Byron auf dem Diwan, Postkolonialismus auf der Couch

Auftakt einer Artikelserie, in der Richard Schuberth in der abendländischen Geistesgeschichte einem Kulturrelativismus nachspürt, der letztlich dem Imperialismus Vorschub leistete, sich aber sowohl gegen Orientalismus, als auch europäische Überlegenheitsdiskurse sträubte. Als Reiseführer wird der Bad Boy der Romantik, Lord Byron, fungieren.

»Look to the East, where Ganges’ swarthy race / Shall shake your tyrant Empire to its base; / Lo, there Rebellion rears her ghastly head, / And glares the Nemesis of native dead; / Till India rolls in deep purpureal flood, / And claims his long arrear of northern blood. / So may ye perish! Pallas when she gave / Your free-born rights, forbade ye to enslave.« (Lord Byron, The Curse of Minerva)

Nicht erst seit seiner Teilnahme am Griechischen Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1824 galt Lord Byron als Galionsfigur des Philhellenismus. Bereits die während und nach seiner großen Levantereise von 1809 bis 1811 entstandene Versdichtung Childe Harold’s Pilgrimage firmiert als einer der Schlüsseltexte der Griechenschwärmer, gefolgt von den sogenannten »Turkish Tales« The Giaour, The Bride of Abydos und The Siege of Corinth. Politische Referenzen auf eine irgendgearteten Freiheit Hellas‘ finden sich darin selten, doch steckten diese Poeme den östlichen Mittelmeerraum als romantischen Sehnsuchtsort ab. 
Byrons exotistisches Interesse galt aber zunächst weniger den Griechen als den Türken, dem muslimischen, persischen und indischen Orient. Er schien das gesamte Sündenregister dessen zu erfüllen, was Edward Said als westlichen Orientalismus inkriminierte. 
Bevor ich mich Byrons Faible fürs Morgenland zuwende, sei vorausgeschickt, dass diese Artikelreihe nichts weniger will, als einige in der Orientalismuskritik, den postkolonialen Diskursen und anderen populären Ansichten zur Weltgerechtigkeit ausgesparten Stränge der europäischen Geistesgeschichte zu würdigen. Entgegen gängigen Vorstellungen von weißem Chauvinismus als Basisideologie der kolonialen Unterwerfung will ich den Scheinwerfer auf all die Philanthropen, Abolitionisten, zivilisationskritischen Exotisten, kulturellen Grenzgänger, Empowerer und Bewunderer fremder Völker richten, die eine weitaus effizientere Vorhut des Imperialismus bildeten als die suprematistischen Durchschnittsrassisten – und mit ihrem wohlmeinenden Kulturalismus ein nicht minder verzerrtes Bild außereuropäischer und somit auch europäischer Kultur, Geschichte und Gesellschaft in die Welt setzten. Der postkoloniale Kulturrelativismus beerbt diese romantischen Stränge und gebärdet sich gegen seine Absicht, wie zu zeigen sein wird, zutiefst eurozentrisch. 

Toyboy der Geschichte

Byrons erste Reise nach Griechenland, wo er in der Vorstellung seiner Fans die 13-jährige Theresa Makris (»The Maid of Athens«) umwarb (während er in Wirklichkeit mit dem gleichfalls minderjährigen Nicolas Giraud schlief) und in griechischer Tracht posierte (die – eher albanisch – er nur in London für Thomas Phillips‘ berühmtes Porträt anlegte), war die Folge einer Planänderung. Das Osmanische Reich, Syrien, Persien, vielleicht auch Indien standen auf dem Plan. In Malta ergab sich die Mitfahrgelegenheit auf einem britischen Kriegsschiff nach Prevesa an die epiriotische Küste. Einige Byronforscher sind der Überzeugung, dass der junge Lord von der britischen Verwaltung instrumentalisiert wurde. Zu dieser Zeit hatten die Briten den Franzosen die Ionischen Inseln abgenommen, auf welche der de facto autonome Ali Pascha aus Epiros Anspruch erhob. Ein gutaussehender junger Vertreter der englischen Hocharistokratie (als »toyboy present« © P. Cochran) könnte den Pascha beschwichtigen und für englische Interessen empfänglicher machen.
