Treffsicher haben sich STWST und Radio FRO am bisher hässlichsten Platz von Auwiesen eingemietet, in einer ehemaligen Bankfiliale am Wüstenrotplatz, an der Rückseite eines Einkaufszentrums. Dort kann man, bei viel gutem Willen, das immer wieder kolportierte schlechte Image des Stadtteils zumindest optisch erfassen, glaubt man an die verführerisch einfache Gleichung von sauberem Aussehen und sicherem Wohlbefinden. EKZ und Platz werden aber gerade umgebaut und damit verschönert. Glaubt man allerdings weiters an die bedingungslose Strahlkraft und Aufklärungsarbeit der lokalen Hauptmedien, dann könnte man hier am Platz einen »sozialen Brennpunkt« in Form des benachbarten Jugendzentrums festmachen. Die Filiale Auwiesen macht seit März hier nun Station und hat mit einigen Vorfeldaktionen zum eigentlichen Präsentationsrahmen des Festivals der Regionen ihre Aktivitäten aufgenommen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Vorfeldaktionen ist das »Public Diary«, eine Installation, die ihre Inhalte selbst generiert und wiedergibt. Dabei entsteht eine Art Video-Facebook, das Auwiesen zum verbindenden Element der interaktiven Installation macht – bestechend einfach in niederschwelligem Ansatz von Technik und Fragestellung (»Was gefällt dir an Auwiesen – was nicht?«). Die Installation kann quasi auf Knopfdruck aktiviert werden und eine 30-sekündige Videobotschaft aufnehmen. Die kurzen Sequenzen laufen dann in Schleife auf einem Monitor. Genutzt wird das, nach eingehender Beobachtung des Materials, zu einem großen Teil von der mitteilungsbedürftigen Jugend, die South L.A. hauptsächlich als Schauplatz eines Gangsta-Rap-Videos wahrzunehmen scheint – stilsicher in Stadtteilimage UND Jugendkultur. Das funktioniert kreativ mit Musikeinspielungen per Handy oder Rhythmusschlagen am Schaufenster, kurzen Raps, lustigen Showeinlagen, Hiphop-moves und auch mal mit dem verkürzten Zurückwerfen des Themas »Was gefällt dir an Auwiesen – was nicht« in ein lapidar mit Hiphopgestus aufgeladenes Statement: »(langes Schweigen....) Linz Auwiesen« (Subtext: Sagt ihr uns doch, was ihr meint, was uns gefällt). Die ernsthaften Versuche von Geständnis- und Abrechnungslyrics münden manchmal auch recht amüsant in ein Scheitern am eigenen Vorhaben, etwa der Rap: »Wir haben viel Scheiße gemacht/auch in der Nacht/wenn es kracht/wir war’n in Auwiesen/Neue Heimat/in der ganzen Stadt gibt’s keine wie eich… äh, euch … Scheiße!«. Oder ein siebenjähriges, blondes Mädchen mit Pferdeschwanz, das L.A. zu einer Variante von L.m.a.A umfunktioniert und ihre irritierenden »Leck mich am Arsch«-Lyrics improvisiert. Allerdings durch die pure Anwesenheit von einfach vorbeigehenden und telefonierenden jungen Erwachsenen in ihrer Image-Erprobung überrascht – und dabei nicht einmal ignoriert wird. Wir nehmen aus diesem Beispiel mit: Die Arbeit am Image kann durchaus sehr hart sein!
