Der Schl8hof in Wels (Bild: Andreas E. Neuhold (CC BY-SA 3.0 Deed))
Versorgerin: Bei welchem Verein warst du wie lange in welcher Funktion?
Wolfgang Wasserbauer: seit den frühen 80er jahren bin ich in kulturinitiativen tätig. begonnen hat alles 1981 mit der welser kulturinitiative, ein verein mit "amtlichem" namen, der, bzw. dessen damalige mitglieder, maßgeblich an der gründung und etablierung des kulturzentrums alter schlachthofs, später schl8hof, beteiligt waren. wahrscheinlich war ich seit ca. 1983 vorstandsmitglied bei der k.i., bin ich bis heute. den schl8hof gibt es seit 1985, und von anfang an war ich als bezahlter kulturarbeiter in der geschäftsführung bzw. künstlerischen leitung des hauses engagiert. 1987 habe ich mit freund:innen das festival music unlimited gegründet, später kamen einige initialzündungen für heute noch bestehende projekte dazu.
Wie hast du zu Beginn deiner Tätigkeit das kulturelle, bzw. kulturpolitische Umfeld in deiner Stadt wahrgenommen – wie war dein Verein/deine Initiative darin verortet?
Wolfgang Wasserbauer: die frühen 80er jahre waren wahrscheinlich die fruchtbarsten jahre für die entstehung und etablierung von kulturvereinen und kulturhäusern und geld war damals auch genug vorhanden, denn mit kultur und jugend konnte man ohne riskante und große budgetäre maßnahmen gut punkten. man sieht das am beispiel linz recht deutlich. die stadtwerkstadt hat es ja sogar schon etwas früher gegeben, kapu kam bald dazu und der posthof eröffnete zum beispiel für den schlachthof in wels neue möglichkeiten. der raum war ja vorhanden und er war praktisch unbenutzt. das kulturpolitische umfeld war insgesamt sehr bürgerlich und sehr konservativ. ich kann mich an einen ausflug nach wien erinnern, quasi eine exkursion zum zwecke der besichtigung von möglicherweise vorbildhaften wiener einrichtungen. wir sind in die gassergasse gefahren, eines der ersten autonomen jugendkulturzentren. der in wels damals politisch verantwortliche jugendreferent, ein spö-ler, ist fast in ohnmacht gefallen, als er gesehen, wie das dort läuft und welche leute dort verkehren. der hat sich gottseidank ziemlich schnell wieder aus den entscheidungsgremien zurückgezogen, aber andere leute, die meisten davon aus eher linken spö-kreisen, haben das aber durchgezogen und so konnte die gründung des schlachthofs bzw. die übernahme des schlachthof-geländes für kulturelle zwecke geschafft werden. beteiligt und miteinbezogen daran waren aber damals auch schon die anderen aktiven kulturvereine aus dem sogenannten alternativen spektrum. und so hat man zur leitung des kulturzentrums einen verein gegründet, der sich zur hälfte aus aktivist:innen und zur hälfte aus vertreter:innen der stadt zusammengesetzt hat, so ist der betriebsverein alter schlachthof entstanden, eine in dieser form recht kluge und bis heute aktuelle einrichtung.
ich selbst war aktivist innerhalb der welser kulturinitiative, die seit 1981 kleine räumlichkeiten im gelände des ehemaligen städtischen schlachthofs in anspruch genommen hatte. es war, glaub ich, der plan der damaligen verantwortlichen, sich mittels "salami-taktik" mehr und mehr räume zu sichern, ein plan, der ganz gut funktioniert hat. zuerst kamen ein paar sozio-kulturelle einrichtungen, dann arbeitsmarktpolitische sozial-ökonomische intitiativen, ein jugendzentrum, später dann die jugendherberge, der ganze skater-platz uswusf. in summe hat das ein wirklich lebendiges kulturgelände ergeben, das sich am ehesten noch mit dem wuk (natürlich eine ganz andere nummer) vergleichen hat wollen und lassen.
die salami-taktik wird heute auch wieder angewendet, allerdings unter umgekehrten vorzeichen. seitdem die fpö in wels das ruder an sich gerissen hat, verliert man hier wieder platz, muss räume wieder hergeben, gleich zu beginn die jugendherberge, später dann andere teile im schl8hofgelände. jetzt mal ganz abgesehen von anderen schwierigkeiten, mit denen die verantwortlichen umgehen müssen.