Und so führte sie, wie es Byrons Reisegefährte John Cab Hobhouse formulierte, »einer jener Wechselfälle, die gegen ihre Pläne oft den Kurs von Reisenden ändern«, ins Gebiet des heutigen Griechenlands, ins Reich des Ali Pascha von Ioannina, wo Byron von diesem mit Schmeicheleien und Süßigkeiten überhäuft wurde und seinerseits Gefallen an den albanischen Bergkriegern der Sulioten fand, die er gerne mit den schottischen Hochländern verglich und von denen er nicht wissen konnte, dass sie ein Jahrzehnt später und eher aus Zufall zu Elitekriegern des griechischen Unabhängigkeitskampfes avancieren würden. Ein Schicksal, das er mit ihnen teilte, denn auch er hätte sich nicht träumen lassen, Symbolfigur der nationalen Befreiung der Griechen zu werden. Doch auch als der Aufstand 1821 losbrach, hielt sich sein Philhellenismus in Grenzen. Während sein Dichterfreund Shelley vor Enthusiasmus glühte, reagierte Byron zunächst mit Panik, als das britische Pfund aufgrund eines möglichen Kriegseintritts Russlands abstürzte und er um den Verkaufswert seiner Anwesen in England bangte.
Der Drang nach Bewährung, mit dem Byron seinem als träge und sinnlos empfundenen Leben in Italien entkommen wollte, setzte sich zunächst recht unbestimmte Ziele. In seinen Korrespondenzen schwankte er zwischen Griechenland und Südamerika, und bei letzterem zwischen aktivem Kampf an der Seite General Bolívars oder – bloß – dem Kauf einer Plantage. 
Byron auf eine weltanschauliche oder politische Position festzulegen, bleibt ein unmögliches Unterfangen. Kohärenz erlangt er lediglich in den wenigen Episoden seiner politischen Praxis. Sein politisch wirrer Individualismus rehabilitierte sich zumindest dadurch, dass er ein negativer war und wissentlich auf Flugsand gebaut. Ein stabiles Moment erhielt dieser durch seinen Hass auf England. Byron suchte in allem Allianzen, was die sich zunehmend verbürgerlichende britische Öffentlichkeit fürchtete, missbilligte oder nicht verstand: Bonapartismus, Arbeiteraufstände, Homosexualität und Ausschweifungen aller Art, Katholizismus, Islam, Irland, Shelley, italienischer Nationalismus, Theatralik und fremde Kulturen. Abgesehen von Napoleons Regime lehnte Byron Autokratien ab, sowohl die aufgeklärt britische als auch die absolutistisch osmanische, so wie er in Italien, wo er die aufständischen Carbonari unterstützte, die Herrschaft der österreichischen »Hunnen« verfluchte. 

