Linz, Hauptstadt nicht nur des Landes, sondern auch der Unordnung und des Verbrechens, muss sicherer werden. Von Obdachlosen, Bettlern und Straßenmusikern geht die größte Gefahr aus, weswegen zu deren effizienten Schikane schon im Jahr 2010 eine Hilfspolizei, genannt »Stadtwache«, ins Leben gerufen wurde. Jahr für Jahr werden ihre Befugnisse erweitert. Neuester Schachzug: »Aus pragmatischen Gründen« erteilte der verantwortliche SP-Bürgermeister Luger nun Stadtwache-Geschäftsführer und Pegida-Sympathisant Mario Gubesch (FP) sowie dessen Mitarbeitern die Erlaubnis, Ausweise von angehaltenen Personen zu kontrollieren. Ein illegaler Schwips im Hessenpark, in dem seit Mai der »Aufenthalt von offenkundig alkoholisierten Personen« verboten ist, kann so nun schneller zur Anzeige gebracht werden. Die Grünen bezeichnen den Ordnungsdienst mittlerweile als »Schattenpolizei unter FPÖ-Kontrolle«. Die Linzer SPÖ will das nicht erkennen; genauso wenig wie erst jüngst wieder eine mögliche Verantwortung, an Zeiten zu erinnern, in denen Linz wirklich unsicher war – für Juden und Jüdinnen, Widerstandskämpfer und Widerstandskämpfer-innen und für alle Verfolgten des NS-Regimes. Die israelische Botschafterin Talya Lador-Fresher hatte im Juli in einem Interview mit den »OÖN« kritisiert, dass Linz die einzige Stadt im deutschsprachigen Raum sei, die keine Stolpersteine erlaube. Den daraufhin von den Grünen eingebrachten Antrag, in dem die Verlegung dieser Gedenktafeln auch in Linz gefordert wird, lehnte die rot-blaue Mehrheit im Gemeinderat ab. Sogar die Zuweisung des Antrages an den dafür verantwortlichen Kulturausschuss wurde verhindert. Die SPÖ habe noch nie Politik auf Zuruf gemacht, rechtfertigte sich Stefan Giegler, Vorsitzender der SPÖ-Gemeinderatsfraktion. Auch der Bürgermeister persönlich wehrte sich gegen den jüdischen Zuruf, indem er versicherte, dass er sich von niemandem beauftragen ließe; ein kühnes Statement, mit dem eine geheime Macht der Botschafterin, Weisungen an den Bürgermeister zu erteilen, angedeutet wird. Als Reaktion auf diesen Irrsinn gründete sich als überparteilicher Zusammenschluss die »Plattform Stolpersteine«, eine entsprechende Petition kann online unterschrieben werden. Mit der Kritik konfrontiert, versprach Luger, bald eine Alternative zu den Stolpersteinen zu präsentieren.
Ein weiterer Kniefall der Sozialdemokratie vor der FPÖ ist der angekündigte Ausstieg der Stadt aus dem Linzer Theatervertrag mit dem Land Oberösterreich. Auch hier regt sich unter dem Hashtag #linzliebtseintheater bereits erster Unmut unter Angestellten des Theaters und des Brucknerorchesters, die in einem öffentlichen Brief schreiben: »Es geht in der Summe um rund 200 Arbeitsplätze, die wegfallen könnten. Bis zum heutigen Tag wissen wir nicht, ob und wie es für uns weitergehen soll.«
Es ist also offensichtlich, dass Widerstand gegen alles, wofür Schwarz-Blau steht, auch Protest gegen diese SPÖ bedeuten muss. Bürgermeister Luger ist übrigens selbst ein verlässlicher Mitstreiter im Kampf gegen die Sozialdemokratie. So antwortet er auf die Frage, wer denn eigentlich die Sozialdemokratie noch brauche, im »Standard«-Interview: Das ist eine Frage, die ich mir persönlich auch stelle. Wer braucht in dieser Gesellschaft noch die Sozialdemokratie? Mit Sicherheit ist es für viele Menschen heute nicht mehr so notwendig, eine Sozialdemokratie als Schutzmacht zu haben, wie das vor 40 Jahren der Fall war. Richtig, denn die Reichen wissen eine Schutzmacht in Form fast aller anderen Parteien an ihrer Seite, und die Armen dürften mit der ideologischen Grundversorgung, die die FPÖ bereitstellt, ihr Auslangen finden. Weiter im Interview: Wenn rote Traditionalisten bei Themen wie der 60-Stunden-Woche auf Knopfdruck »Nein« schreien, bringt uns das nicht weiter. Wenn rote Quer- und Vorwärtsdenker beim Festhalten an Arbeitsrechten – ganz ohne Druck – »Traditionalismus« schreien, bringt das die SPÖ hingegen selbstverständlich weiter. Weil sie alle nur noch weiterhaben wollen.