Welche Veränderungen hast du während deiner Zeit wahrgenommen?
Wolfgang Wasserbauer: zu beginn herrschte natürlich eine große aufbruchstimmung und die vereine fanden recht gute bedinungen für ihre veranstaltungen vor. wie gesagt, die ersten initiativen, die nichts mit veranstaltungen zu tun hatten, begannen sich anzusiedeln und so füllten sich die räume und plätze mit leben. wie das bei der kultur oft der fall ist, begann es mitunter zwischen den vereinen zu rumoren. hauptthema dabei war zumeist die zuordnung bzw. unterordnung unter städtische bedingungen, weil zu viel freiheit war den politisch verantwortlichen natürlich auch wieder nicht recht. dieser prozess hat sich auch in der welser kulturinitiative fortgesetzt und schließlich zur umbenennung in kulturverein waschaecht geführt, aber immerhin ein starkes zeichen von autonomie, weil erstmals praktisch keine städtischen verantwortlichen im vereinsvorstand das sagen hatten.
die bedingungen, unter denen hier konzerte und veranstaltungen durchgeführt werden konnten, waren allerdings nach wie vor grandios. man hatte ein lässiges haus mit lässigen leuten und viel support rundherum. das hat auch dazu geführt, dass wir z.b. ab einer gewissen zeit sehr gute kontakte zur kapu gehabt haben und wir wirklich viele konzerte im schlachthof gemeinsan durchgeführt haben. konzerte, die ich mitunter als die besten vorstellbaren in erinnerung habe, wir reden da ja von bands wie fugazi (noch immer unter den top 3 konzerten meines lebens), no means no, alice donut, godspeed you black emporer. und wir haben ein klasses mehrtägiges diskurs-festival zum thema „jugendkultur in der krise“ veranstaltet, ich glaub, in dem rahmen sind die texta zum ersten mal aufgetreten. und ein super sprayer-meeting, das „spray canart“. die achse hat jedenfalls funktioniert, das war wirklich sehr beeindruckend und befriedigend.
weil du nach veränderungen gefragt hast: ich halte kooperationen mit befreundeten kulturvereinen für richtig und wichtig, man trifft sich, tauscht sich aus, besucht sich gegenseitig und zieht gemeinsam lässige sachen durch. leider gibt es diese kooperationen nur mehr selten, gelegentlich mit den ottensheimern von koma und am rande mit der stwst, aber leider nicht mehr mit der kapu.
veränderungen gab es natürlich weiterhin, in alle erdenklichen richtungen, der schlachthof, als der dann schon schl8hof hieß, war dann ja zwischenzeitlich mal die metal-hochburg österreichs. das war schon was, das muss man sagen, da hat es wirklich klasse konzerte gegeben. kann sich ja keiner mehr vorstellen, dass hier bands wie sepultura oder rammstein aufgetreten sind, die ärzte haben mal einen nachmittag hier geprobt, oder bands wie psychotic waltz, meshuggah, biohazard, machine head, life of agony, um hier nur ein paar zu nennen.
aber auch hier ist es dann zu gröberen meinungsverschiedenheiten gekommen und letztendlich zum bruch mit den hauptverantwortlichen checkern. mittlerweile gibt es aber wieder gute berührungspunkte mit der metalszene, da kommen vor allem linzer aktivist:innen auf uns zu und finden die bedingungen, die wir ihnen bieten können, so gut, dass sie gerne ihre festivals hier veranstalten, zum beispiel das celebrare noctem oder das sinister feast. und das punkige „sbäm“ festival kommt ja jetzt auch wieder zurück in den schl8hof.