Johnny Turk, he was a gentleman

Das britische Königreich pflegte mitunter eine bemerkenswert positive Haltung gegenüber dem Reich des Sultans, in der Hocharistokratie, die für ihre Identität eher Standes- als Kulturgrenzen geltend machte, als auch den unteren Klassen, wo die Wendung »Johnny Turk, he was a gentleman« kursierte. Ihren Anfang genommen hatte die englisch-osmanische Allianz unter Elizabeth I., als erstmals diplomatische Vertretungen ausgetauscht wurden, und England Frankreich in seiner Rolle als »proosmanischer Abendlandsverräter« mit Elan ablöste. Diese pragmatische Achse, die den aufstrebenden Insulanern vor allem Vorteile im Orienthandel sichern sollte und zudem eine anti-katholische Allianz als Kollateraleffekt zeitigte, inspirierte schon im 17. Jahrhundert die fortgeschrittenste Orientalistik ihrer Zeit und steuerte ihr mit den Büchern und Reiseberichten Richard Knolles‘, Paul Rycauts und George Whelers, und natürlich der exzentrischen Lady Mary Montagu wertvolle Monografien des osmanischen Orients bei. Sie alle waren von Byron als Teenager verschlungen worden. In einer Leseliste, die er mit 18 Jahren anfertigte, notierte er zum Koran mit exotistischem Überschwang: »Enthält höchst erhabene poetische Passagen, die europäische Poesie bei weitem übertreffen.« Bei seiner Grand Tour schwamm er nicht nur über den Hellespont, sondern in der bereisten Welt wie ein Fisch im Wasser. Fremdeln war ihm fremd, wobei sich zu dieser Zeit schon der byronsche Habitus abzeichnete, so zu tun, als sei ihm gar nichts fremd, und nicht wie andere Bildungstouristen entweder in Überheblichkeit oder ins Schwärmen zu verfallen.
Naji B. Oueijan schrieb: »Unter seinen Zeitgenossen war Lord Byron der einzige Engländer, der den Orient wirklich erfuhr, indem er sich seiner Kultur assimilierte. Anders als solche, die den Osten für politische und/oder religiöse Propaganda bereisten und verzerrte Bilder über ihn und seine Menschen verbreiteten, oder solche, die aus akademischem Interesse ihre Zeit mit dem Katalogisieren archäologischer Artefakte zubrachten, verwendete Byron seine Zeit darauf, an Leben und Kultur des Orients teilzunehmen, sie zu genießen und zu erforschen.«

Gewiss war das Desinteresse an den Artefakten altgriechischer Kultur eine Pose, mit der Byron sich von den Bildungstouristen abheben wollte, die jede Ruine mit ihrem Pausanias abglichen, jedoch die zeitgenössischen Griechen als Degeneration vom antiken Ideal geringschätzten. Das Erhabene mit dem Prosaischen zu foppen, war ein Programm, von dem er nicht genug kriegen konnte. Während Hobhouse nach ihrer Ankunft in Athen bereits etliche Male die Akropolis erforscht hatte, stattete ihr Byron erst nach drei Wochen einen Besuch ab. Dafür stellte er bereits in Griechenland eine Liste zeitgenössischer neugriechischer Dichter von Bedeutung zusammen, die er in den Erläuterungen zum Childe Harold abdrucken ließ. Und ein zentraler Pull-Faktor seines Interesses am Osten darf nicht außer Acht gelassen werden. Während andere Intellektuelle die antike Knabenliebe mit faszinierter Verstörung hinzunehmen lernten, wollte Byron im aktuellen Orient schlichtweg ficken: vorzüglich Jungs und junge Männer.
Zivilisationsdünkel und -flucht sind zwei Seiten des Orientalismus. Edward Said überführt mit gutem Recht noch die Orientomanie des eurozentrischen Überlegenheitsdenkens, denn vor der verhassten westlichen Zivilisation zu flüchten, affirmiert die Hierarchie von zivilisiertem Westen und unzivilisiertem Osten. Unabhängig von der Frage, wie viel Objektivität einem Zivilisationsgefälle vielleicht doch zukommt, bleibt das exotische Asyl projektive Antizivilisation. Byron entzieht sich auf eigentümliche Weise diesem Antagonismus. Zwar steht er am Anfang einer langen Tradition möchtegernbeduinischer britischer Zivilisationsfüchtlinge – in einem Brief beschwört er die zweckfreie Freude des freien Mannes, ohne Ziel durch die Wüste zu galoppieren –, doch weiß er den Poeten vom politischen Praktiker zu trennen. Seine eigenen romantischen Impulse verhöhnt er an anderen, und so ihm die Wirklichkeit wie in Griechenland Gelegenheit dazu gibt, will er sie mit Taten und übertriebener Nüchternheit in sich niederringen.

