»ChatGPT, schreibe einen Text mit 10.000 Zeichen zur Kritik der künstlichen Intelligenz im Stil der weltberühmten Autorin Svenna Triebler.«
Zu gerne hätte ich gesehen, wie das Programm seine Klugheit mit der Antwort »Och nööö, bitte nicht noch eine Abhandlung über KI« unter Beweis gestellt hätte. Doch der Versuch, tatsächlich mal auszuprobieren, was der derzeit wohl leistungsfähigste Chatbot so alles kann (rein zu Recherchezwecken, nicht aus Faulheit, versteht sich), scheiterte leider schon daran, dass es mir aus technischen Gründen nicht gelang, einen Account anzulegen. Dieser Artikel wurde daher garantiert ohne Zuhilfenahme des Textgenerators erstellt.
Die fruchtlose Kommunikation mit dem Support-Bot von OpenAI, der Firma hinter ChatGPT, zeigte aber immerhin schon mal, dass es mit der »Intelligenz« der gehypten Programme nicht weit her ist; auch wenn es sich bei dem synthetischen Kund*innendienst vermutlich um ein deutlich simpler gestricktes Modell handelt.1
Solche frustrierenden Kontakte mit Chatbots oder, schlimmer noch, sprachgesteuerten Telefonrobotern sind schon längst Alltag und enden meistens damit, dass man nach dem dritten »Ich habe Sie nicht verstanden. Bitte nennen Sie Ihre Vertragsnummer noch einmal« entnervt »MIT-AR-BEI-TER!« ins Telefon brüllt und im besten Fall dann doch mit einem Menschen verbunden wird.
Der Trend, scheinbar simple Jobs an Computerprogramme zu delegieren, ist also nichts Neues; auch nicht, dass es Firmen offensichtlich egal ist, wie miserabel die Aufgabe erledigt wird, solange sich nur Personalkosten einsparen lassen.
Mit dem rasanten Erfolg sogenannter generativer KI, also »kreativer« Software wie ChatGPT, Googles Konkurrenzprodukt Bard oder auch Bildgeneratoren wie etwa DALL-E und Midjourney zeigt sich allerdings, wie weit die Technik mittlerweile fortgeschritten ist, so dass sie nicht mehr nur Billigjobs ersetzen kann: Auch Besserverdienende, die sich bisher für unverzichtbar hielten, müssen nunmehr um ihre sicher geglaubten Arbeitsplätze fürchten. Diese Umwälzungen in der Arbeitswelt und nicht etwa Probleme mit Falschinformationen oder Fragen des Urheberrechts dürften einer der Hauptgründe sein, warum die sogenannte KI-Revolution derzeit so ein großes Thema ist.
Die KI-Revolution frisst ihre Kinder
So kündigte etwa der Tech-Konzern IBM Anfang Mai an, binnen fünf Jahren rund ein Drittel aller Stellen in seiner Verwaltung - fast 8.000 Arbeitsplätze - durch KI und Automatisierung zu ersetzen. Man kann sich vorstellen, dass darunter viele sogenannte Bullshit-Jobs fallen, wie sie der 2020 verstorbene Soziologe David Graeber nannte: also etwa die des typischen mittleren Managements, das vor allem dazu da ist, (noch mehr) sinnlose Aufgaben zu erdenken und an andere zu verteilen.
Was ja eigentlich eine gute Nachricht sein könnte - wäre es nicht ein ewig uneingelöstes Versprechen, dass der technische Fortschritt die Menschen von beschwerlichen oder unsinnigen Tätigkeiten befreien, ihnen das Leben vereinfachen und mehr freie Zeit verschaffen werde. Dem stehen jedoch einerseits der sogenannte Rebound-Effekt und andererseits das Funktionsprinzip des Kapitalismus entgegen.
Ersteres, übersetzt etwa »Zurückschnell-Effekt«, besagt, dass Effizienzsteigerungen häufig nicht bewirken, dass beispielsweise Zeit oder Energie eingespart werden, sondern vielmehr die Technik verstärkt genutzt wird, was die positiven Effekte wieder zunichtemacht. Ein Beispiel ist etwa der motorisierte Individualverkehr: Der Siegeszug des Pkws hat nicht etwa dazu geführt, dass Menschen kürzer unterwegs sind, sondern hat stattdessen die zurückzulegenden Strecken verlängert – sei es, weil Einkaufsmöglichkeiten an den Stadtrand verlagert wurden oder weil das tägliche Pendeln zum Arbeitsplatz selbstverständlich geworden ist.
Für die Entwicklungen in der KI dürfte das bedeuten, dass sie selbst wiederum Arbeit generieren wird – irgendwer muss schließlich ihren Output vermarkten, die Server warten und nicht zuletzt darauf achten, dass gewisse ethische Mindeststandards eingehalten werden. Anfang des Jahres berichtete das New Yorker Magazin »Time«, dass nicht etwa die vermeintliche Intelligenz von ChatGPT dafür verantwortlich ist, dass das Programm möglichst keine problematischen Inhalte generiert,2 sondern kenianische »Clickworker«, die für weniger als 2 Dollar pro Stunde teilweise verstörendes Material sichteten, um die Filteralgorithmen zu trainieren.
Das von OpenAI beauftragte Unternehmen Sama, das die sogenannten Datenetikettierer*innen beschäftigte, hat die Geschäftsbeziehung im Februar wegen ethischer Bedenken aufgekündigt. Was vermutlich nur heißt, dass die seelisch belastende Arbeit jetzt in irgendeinem anderen Niedriglohnland erledigt wird.
