gemeinschaftsraums, neben- und durcheinander, Orgien-style. Statt heterosexuellen Pärchen - Keimzelle der bürgerlichen Familie und so des heterosexistischen Staates, wenn man so will - rollt eine sich windende, wogende Masse über den Boden, die sich einer Art kollektivem Begehren hingibt: Sex als informe. Eine freundliche und wohlwollende Leser_in sieht in dieser Darstellung eine der wichtigsten Forderungen der kommenden Neuen Frauenbewegung: jene nach der Ent-Privatisierung von Reglements von Verwandtschafts- und Familienorganisation, sowie nach der Politisierung von sexuellen Regimen als öffentlich und damit politisch. Mit der Koppelung der Partnerwahl an Leistung und Hierarchie straft She Devils auch die bürgerliche Ideologie der heterosexuellen »Liebe« als Basis für Mann-Frau-Paarungen Lüge, und stellt vielmehr zur Diskussion, dass auch gesellschaftlich erwünschte, idealisierte und privilegierte Verbindungen (wie die Heten-Ehe) einen festen Unterbau in sozioökonomischen Vorschreibungen haben. Die Verfremdung der Szene - durch die »verkehrte Welt« der umgedrehten Geschlechterrollen einerseits, durch die trashige, auf Sensation und Distanz zur Zuschauer_in intendierende Darstellungsweise andererseits - schafft Raum für Kritik der dargestellten Verhältnisse. Feministische Kritik avant la lettre? In der Rückschau vielleicht. Immerhin findet sich hier eine gewisse Kongruenz mit Erkenntnissen, die Gayle Rubin sieben Jahre später in ihrem Aufsatz The Traffic in Women: Notes on the ‚Political Economy‘ of Sex unter großem Getöse in den akademischen Salon pfeffern wird.

Ein zu enthusiastisches Re-Claiming des Films als verstecktes (proto-)feministisches Juwel wäre jedoch zu eingleisig. Entsprechend dem Genre entkompliziert und verkürzt She Devils das Projekt »Geschlechtergerechtigkeit«: Produkt der Emanzipation sind Frauen, die einfach männliche Gewalt für sich in Anspruch nehmen und ausgewählten Verkörperungen von patriarchaler Macht (wenn man so will) ihre eigene Scheiße zu fressen geben (auf dem Boden liegende Prügelopfer z.B. nässen die Frauen abschließend mit Urin ein). Dementsprechend gibt es im utopischen Kosmos der She Devils on Wheels eindeutige Verlierer: und zwar die von den »neuen« Frauen gründlich versemmelten Männer. Lewis greift hier zu einem für einen Legs-and-Ass-Exploitationfilm eher unüblichen Stilmittel: Fokus der sensationslüsternen Kamera ist nicht der verstümmelte weibliche, sondern der geschundene, blutende, aufgebrochene, Schmerzen und Demütigung leidende männliche Körper. Eine pessimistische Leser_in sieht hier eine generelle Angst vor Gleichstellungsbestrebungen. Frauenemanzipation: ein Schlachtfeld!
Das Opfer: der Mann!

Ein weniger auf das herrschende Zwei-Geschlechter-System und die damit an Subjekte einhergehenden stereotypen Zuschreibungen fixierte Zuseher_in mag allerdings auch dieser Darstellung etwas abgewinnen können. Das Genre Exploitation Film erlaubt She Devils nämlich, zu der auf der Leinwand dargestellten Gewalt keine Stellung nehmen zu müssen: Der Film bleibt den Taten der Man Eaters gegenüber seltsam ambivalent, und verabschiedet sich aus dem Narrativ, ohne sie zu feiern oder moralisch zu verurteilen. Ein relativ abruptes Ende (die Gang wird, nachdem sie ihrer Strafe für die Enthauptung des Autogangleaders in erster Instanz entkommt, in den letzten fünf Sekunden dann doch noch - und das völlig ohne Suspense - von einem zuvor als Dodel in die Diegese eingeführten Cop verhaftet) sorgt für eine narrative Leere, die eigene Schlussfolgerungen geradezu einfordert. Der Film lässt seinen eigenen in der Diegese verfolgten Ansatz – Geschlechtergerechtigkeit ließe sich in der bloßen Ergreifung von »männlicher« Gewalt durch »Frauen« erreichen – quasi im Regen stehen. Hier ist Raum für nicht-geschlechternormatives Weiterdenken: Wer dem herkömmlichen Dualismus von zwei und nur zwei polaren und komplementären Geschlechtern verhaftet bleibt, bringt das Projekt Gender Equality keinen Schritt weiter. Aber: Von wildgewordenen Rock-n-Roll Girls geköpfte Platzhirsche schauen wir uns auf dem Weg in komplexere Lösungen zur Abwechslung dann doch ganz gern an.