Byron, Stanhope, Trelawny & Androutsos

Das Interessanteste an der letzten Episode in Byrons Leben sind die Spannungen zwischen ihm und zwei weiteren philhellenischen Akteuren, weil sie alle drei prächtige Modelle einer Typologie abgeben, einer Typologie europäischen Engagements im Rest der Welt und zugleich dreier Modi des Umgangs mit fremder Kultur: Edward Trelawny, der romantische Kulturrelativist, Col. Leicester H. Stanhope, der naive Universalist, und Byron selbst, der skeptische Realist.
Byrons Weggefährte seiner letzten Tage in Mesolongi, Pietro Gamba, erinnerte sich mit Erstaunen, dass Byron den Präsidenten der provisorischen Regierung Alexandros Mavrokordatos, einen Spross der Istanbuler Fanariotenelite, oftmals korrigierte, wenn das Gespräch auf osmanische Geschichte fiel. Für Vulgärpostkolonialismus ein klarer Fall von Occidentsplaining: Der Westen belehrt den Orient über sich selbst, was zur Fangfrage führen könnte, ob man Mavrokordatos nun dem Westen oder dem Osten zuschlägt. Für viele Zeitgenossen war er ganz in postkolonialer Manier ein »Token« im Frack, ein Zukreuzekriecher vor westlicher Hegemonialkultur und schleimiger Assimilationist, vor allem für griechische Warlords, orthodoxe Priester und europäische Philhellenen – exemplarisch für diese Byrons Freund, Neider und Widersacher Edward John Trelawny, der bereits in griechischer Banditentracht herumstakste und Mavrokordatos in einem Brief an Mary Shelley als »erbärmlichen, schwachen, zögerlichen, schlauen und feigen Kerl« charakterisierte. Als mildernder Umstand mag gelten, dass der Erzromantiker Trelawny von Mrs. Shelleys Sympathie für diesen Griechen wusste, in den sie sich in Pisa ein wenig verschossen hatte. Wem auffällt, dass diese Komplimente sich verdächtig dem antisemitischen Stereotyp annähern, liegt richtig, denn schon in der nächsten Zeile heißt ihn Trelawny »einen elenden Juden« und äußert seine Hoffnung, möglichst bald nach Landessitte (die sich der Engländer schnell zu eigen machte) dessen »Kopf von seinem wert- und herzlosen Körper abgetrennt zu sehen«.
Trelawny, der nach Griechenland ging, um dort Byron zu überwinden, indem er das wird, was Byron seiner Auffassung nur vorgab zu sein, ein Byron’scher Held, vollzog seine kulturelle Verwandlung im Schnellkurs, und die Griechen warfen einem solchen niemals kulturelle Aneignung vor, sondern goutierten, dass er sich wie ein Mensch kleidete, wenngleich sie seine Anbiederung und sein Bedürfnis, einer von ihnen zu sein, spürten und auszunutzen wussten. Er kaufte sich in Athen einen Harem, ließ sich von Kolokotronis, dem obersten Banditen des Aufstands gegen Mavrokordatos und die anderen Bürgerlichen der provisorischen Regierung aufhetzen, brannte als Adjutant des Warlords Odysseas Androutsos auf Euböa Dörfer nieder und heiratete dessen 13-jährige Nichte Tersitsa. Kaum eine Anekdote illustriert besser die Konsequenzen des romantischen Partikularismus wie jene, die Trelawny ohne Einsicht in die eigene Lächerlichkeit seinen Memoiren anvertraute. Nachdem Odysseas wegen seines Separatfriedens mit den Osmanen ermordet worden war und Trelawny, der ein Attentat durch einen schottischen Philhellenen überlebt hatte, mit seiner Teenagergattin auf die Ionischen Inseln übersiedelt war, fand diese Geschmack an westlicher Damenmode, die sie bei den Empfängen der englischen Garnison bewunderte. Trelawny aber nötigte Tersitsa, ihre griechisch-albanische Bergtracht zu tragen, und drohte ihr damit, ihre schönen langen Haare abzuschneiden, sollte sie sich seinen modischen Vorlieben widersetzen. Und so geschah es auch. Mit verächtlichem Gleichmut ertrug sie die Schur und verließ ihren möchtegerngriechischen Ehemann am nächsten Tag für immer. 