was man schon auch sagen kann, ist, dass es in wels immer schon, also auch schon vor der fpö, wirklich auffällige, notorische finanzierungslücken im kulturbereich gegeben hat. man hat halt gemeint, das rundherum reicht eh, da muss man nicht mehr viel direkte kulturförderung betreiben. es ist insgesamt immer schon ein witz gewesen, weil es hier ja um keine großen summen geht, aber in wels ging es leider immer nur um sehr kleine summen, die natürlich jetzt noch kleiner werden. wenn ich jetzt sage, dass die summe der kulturförderung seitens der stadt für alle vereine, die im schl8hof veranstalten und dafür sorge tragen, dass ung. 200 veranstaltungen pro jahr auf wirklich gutem niveau stattfinden (inklusive einiger festivals und openairs), keine 35.000 euro beträgt, werden sich jetzt manche wundern, wie das überhaupt gehen kann. da sind wir wirklich meilenweit entfernt von linz, ich würde sagen, in linz wäre "unsere" kulturarbeit wahrscheinlich ungefähr das zehnfache wert.
das weltweit etablierte unlimited-festival bekam beispielsweise im jahr 2015 noch 16.200 euro förderung, heute im jahr 2024 bekommt es für die nächsten drei jahre 14.600 euro, das ist eine einbusse von mehr als 30 prozent. manche meinen, ein schlechter witz, andere sagen eher skandal dazu.
Hast du Erfahrungen mit (versuchten) politischen Einflussnahmen gemacht? Das kann reichen von Vereinnahmung bis zu direkten Kampagnen gegen den Verein.
Wolfgang Wasserbauer: hatten wir alles irgendwie erlebt und mit der fpö jetzt noch mehr. schon in den 90er jahren haben die in einer lokalzeitung ein inserat geschaltet mit dem titel "50.000 schilling förderung für das total beschränkte festival 'music unlimited'". dafür hat sich nie jemand entschuldigt und wenn man sich die förderpraxis ansieht, siehe oben, dann kann man wohl von einer gewissen ideologischen kontinuität sprechen.
und wie gesagt, der schl8hof verliert räume. als das jugendzentrum d22 zugesperrt hat, hat man gemeint, dass diese räume jetzt in die verwaltung der stadt wels zurückgehen müssen. man hat uns keine chance gegeben, selbst etwas zu machen, die räume wurden uns aus unserem mietvertrag sozusagen "rausverhandelt".
und die jugendherberge war sowieso schon weg, ein unglaublicher, fataler fehler in der stadtpolitik, weil man praktisch total klasse bedingungen vorgefunden hat zum betreiben einer so wichtigen institution, inklusive super synergien beim personal, selbst ich hab manchmal jugendherbergstdienste gemacht, und wir als kulturleute konnten künstler:innen einquartieren unter lässigen bedingungen. ein "win win" für alle, aber halt in kein neoliberales konzept passend, wo die hauptsache ist, dass man den rechenstift ansetzt und kosten einspart.
ich weiss wirklich nicht, warum die jetztigen oppositionsarteien das nie thematisiert haben, und es gab ja auch noch andere beispiele aus dem sozialbereich, zum beispiel gab es mal acht streetworker:innen, die hatten ihr hauptquartier auf dem schlachthofgelände, heute gibt es deren noch drei.
Was würdest du dir kulturpolitisch für deine Stadt wünschen? Bzw. auch was für Formen künstlerischer, musikalischer etc. Aktivitäten / Widerstände / Interventionen?
Wolfgang Wasserbauer: wir haben mittlerweile im schl8hof eine enorme bandbreite an aktivitäten und veranstaltungen. und alles auf einem wirklich guten und hohen niveau. der kulturverein waschaecht (host of music unlimited, experiment literatur, oktolog) ist der einzige oberösterreichische kulturverein, der sowohl den großen landeskulturpreis für initiative kulturarbeit als auch den österreichischen kunstpreis zuerkannt bekommen hat. den politker:innen ist das wurscht, die halten jetzt ohnehin alle knapp, degradieren die vereine zu bittsteller:innen und betonen das auch immer wieder: nicht nur ihr, sondern auch alle anderen bekommen gleich wenig förderung, und es gibt keine anpassungen auch nur an vor-vor-vorjährige inflationen. es werden doch eh alle gleich schlecht behandelt, also was regt ihr euch denn auf!