Eine andere Tätigkeit im Vorfeld verfolgt Margit Greinöcker mit ihren Videoarbeiten. Als Teil des Videodokumen-tationsprojektes hat sie sich ebenfalls des Jugendthemas angenommen. »Wenn man Auwiesen hört, denkt man an einen schiachen Stadtteil, wo hinter jeder Ecke ein Jugendlicher mit einem Messer lauert«, sagt sie. Festzustellen sei vor Ort allerdings ganz viel Normalität und ein Stadtteil, in dem viele Auwiesener gerne leben. Zwar gebe es schon eine gewisse Härte im Spruch der Jugendlichen, allerdings merke man auch, dass sich im Verhalten der Kinder und Jugendlichen gesellschaftliche Problemfelder höchstens spiegeln. Und dass sich die Jugendlichen »des schlechten Images von Auwiesen sehr wohl bewusst sind und es auch bedienen«. Margit versucht nun, ein paar Jugendliche ein Stück zu begleiten – und jenseits eines vorgegebenen Drehbuches dem auf den Grund zu gehen, »wie diese paar Jugendlichen sind… das ist ein möglichst oft hier sein, beobachten und sich treiben lassen«. Am besten funktioniere das mit der großen Kamera, das mache neugierig: So etwa interviewten am Spielplatz einander gegenseitig ein Haufen Kinder zwischen drei und zwölf. Manchmal bilden sich dabei Grüppchen und Konfliktsituationen – dazu Margit: »Cool sein ist wichtig, die Herkunft ist wichtig, die Kinder sind halt total bunt. Es geht um Rangordnung, kleine Helden und um Anführerschaft«. Oder um die Territorialansprüche auf der Straße, wenn etwa ein kleiner Rollerblader verkündet, er sei »der kleine King von Auwiesen und sein Bruder der große«. Nach dem Rundgang beim Jugendzentrum gelandet, erwartet uns ausgesuchte Höflichkeit. Die Kids kommen auf uns zu und begrüßen uns mit Handschlag. Angesprochen auf die Diskrepanz, dass es interessant sei, dass Auwiesen ein derartig schlechtes Image hat, aber hier vor Ort auf Nachfrage kaum konkrete Fakten und Sachverhalte zu bekommen seien, antwortet die Jugendzentrums-Leiterin Tanja Lang (zu einem späteren Zeitpunkt, Anm.) mit einem »Image, das über die Jahre gewachsen ist… Auwiesen ist beinahe schon ein Mythos rund um Kriminalität, Zuwanderung und arge Leute«. Hinzu kam letztes Jahr eine mediale Diskussion, die mit einer unrealistisch dargestellten »Jugendproblematik« auf äußerst unproduktive Weise und teilweise mit falschen Fakten untermauert angeheizt wurde. Die vorübergehende Schließung des Zentrums im letzten Jahr (aufgrund eines internen Wechsels der Belegschaft und einer Neuorientierung) zeigt, wie notwendig das Vorhandensein einer Jugendstätte ist: »Konflikte waren vorprogrammiert und der Frust war groß«. Das Bild von Auwiesen nach außen zu transformieren, das wünscht man sich auch deshalb seitens der Jugendzentrumsleitung allemal – denn »nicht selten identifizieren sich vor allem Jugendliche mit einem sozial schwierigen Hintergrund mit einem Image, das zwar nicht wirklich der Realität entspricht, dafür aber hart, stark und kriminell ist«.
Ich frage Margit nach ihrem »subjektiv ärgsten Vorfall im Zusammenhang mit Jugendlichen, den sie erlebt hat«. Sie denkt nach und meint dann, dass es eine Befragung von Jugendlichen durch zwei Polizisten gewesen sei: Die Jugendlichen hatten eine Frau als dick bezeichnet und ihren Hund geärgert. Ein Mann hätte ihr außerdem gesagt, dass er seine Frau immer von der Straßenbahnhaltestelle abholen müsse, »weil dort die Jugendlichen herumsitzen«. Und man will Margit mit Warnungen auch schon mal helfen: Sie solle z.B. aufpassen, dass ihr die Kamera nicht gestohlen werde. Allerdings tendiert Margit eher dazu, »die ärgsten Luadana auf ihre Kamera aufpassen zu lassen«, wie sie sich ausdrückt. Was ihr auffällt sei aber, dass »die momentan große Aufmerksamkeit der vielen Kunst- und Kulturakteure vor Ort auch suspekt ist«. Und, zurück zum Image: Zumindest ein Jugendlicher hat schon individuell schlechte Erfahrungen mit öffentlichen Statements und Medien gemacht. In einem ORF-Beitrag über das Stadtteiljugendzentrum sagte ein junger Auwiesener in die Kamera: »I bin geboren in Auwiesen und da stirb i a«. Angeblich habe er vom Vater dann zuhause wegen seines Melders links und rechts eine Watschn bekommen. Kann aber sein, dass das auch nur wieder dem goldenen Image Auwiesens entsprechen soll. Soviel zu eindeutigen Images: Sie sind meistens nichts, aber immer brisant.