Verkörperte Trelawny den romantischen Partikularismus, so geriet sich Byron in Gestalt von Col. Leicester Stanhope mit dem aufgeklärten Universalismus in die Haare. Das London Greek Committee stellte Byron, dem es bloß die Rolle einer populären Symbolfigur zutraute, einen Pragmatiker zur Seite: Stanhope war Kolonialoffizier in Indien gewesen und ein leidenschaftlicher Jünger der utilaristischen Lehren des damals bedeutendsten politischen Denkers Englands, Jeremy Bentham, des Lieblingsspottobjekts von Karl Marx. Er hatte Druckerpressen im Gepäck, vertrat die Werte von Liberalität, Säkularismus und Demokratie, und sah seinen Beitrag zum Sieg der griechischen Sache vor allem in Bildung und Zeitungen, um die großteils illiterate Bevölkerung des im Kriegschaos versinkenden Griechenland mit den segensreichen Lehren des großen Mr. Bentham vertraut zu machen. »Es ist schon reichlich schräg«, schrieb Byron in einem Brief, »dass Stanhope, der Soldat, die Türken niederschreiben will, während ich, der Autor, sie zu bekriegen gedenke.« Dabei wurde Byron eher wider Willen in die Rolle eines militärischen Führers gedrängt, in welcher ihn die anwesenden europäischen Offiziere eigenartigerweise ebenso akzeptierten wie die Suliotenkrieger.
Die ersten Konflikte zwischen dem stets korrekten, ehrgeizigen und witzlosen Stanhope und dem eingefleischten Spötter Byron ließen nicht auf sich warten. Seine Contenance verlor der »typografische Oberst«, wie Byron ihn nannte, als dieser abfällige Bemerkungen über Stanhopes Mentor und Vorbild Bentham fallen ließ. Stanhope brachte Byron in Verlegenheit, indem er ihn fragte, auf welche Schriften er seine Abneigung gründete. Natürlich war Byron ein Großsprecher und hatte nichts von Bentham gelesen, immerhin fiel ihm als Kritikpunkt Benthams Panopticon ein, welches für Foucault als Inbegriff der modernen Disziplinargesellschaft firmieren sollte. Ein Ass spielte Byron mit dem Argument aus, dass man mit der Herausgabe von nur einer Zeitung freilich nicht von Pressefreiheit sprechen könne. Und als er in Anbetracht der offenen Feindseligkeit der europäischen Mächte gegenüber der Sache der Griechen sich gegen zu radikale Artikel aussprach, wurde er von Stanhope als Pseudoliberaler und »Türke« beschimpft. Letzteres war weniger rassistisch gemeint denn als Metonym für jedes absolutistische System, konkret für die Herrschaft des Sultans, hätte aber ebenso gut für die des Zaren oder Metternichs stehen können. Pikanterweise nannte auch der größte Warlord der Griechen, Theodoros Kolokotronis, Byron, um ihn vor anderen Griechen anzuschwärzen, einen Türken, meinte dies aber wortwörtlich: Byron sei nicht etwa nur ein Agent des Sultans, sondern in der Tat ein als Anglos, als Engländer, verkleideter Türke. Ein glaubwürdigerer Freispruch vom westlichen Orientalismus lässt sich wohl nicht denken, als wenn ein orthodoxer Orientale einen Europäer zum Ziel seines innerorientalischen Rassismus aufwertet und einem noch östlicheren Orient als dem seinen zuschlägt.