man kann sich nur wünschen, dass die politik irgendwann mal begreift, wie wichtig freie kulturarbeit für eine stadt in der größenordnung von wels ist, und welch' enormes potential hier gefördert werden könnte. ich rede ungern von diesen umwegrentabilitäten, aber selbst da ist es so, dass durch die veranstaltungen im schl8hof monetär unglaublich viel umgesetzt wird in der stadt. irgendwie hat man das gefühl, dass das manche leute schon wissen, aber durchsetzen kann man sich halt nicht oder es ist einfach zu mühsam, ständig gegen mauern anzurennen.
am wichtigsten ist es aber trotzdem, dass die engagierten menschen zusammenarbeiten und zusammenhalten und ihre ideen verwirkliche, auch wenn die umstände nicht günstig sind. und man muss schon sagen, wir haben eine vielzahl bemerkenswerter initiativen und persönlichkeiten, ohne derenen durchhaltevermögen und engagement es schwierig wäre. beispielsweise der vorsitzende des betriebsvereins, stefan haslinger, der nicht zuletzt durch seine tätigkeit im städtischen "kulturamt" ein hohes maß an intelligenter flexibilität an den tag legen muss und dessen ehrenamtliche arbeit im schachthof-kulturgeschehen unglaublich wichtig ist. er hält sich zwar im hintergrund, aber im grunde hält er alles zusammen.
oder auf einer anderen ebene die schl8hof juniors, die jährlich einige veranstaltungen und feste durchführen. wir haben das große glück, dass sich hier viele ganz junge leute engagieren und sich einbringen und initiativ sind. da beneiden uns viele organisationen, das weiss ich.
oder das bunte brise team, das kürzlich das 20-jährige jubiläum gefeiert hat. so viele engagierte leute, familien, kinder, die total lässige kinder- und familienkultur veranstaltungen durchführen.
oder der noch immer relativ neue verein freund:innen des alten schlachthofs. auch von denen kommt einiger frischer wind und gute ideen.
es würden mir noch einige sachen einfallen, zum beispiel shortys blueskitchen, die huadpartie, oder die reihe soul-blues-funk. ja, es bewegt sich wirklich viel. man fragt sich manchmal wirklich, wie das unter diesen schwierigen politischen bedingungen so gut funktionieren kann? die antwort liegt aber auf der hand: es gibt eine vielzahl an leidenschaftlichen, ehrenamtlichen aktivist:innen und untersützter:innen, denen das projekt am herzen liegt. einer drückte seine verbundenheit einmal so aus: „wenn der schl8hof einmal stirbt, sterbe ich gleich auch mit“!
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Die Linzer KAPU (Bild: Haeferl (CC BY-SA 4.0 Deed))
Versorgerin: Bei welchem Verein warst du wie lange in welcher Funktion?
Günther Ziehlinger: Ich bin seit Oktober 2010 in der Geschäftsführung der KAPU tätig und werde diese Stelle Ende August 2024 verlassen.
Wie hast du zu Beginn deiner Tätigkeit das kulturelle, bzw. kulturpolitische Umfeld in deiner Stadt wahrgenommen – wie war dein Verein/deine Initiative darin verortet?
Günther Ziehlinger: Als ich 2010 in der KAPU angefangen habe, begann in Linz das Kulturhauptstadtjahr 2009 zu wirken. Einerseits in dem Sinne, dass Behübschung und Sterilisierung immer mehr Orte erfassten, aber auch dahingehend, dass ein vermehrtes Interesse an der neueren Kulturhistorie der Stadt zu erkennen war. Das Buch und der Film "Es muss was geben" wurden von vielen Medien rezipiert und damit bekam auch die KAPU etwas vom Renommee und vom Fame ab. Mit der steigenden Bedeutung von YouTube kam auch das Nirvana Video von 1989 vermehrt in die Öffentlichkeit.