Wessen Terminkalender also trotz Ärger über die schwarzblaue Sozialdemokratie noch Spielraum ließ, konnte sich in letzter Zeit auch in Oberösterreich an etlichen Demonstrationen gegen die Politik der Bundesregierung beteiligen. Etwa an einer Protestaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan oder an der ersten Linzer Donnerstagsdemo am 9. November, zu der eine überparteiliche Initiative aus etwa dreißig Organisationen (u. a. KPÖ, SJ, Omas gegen Rechts) aufgerufen hatte. 3.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen im Vergleich zu 2.500 in Wien können sich sehen lassen. Bereits im Oktober hatte die Gewerk-schaft eine Kundgebung vor dem Linzer Landhaus gegen die Zerstörung der Sozialversicherung organisiert. Die Plakate mit der Aufschrift »Fusion=Enteignung« waren in der Analyse präziser als manche der Redebeiträge, in denen oft genug ein oberösterreichischer Lokalpatrio-tismus gegen den »Zentralisierungswahnsinn« der Bundesregierung in Stellung gebracht wurde. Nur wenige der 1.200 Demonstrierenden zeigten sich irritiert, als Handzettel mit dem Text der Landeshymne verteilt wurden und diese dann auch kollektiv angestimmt wurde – als »Zeichen des Protestes«, wie es hieß. Ob der Protest nun eher wie jener des Hünderls gegen seinen Herrn oder wie jener des Kinderls gegen sein Muatterl organisiert werden soll, muss einstweilen offen bleiben.
Der Protest gegen die Asylpolitik der Regierung hingegen wird konkreter und wirksamer, abgesehen vom ohnehin unermüdlichen Einsatz von hauptberuflichen und ehrenamtlichen Helferinnen und Aktivisten. Maßgeblich daran beteiligt ist die Initiative »Ausbildung statt Abschiebung« des grünen oberösterreichischen Integrationslandesrates Rudi Anschober. Aktuell werden Schritte gegen die sofort wirksame Entscheidung der Regierung, Asylwerbern den Zugang zur Lehre zu untersagen, unternommen. Beeindruckt vom breiten Unterstützer-Netzwerk der Initiative – 1050 Unternehmen, 104 Gemeinden und 80 Prominente, darunter Künstler und Politikerinnen – wagen es mittlerweile auch ÖVP-Landeshauptleute, sich gegen die Abschiebung von Lehrlingen auszusprechen. Diese Initiative ist natürlich ein Zweckbündnis von solchen Kräften, denen die Sicherheit von Menschen, und solchen, denen die Sicherung von Arbeitskraft wichtig ist. Das erhöht die Wirksamkeit, nötigt aber viele Menschen dazu, das Unternehmer-Wording zu übernehmen, wonach eine verhinderte Abschiebung eine »Win-Win-Situation« sei: der eine sichert seine Gewinne, der andere immerhin sein Leben. Latent schwingt eine Drohung gegen weniger gewinnbringende Geflüchtete mit, die dem herrschenden Diskurs, in dem zwischen dem guten Flüchtling, der uns am Herzen liegt, und dem bösen Flüchtling, der uns auf der Tasche liegt, unterschieden wird, nicht gerade widerspricht. Einstweilen wollen wir uns aber glücklich schätzen, dass sich die BWL-Vernunft (noch) als Gegner der institutionalisierten Unmenschlichkeit präsentiert.
Der wirkungsvollste Widerstand gegen Schwarz-Blau in Oberösterreich allerdings kommt von außen. Das höhere Wesen, das uns zwar nicht rettet, aber immerhin unter die Arme greift, ist diesmal der Europäische Gerichts-hof: Im November kippte dieser – nach einer Beschwerde eines Betroffenen – die 2016 von der Landesregierung eingeführte Kürzung der Mindestsich-erung für befristet Asylberechtigte. Zusätzlich die Stimmung im Land, die sich seit dem Amtsantritt Stelzers wieder verschärft gegen Kunstschaf-fende, Frauen, Geflüchtete und im Sozialbereich Beschäftigte richtet, wieder zu kippen, dazu hat der EuGh einstweilen leider noch keine Befugnis.
Petition Stolpersteine: https://www.stolpersteine-linz.at/
Petition #linzliebtseintheater: https://www.openpetition.eu/at/petition/online/linzliebtseintheater
Initiative »Ausbildung statt Abschiebung«: http://ausbildung-statt-abschiebung.at/
Nächste Donnerstagsdemo: 13. Dezember, 18 Uhr, Treffpunkt Vorplatz Schillerpark, Linz