Die Geschichte der Stadtwerkstatt (STWST) beginnt 1979 und entwickelt sich als autonome Struktur. Sie entstand als Utopie von Kunst und Leben bzw. eines Lebens- und Arbeiten-Konzeptes, das sich durch die Manifeste der jüngeren Avantgarde, durch Ablehnung einer bürgerlichen Behübschungskultur sowie einer Kritik an der immer noch autoritär beeinflussten Nachkriegsgesellschaft auszeichnete. Die Stadtwerkstatt behauptete sich zwischen Häuserkampf, sozialem Wandel und Kunst. Seit den 1980er-Jahren und noch vor den digitalen Medien entstanden interaktive, hybride Medien- und Telematik-Formate und eine Prozesskunst als Medienkunst. Aus diesen intensiven, auch hochpolitischen Auseinandersetzungen im Feld der Kunst und der Medien ist historisch auch die Entstehung der Netzkulturintitiative servus.at (1996) und des freien Radio FRO (1998) zu verstehen. Beide entwickelten sind aus dem Umfeld der STWST und arbeiten immer noch im Haus der STWST.
Die Stadtwerkstatt wurde als freies Künstler:innenkollektiv gegründet, prägte seit den 1980er Jahren die Linzer Stadtgeschichte sowie die frühe Medienkunstgeschichte und ist bis heute ein autonomes Kulturhaus in Linz, das zwischen Kunst, Gesellschaft und den Beschlagwortungen »Anstiftung zur Initiative« oder »Transformation von Kunst und Gesellschaft« agiert. Heute besteht der Verein Stadtwerkstatt aus den Departments New Art Contexts, einem Medienbereich, dem Musikclub und den sozialen Sphären der Öffentlichkeitsbereiche des Hauses – die Bereiche arbeiten verschränkt.
Die an sich widerständische Geschichte des Hauses spiegelt aber auch konforme gesellschaftliche Prozesse wider: Frauen haben in der STWST in unterschiedlichen Bereichen wesentlich mitgearbeitet, Schlüsselpositionen eingenommen, politische Arbeit geleistet und haben Kunst gemacht. Eine nachhaltige Präsenz und Sichtbarkeit von Frauen hat sich jedoch nicht oder zu wenig hergestellt. Damit beschäftigt sich das Rechercheprojekt »Herzblutwiese Stadtwerkstatt«.
Eine Intro in das Warum des Projekts:
Aus dem Off
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Also die Fragen nach dem Warum dieser Recherchen …
die Frauen der Stadtwerkstatt …
Das war eigentlich unmittelbar verständlich … …
sehr getragen das Ganze …
Es gab da eindeutige Reaktionen, dass das höchste Zeit war … …
ein wichtiges Vorhaben, was das Haus betrifft … …
aber auch generell, was die Zeit betrifft, das größere Ganze der Gesellschaft …
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Viele hatten speziell in den Anfangszeiten des Hauses was zu überwinden … … …
das, womit man sich permanent herumzuschlagen hatte und hat …
die Kleinstadt, die Enge, familiäre Beschädigungen …
eine restriktive Gesellschaft … Autoritäten …
und nochmals Autoritäten …
und kein Platz für niemanden … …
und dann macht sich ein Verein ans Werk …
beginnt, sich mit Aktionismus und Kunst einen Platz herzustellen …
nach eigenen Regeln …
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Und das sorgt wiederum auch für Kämpfe
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Man könnte eine Recherche über die STWST ja mit vielen thematischen Ansätzen klammern …
mit Kunst und Leben zum Beispiel …
dem Sammelsurium an Leuten … dem frühen Wohnprojekt, dem Häuserkampf …
dem autonomen Kulturverein …
… der Öffentlichkeit, die man erzeugt hat …
… der Selbstermächtigung, Aneignung …
im Kern der Kunst und der Medienkunstprojekte …
Bis heute bestehen ja diese Aktionsfelder …
und haben sich fortgesetzt und entwickelt …
… und bis heute Kunst, Musik, Nachtleben, Subkultur … … …
und natürlich Konflikte
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… … und dann die so genannte STWST-Ästhetik über die Jahre …
a la »Die STWST hat immer alles anders gemacht« …
undundund …
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… und jetzt …
… jetzt kommen wir mit den Frauen daher …
hinsichtlich Feminismus wurden ja grundlegende Sachen entwickelt im Haus…
und wie wir wissen, ist es ein Anachronismus, von Männern und Frauen zu sprechen
… und wir hatten dann sehr bald dieses Wort, …
… die »Herzblutwiese« … …
… der Begriff kam schon, als wir uns generell mit dem Stadtwerkstatt-Archiv beschäftigt haben …
… und da war immer wieder:
So viel Herzblut auf der Herzblutwiese … …
Auf der Herzblutwiese zweifelsohne Männer und Frauen …
und es ist ja immer so eine Frage … wieviel Geschlecht so ein Herzblut haben kann …
in dieser gemeinsamen Sphäre der Revolte …
dann aber wieder ganz eindeutig: die Unterrepräsentanz! …
… so wenig nachhaltige Sichtbarkeit von Frauen
in einer Publikation nur EIN abgedrucktes Mail einer Frau
die nachträgliche Verengung des Blickes auf wenige Projekte und Protagonisten.
Und so haben wir uns dann tatsächlich fokussiert auf die STWST Frauen …
Und wir denken da nicht nur an einzelne Individuen …
… denn … viele waren Stadtwerkstatt :innen
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HERZBLUTWIESE STADTWERKSTATT
Rechercheprojekt, 2020ff
Initiiert und hauptverantwortet von:
Stadtwerkstatt STWST / Tanja Brandmayr und Claudia Dworschak
Wird laufend ergänzt auf: herzblutwiese.stwst.at
Kontakt: herzblutwiese@stwst.at
Fotosujet, Bild oben: Arbeiten an der STWST-Fassade‚ Sgraffito Alchemia‘, 1983
Foto: Archiv Stadtwerkstatt
Fotograf:in: unbekannt
Am Bild, Frau im Kleid: Erika Wolfinger
Außerdem auf dem Bild: Oben: Franz Blaas (Mitte), Werner Katzmair (rechts), Georg Ritter (links). Mitte: Robert Oppeneiger (von hinten). Unten: Fredi Wögerbauer
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Herzblutwiese STWST findet sich auch in der Timeline der aktuell laufenden Ausstellung What the Fem*? Feministische Perspektiven 1950 bis heute im Nordico. O-Ton Nordico: »In sechs Themenräumen führen zeitgenössische künstlerische Positionen gemeinsam mit historischen Artefakten durch einen lebendigen Diskurs durch den Feminismus. Es geht um österreichische Geschichte mit Schwerpunkt Linz, um Fakten, Gefühle, Erfahrungen, subjektive Wirklichkeiten und aktuelle Haltungen.«
Nordico Stadtmuseum
What the Fem*? Feministische Perspektiven 1950 bis heute
Die Schau läuft noch bis 28. Mai 2023