Die KAPU erfuhr auch dadurch viel wohlwollenden Zuspruch, der sich aber nicht in Steigerung der finanziellen Zuwendungen manifestierte. Stichwort Inflationsanpassung.
Mit der neuen Bar 2015 und einigen aufsehenerregenden Projekten und Aktionen ist die KAPU bis heute ein sinnstiftender Ort im Wirtschaftsstandort Linz, der der Stadtregierung und der Öffentlichkeit selbstbewusst begegnet.
Welche Veränderungen hast du während deiner Zeit wahrgenommen?
Günther Ziehlinger: Die KAPU hat sich vor allem seit der Übernahme der Bar ein Stück weiter professionalisiert. Sie präsentiert sich als Verein gegenüber den Subventionsgeber:innen und als Wirtschaftstreibenende gegenüber den Finanzbehörden als Musterschülerin, was dafür sorgen soll, dass ein geschützter kreativer Raum erhalten werden kann, der einigermaßen sicher vor betriebswirtschaftlichen Zwängen aber konkret auch vor politischen Angreifen sein soll.
Die Devise "Sich nicht wegen Formalia angreifbar machen" wurde angesichts eines Rechtsrucks in Land und Staat ausgegeben.
Die öffentliche Anerkennung und auch das Verhältnis zu den Behörden hat sich allerdings eher verbessert. So war mit Doris Lang-Mayerhofer das erste Mal eine Kulturstadträtin (ein Posten, der traditionell von der ÖVP besetzt wird), bei einem Konzert in der KAPU zu Besuch und stellte sich auch als Teilnehmerin für eine Podiumsdiskussion zur Verfügung.
Hast du Erfahrungen mit (versuchten) politischen Einflussnahmen gemacht? Das kann reichen von Vereinnahmung bis zu direkten Kampagnen gegen den Verein.
Günther Ziehlinger: Ich liste im Folgenden einige mediale Übergriffe von rechtsextremer Seite auf die KAPU aus diesem Zeitraum auf. Danach habe ich mir erlaubt, Aktionen und Veranstaltungen der KAPU anzuführen, die von politischer Relevanz sind (die Links finden sich in der Onlinefassung):
2013: Konkreter Vorwurf von Subventionsmissbrauch wegen des Stadtwache-kritischen Transparents an der Süd-Mauer der KAPU. (durch GR Raml)1
2014: Ute Klitsch faselte irgendwas von wegen "sinnvolle Investition von Subventionen", und meinte damit ausdrücklich nicht die KAPU.2
2015: Farbbeutel-Angriff auf »Refugees Welcome«-Transparent der KAPU3
Dann gab es noch eine große „Aufdecker“-Reportage über die Subventionen der Freien Szene im Wochenblick mit sensationellem Fotomaterial vom KAPU-Klo (entnommen dem Wikipedia-Artikel zur KAPU)
Öfter jedoch wollte die KAPU selbst Einfluss nehmen (auf die Politik, auf gesellschaftliche Abläufe, etc.) und trat dabei auch aktionistisch auf:
Schon nach den Polizeirandalen am 1. Mai 2009 war die KAPU der Ort, wo sich zivilgesellschaftlicher Widerstand organisierte und wo das Bündnis gegen Polizeigewalt gegründet wurde.4
Ein Jahr später, am 1. Mai 2010, direkt vor der Alternativen 1. Mai Demo, durfte ich, als einer der fünf Angeklagen, das KAPU Projekt eines Vermummungs-Contests für den Innovationstopf von KUPF und Land Oberösterreich mit dem camcatwalk umsetzen.5
(Zitat eines Magistratsbeamten im Laufe der Veranstaltungsanmeldung: "Ah, Sie san des. Vor Ihna fiarcht se de gaunze Polizei!")