Marx und die Maschinen
Womit wir beim Thema Kapitalismus wären. Dass Maschinen keinen Mehrwert erzeugen, lässt sich bei Marx nachlesen – dafür braucht es weiterhin menschliche Arbeit. Um bei fortschreitender Automatisierung den gleichen Profit zu generieren, muss die Ausbeutung demnach sogar verschärft werden. Die Technik nimmt den Menschen im herrschenden Wirtschaftssystem keine Arbeit ab (und erst recht befreit sie nicht von der Lohnabhängigkeit), sondern macht das Geldverdienen nur stumpfsinniger und beschissener. Und zwar auch in Berufsfeldern, von denen man bisher glaubte, menschliches Hirnschmalz sei unverzichtbar.
Beispielsweise kann generative KI mittlerweile auch Code schreiben – hat aber keine Ahnung, was sie da tut, und neigt entsprechend zu Fehlern. Für Programmierer*innen heißt das, dass sie mehr und mehr zur Putzkolonne werden, die nur noch den Müllcode aussortiert, den die künstliche Dummheit produziert. Wer noch selber programmiert und seine oder ihre Arbeit über eine der Kollaborationsplattformen der großen IT-Konzerne teilt, kann davon ausgehen, dass die Programmzeilen wiederum zum Training von Bots genutzt werden, was zur Abwertung der eigenen Tätigkeit führt und auch diese perspektivisch gesehen überflüssig macht.
Für Unruhe sorgen KI-Anwendungen nicht zuletzt in der Kreativbranche im engeren Sinne. Das IT-Newsportal Golem.de berichtet in einem Schwerpunktartikel3 zu den Auswirkungen auf die Arbeitswelt in diesem Sektor etwa davon, wie Bildgeneratoren in der Spieleindustrie zunehmend die Arbeit von Illustrator*innen übernehmen. Diese werden lediglich noch zur Ausbesserung von Fehlern (man denke etwa an die berüchtigten sechsfingrigen Hände) benötigt – und entsprechend schlechter bezahlt.
Eine von Golem.de befragte Designerin von 3-D-Assets – quasi das virtuelle Pendant zu Requisiten oder auch Komparsen – bringt es so auf den Punkt: »Ich bin in die undankbare Position geraten, insbesondere jenen Teil der Arbeit, der mir besonders viel Freude bereitete, die KI machen zu lassen, während ich danach nur noch die Scherben auffege. […] Die Arbeit wird dadurch viel monotoner, weil es immer wieder die gleiche Tätigkeit in kurzen Zeitabständen erfordert. Paradoxerweise war meine Vorstellung von der KI-gestützten Arbeit bisher, sie mache monotone Arbeitsabläufe überflüssig, nun ist das Gegenteil der Fall.«
Tod des Autors
Auch die streikenden Hollywood-Autor*innen fürchten Ähnliches und fordern daher unter anderem, dass KI nicht dazu genutzt werden dürfe, um Arbeitsbedingungen, Kompensationen für Rewrites, Tantiemen oder weiterführende Rechte zu unterminieren. Zwar widersprechen die großen Studios bislang den Befürchtungen, dass Drehbücher künftig von Computern geschrieben werden; aber wer weiß, vielleicht wird ChatGPT demnächst ja sogar schon als Streikbrecher eingesetzt.
Nicht, dass das in vielen Fällen einen großen Unterschied machen würde, hat man doch in den letzten Jahren ohnehin den Eindruck, dass viele Produktionen – nicht wegen ideenloser Autor*innen, sondern auf Druck der Studios – nach Schema F entstehen. Frei nach der Formel: Man nehme ein bekanntes Franchise, sagen wir, Star Trek, mische nach dem Netflix-Erfolgsalgorithmus ordentlich Sex, Gewalt und Action dazu und fertig ist so etwas wie »Star Trek: Discovery«. Interessante Charaktere oder politische und ethische Fragestellungen, wie sie die Originalserie aus den 1960ern und ihre Nachfolger »The Next Generation« oder »Deep Space Nine« kennzeichneten, bleiben dabei natürlich auf der Strecke.
Dabei zeigte gerade Star Trek immer wieder, wohin sich die künstliche Intelligenz auch entwickeln könnte: Im Weltraumsozialismus von »The Next Generation« sind nicht nur sinnvolle Unterhaltungen mit dem Bordcomputer (quasi einer Ur-Ur-Urenkelin von Alexa) möglich, die KI wird in Person des Androiden Data sogar zum geschätzten Kollegen; ebenso das medizinische Notfallprogramm an Bord der »Voyager«, das als holografischer Doktor eine eigene Persönlichkeit entwickelt. Und der jüngst abgeschlossene – und zumindest nicht komplett misslungene - Serienableger »Picard«, der von dystopischeren Prämissen vor dem Hintergrund eines Androidenaufstands ausgeht, spiegelt wiederum die aktuellen Ängste gegenüber den technologischen Entwicklungen wider.
Da sich aber unoriginelle Inhalte offenbar gut verkaufen, kämpfen die Hollywood-Autor*innen vermutlich auf verlorenem Posten. Dass der Unmut des Publikums dem an irgendeinem Punkt Grenzen setzt, ist nicht zu erwarten; eher schon, dass der Trend sich selbst verstärkt: Wer nichts anderes kennt als schablonenhafte Superheldenfilme, bei denen man sich fragen kann, ob die Drehbücher nicht ohnehin schon längst von KI geschrieben werden, schraubt die Erwartungen eher herunter. So gesehen, wird die künstliche Intelligenz wohl vielmehr der natürlichen Dummheit Vorschub leisten.