Anfang März fand in der KAPU das 3. Afrika-Filmfestival (From New York to Dakar) statt. Gezeigt wurde auch die fantastische und ausufernd interessante Dokumentation »Punk in Africa« – Christian Wellmann bat den beim Festival anwesenden Regisseur Keith Jones zum Interview – Übersetzung: Mike Aicher.
Wie kam es, dass dieses fesselnde und nahezu »unentdeckte« Thema Stoff eines Dokumentarfilms wurde?
Keith Jones: Die Idee dazu entstand ganz von selbst aus einer bereits zuvor vom gleichen Team produzierten Doku, in der es um das radikale Theater in Südafrika in den 1970ern und 80ern ging. Dies ermöglichte uns (Anm. mit Co-Regisseur Deon Mass), einen größeren, internationalen Dokumentarfilm über die Kulturgeschichte (Süd)Afrikas zu machen. Als wir mit den Nachforschungen begannen, merkten wir sofort, dass die Idee des Punks in der Region noch nie zuvor dokumentiert oder gar erforscht wurde, also eine völlig unerzählte Geschichte.
Wie lange waren die Dreharbeiten und kannst Du dazu Anekdoten erzählen?
Von der ersten Idee bis zum Trailer verging etwa ein Jahr, daraufhin ein weiteres für Recherche und Fundraising, dann nochmals ein Jahr für die Dreharbeiten. Also ziemliche Standardwerte für international koproduzierte Dokumentarfilme. Der Dreh führte durch sieben Städte in Südafrika, weiters drehten wir in Prag. Außerdem trafen wir auf die speziellen lokalen Schwierigkeiten von Dreharbeiten in Mozambique, wo Korruption, Bestechung und Straßenüberfälle an der Tagesordnung sind. Oder Simbabwe, das sich ausländischen Filmcrews gegenüber traditionell feindselig verhält. Um das Risiko zu minimieren und auf die lokale Polizei zu treffen, haben wir unseren Dreh dort generalstabmäßig geplant. Aber egal wo wir waren, die örtlichen Musiker behandelten uns unglaublich gut und unterstützten uns herzlich.
Kannst du kurz die Geschichte des Punks in Südafrika anreißen? Die ist ja meiner Meinung nach weit radikaler als jene in Europa oder den USA...
Generell kann man sagen, dass Punk in Südafrika immer politischer und genuin radikaler war als im Westen, hauptsächlich aufgrund der politischen Situation damals. Sei es die Zeit der Apartheid in Südafrika, als die gemischt-rassige Musikszene, wie jene des Punks, generell verboten war, während und nach des Bürgerkriegs in Mozambique oder das heutige Simbabwe, im Grunde genommen ein gescheiterter Staat mit einer durchschnittlich hoch gebildeten Bevölkerung. In all diesen Orten war die Punkszene per se politisch und nicht nur ein Modestatement.
Wie würdest du die Punkszene im heutigen Afrika beschreiben?
Die Szene hat sich von den Großstädten in Südafrika, Mozambique und Simbabwe auch in die anderen afrikanischen Staaten verbreitet, speziell in DR Kongo und Kenia. Außerdem werden immer mehr ländliche Gegenden eingebunden, etwa bei neueren Bands wie Jagwa Music aus Tansania oder Evicted und Chikwata 263 aus Simbabwe. Die Tradition des multikulturellen, afrikanisch gefärbten Punks geht in Südafrika bis heute weiter, mit Bands wie Fruits and Veg oder Swivel Foot. Abgesehen von der engen Kategorisierung als Punk entstehen in ganz Afrika viele Noise- und Distortion-Bands.
Wir zeigen am Ende des Films einen kurzen Überblick über die Situation in den anderen Staaten. Ich finde diese gesamte Punkszene faszinierend und sie beginnt erst jetzt zu entstehen und sich zu entwickeln. Es gab in der Vergangenheit in Westafrika und in anderen Gegenden, wie etwa Sambia, zwar sporadisch die Präsenz von Rockmusik, aber bis vor kurzem entstand Punk fast ausschließlich in Südafrika. Zurückzuführen ist das auf die spezifische politische Geschichte dieser Region, welche sich erst viel später als der Rest von Afrika vom Kolonialismus emanzipierte und in der der europäische Einfluss bis spät in die 1980er stark manifest war.
Welche Bands kannst Du uns speziell ans Herz legen?
Ich kann nur jede der im Film gezeigten Bands erwähnen, speziell vielleicht National Wake und The Genuine, die sich damit beschäftigen, wie der Sound und die Attitüde des Punks mit afrikanischer Musik und Rhythmus belebt wird. Außerdem kann ich allen, die die Musik erforschen wollen, das Mixtape von DJ Zhao als Free Download von unserer Soundcloud-Page nahelegen.
Gibt es schon Reissues und kannst Du uns sagen, ob »Punk in Africa« so etwas wie einen Boom ausgelöst hat?
Es ergaben sich in der Tat schon einige Neuauflagen, unter anderem Deluxe-CD-Packages von National Wake und Wild Youth/Gay Marines in Südafrika. Weiters gibt es auf der exzellenten, von Warrick Sony und den Kalahari Surfers betriebenen Homepage (Sjambok Music) eine breite Palette von Alben zum Download. Mehr wird hoffentlich folgen, das Interesse an unserem Mixtape ist weltweit extrem hoch. Wir bereiten auch einige DJ-Remixes vor, wie auch einen Soundtrack zur internationalen DVD später in diesem Jahr.
Bei welchen Festivals wird der Film noch laufen bzw. wurde er schon gezeigt?
Die Weltpremiere erfolgte letztes Jahr beim Durban International Film Festival, danach gings im Oktober zur internationalen Premiere beim Festival do Rio nach Brasilien. Im Januar startete der Film in Independent Kinos in Südafrika, ebenso feierten wir die europäische Festland-Premiere beim IFF in Rotterdam. Nach dem Afrika-Filmfestival in der KAPU erlebten wir noch die Erstaufführung in Tschechien beim »One World Human Rights«-Film Festival, außerdem zeigen wir ihn weitere 20 mal in Kinos in Tschechien. Auch werden wir weiterhin kleinere Festivals wie jenes in Linz besuchen, wie zum Beispiel das Design Indaba in Kapstadt, Days of European Film in Brünn, das »Too Drunk to Watch«-Punk Festival in Berlin, das Jozi-Film Festival und so weiter. Unsere Nordamerika-Premiere erleben wir dann in einem Monat beim CimmFest in Chicago.
Was nimmst du als nächstes in Angriff?
Ich bin gerade dabei, eine Doku über das Erbe der tschechischen Underground-Musik und Alternativkultur der 80er zu vollenden. Außerdem erforsche ich für ein mögliches TV-Projekt die Elektro Musikszene von Südafrika und bearbeite die »Punk in Africa«-CD, mit vielen zusätzlichen Bonusfeatures.