Dann die „große Light-Show“, mit der die KAPU 2011 gegen die finanzielle Lage der Freien Szene und die Kulturpolitik der Stadt Linz protestiert hat: Ein Konzert ohne Ton, ein DJ ohne Strom, ein Maler ohne Farben und Social Impact mit der 1% Oper.6
Im Rahmen der Flüchtlingshilfe der Drehscheibe Linz bot die KAPU 2015 temporär Refugees eine Bleibe. Zu den Terroranschlägen auf das Bataclan in Paris im selben Zeitraum wurde ein Statement veröffentlicht.7
Eine "missglückte" Plakat-Aktion der SPÖ Linz beantwortete die KAPU mit einer #refugeeswelcome Party.8
Die Konferenz der Begrenzten 2016 wurde im Rahmen des Innovationstopfs vom Land Oberösterreich subventioniert.9 Ja – auch das Transparent mit der Aufschrift "Mühlviertler Bauern stinken". In Vorträgen wurde auf die Gefahren der Identitären Bewegung hingewiesen, das Prinzip der Kommunikationsguerilla erklärt und die Regionäre Bewegung10 vorgestellt (über die es in Folge Einiges an Berichterstattung gab).11
Zwei Wochen nach der Konferenz in der KAPU fand in den Redoutensälen der sogenannte "Kongress Verteidiger Europas" statt, wo sich Rechtsextreme aus Europa trafen. Dagegen wurde selbstverständlich mitdemonstriert.12
2017 gab es eine Pressekonferenz der Freien Szene, die die Kürzungen für zeitgenössische Kultur seitens des Landes OÖ angeprangerte. Dabei wurde auch eine dubiose Kulturförderung für KTM aufgedeckt, was im Nachhinein für ein enormes Medienecho sorgte (#ktmgate). Die KAPU verwurschtete die Angelegenheit in der Ausstellung KTM - Kurt Tribute Museum.13
Die OÖN zitierten ganz ironiefrei erfundene Zahlen aus der Ankündigung. ("Sie [Anm.: Nirvana] gingen ab 16.30 Uhr 42 Mal im Gebäude ein und aus, wie es die Aufzeichnungen von damals belegen." OÖN, 19. November 2019)14
Generell versteht sich die KAPU ganz gut darin, den Mächtigen Paroli zu bieten und ungewollte politische Einflussnahme (auch als wohlwollend getarnte) abzuwehren. (Außer einmal, als die Stadt Linz/SPÖ einen CD-Sampler mit lokaler Musik produzierte und dabei organisatorische Mithilfe aus der KAPU genossen hat. Nach Fertigstellung wurde die CD allerdings ohne unser Wissen mit Bürgermeister-Wahlwerbung gebrandet.)
Ich selber habe es im Laufe meiner Zeit in der KAPU immer besser verstanden, zu formulieren, welche Bedeutung und welchen Wert diese Institution hat. Dass die KAPU z.B. global gesehen in ihrem Metier zur Weltspitze gehört, was über andere Häuser (in Linz, vor allem der sogenannten Hochkultur) nicht unbedingt behauptet werden kann.
Mir wurde auch klar, dass nicht die Fördernehmer die Kunden des Landes Oberösterreich sind, so wie es die Kultur-Direktorin Margot Nazzal einmal definiert hat, sondern umgekehrt, die Stadt Linz und das Land Oberösterreich die Kunden der KAPU sind. Die KAPU verkauft ihnen Urbanität und Progressivität. Und das zu einem verdammt niedrigen Dumpingpreis.
In diesem Sinne tritt die KAPU den Subventionsgeber:innen und der Welt selbstbewusst entgegen und ist dabei in der Sache immer bestimmt aber höflich. Nur nicht gegenüber Faschisten.
Was würdest du dir kulturpolitisch für deine Stadt wünschen? Bzw. auch was für Formen künstlerischer, musikalischer etc. Aktivitäten / Widerstände / Interventionen?
Günther Ziehlinger: Eine Renaissance von eigenständigen und nicht kommerzgesteuerten Jugendkulturen, eine Band aus Linz, die international für Furore sorgt, oder einfach nur, dass seitens der Politik der Wert der Arbeit in der Freien Szene vollumfänglich erkannt und anerkannt wird und sich das auch in finanzieller Absicherung bemerkbar macht. Eben gerade auch im Hinblick auf die vergleichsweise enorm hohen Summen, um die es in der sogenannten Hochkultur geht.