Eine noch fettere Pointe in diesem an Pointen und Paradoxien nicht armen Kapitel der Geschichte liegt darin, dass der partikularistische Romantiker Trelawny und der aufklärerische Universalist Stanhope ein- und demselben Warlord auf den Leim gingen. Der listige Odysseas Androutsos machte seinem Vornamen alle Ehre. Wo immer auch der Orientalismus seine Definitionsmacht über einen objektivierten Orient geltend machte, dank Odysseas ging hier das Match eindeutig zugunsten des letzteren aus. Das fragile Ego Trelawnys versorgte Odysseas mit Banditenromantik, homoerotischer Ehre und seiner Nichte, den Reformer Stanhope mit erstunkenen und erlogenen Plänen von Akademien und Druckereien in Athen. Beide Engländer zeigten in ihren Schilderungen des Odysseas Androutsos unabhängig voneinander die eindeutigen Symptome chronischer Verliebtheit. Natürlich war dieser der wahre Universalist im Spiel: Er personifizierte ein transkulturelles Wirklichkeitsprinzip, auf dem jedes diskursive Make-up von kultureller Suprematie verdampft: Er wollte an Byrons Geld und den englischen Kredit ran. Zu diesem Zweck ließ er über Trelawny und Stanhope einen panhellenischen Kongress in Salona einberufen, an dem Byron hätte teilnehmen sollen. Leider lernten die beiden nicht unähnlichen Seelen Byron und Androutsos einander nie kennen. Beide wussten sie, dass die Vorstellungen von griechischer Freiheit und nationaler Selbstbestimmung westliche Traumschlösser sind. 
Stanhopes Liberalismus indes war gewiss das Fortschrittlichste, was im neoabsolutistischen Setting seiner Zeit zu haben war. Die Empathie-losigkeit und Unflexibilität aber, mit der er diese progressiven Prinzipien einer Gesellschaft aufzuprägen gedachte, die sie noch nicht verstand, bestätigt beinahe die Kritik am Herrschaftscharakter des westlichen Universalismus. 
Androutsos dagegen war ein Musterbeispiel fluider Identität, ein gräkophoner Albaner aus Livadia, zugleich orthodoxen Glaubens und Mitglied eines sufistischen Bektashiordens, grausam, aber ohne ethnischen Hass, stets bereit, mit der osmanischen Seite zu paktieren, wenn es ihm zum Vorteil gereicht, so wie es beinahe jeder andere griechische Warlord tat und getan hätte, weil dies den jahrhundertealten ungeschriebenen Gesetzen des Berglandes entsprach. Byron allein hätte ihn verstanden, als einer der wenigen Philhellenen, der dank seines oft posenhaften Skeptizismus, aber vor allem aufgrund seiner intimen Kenntnisse dieser Gesellschaft weder einem romantischen Antimodernismus noch einer zu forcierten Modernisierung Griechenlands anhing. Da er Politik in jeder Gesellschaft nur als kulturell je unterschiedlich ausgeprägtes Banditentum verstand und sowohl Griechen als auch Türken kannte, kippte bei ihm weder Idealisierung in Abwertung noch umgekehrt. So sehr Saids Kritik auf manche seiner orientalisierenden Versdichtungen zutrifft, wies der Reisende und Aktivist Byron weit über dessen Raster hinaus, und es ist kein Zufall, dass die einfühlsamsten und scharfsinnigsten Überschreiter kultureller Grenzen wie Richard Francis Burton ausgewiesene Byronisten waren. Sie passten weder recht ins Schema eurozentrischer Suprematie noch in das eines projektiven Exotismus, und – so die These meiner Artikelserie – verrieten durch ihren amoralisch-abgeklärten Kulturrelativismus auch (anders als die späteren Revolutionäre der Entkolonialisierung) die besten emanzipatorischen Möglichkeiten des westlichen Einflusses. Dennoch hinderte sie die Fleißaufgabe ihrer kulturellen Hyperempathie nicht daran, als Fährtensucher, Agenten und Vorhut der imperialistischen Landnahme zu fungieren, ob in ihrem oder gegen ihren Sinn.