»This is the National Programme of the BBC. There is no News tonight – so until nine o‘clock, here is some music on record.« 

So schallte es aus britischen Radioapparaten am 18. April 1930 um 20:45 – seitdem ist das im Rundfunk nicht mehr vorgekommen. Im Feuilleton wäre derartiges undenkbar: Dort konnten immer schon 24/7 Locken auf Glatzen (K. Kraus) gedreht werden. Die einen ondulieren an der Proklamation sicherheitpolitischer »Zeitenwenden« herum, weil die ungemütlichen Ränder den kapitalistischen Zentren immer näher rücken, die anderen beklagen die »Verweichlichung« (lies: Verweiblichung«) des Westens und stieren neidisch gen Osten, wo noch die wilden Kerle wohnen (siehe den Beitrag von Svenna Triebler). Der Krieg in der Ukraine wandert an die Peripherie der medialen Aufmerksamkeit (wie so viele vor ihm) und damit auch die Situation der Geflüchteten, die zwar nicht die Feindseligkeit erfahren wie jene aus anderen Ländern und auch vom Arbeitsmarkt vernutzt werden dürfen – dies aber meist unter prekären Bedingungen, wie Stefan Dietl nachweist. 

Für die big headlines sorgt derzeit, dass ein US-amerikanischer Oligarch einen Microblogging-Dienst kauft (oder auch nicht) – vermutlich, weil da die journalistische Zunft selbst gerne unterwegs ist, um dort den Dünger der Aufklärung in homöpathischen Dosen auszubringen, am digitalen Gartenzaun mit den Mächtigen (bzw. deren Pressebüros) zu konferieren oder sich über das ganze Unkraut in der digitalen Grasnarbe besorgt zu zeigen. In den antisozialen Medien findet man die Versorgerin nach wie vor nicht – dafür hat sie jetzt eine neue Website, die Michael Aschauer programmiert hat. Weil wir die Unterstützung nichtkommerzieller Medien wichtig finden (nicht zuletzt, weil sie auch tief in die DNA der Stadtwerkstatt eingeschrieben sind), findet sich in dieser Ausgabe auch ein Text zum »European Cultural Backbone«, den Ingo Leindecker zusammengestellt hat. Auch das Pariser Onlinemagazin makery hat unsere Sympathien – dort erscheint derzeit monatlich ein Text in der Reihe »From Commons to NFTs«, dessen Auftaktbeitrag von Felix Stalder wir hier auf Deutsch präsentieren. Nicht aus NFTs (Non-fungible tokens), sondern NFPs (Non-fungible pictures) besteht die mittlerweile elfte Edition der Community-Kunstwährung Gibling – was das bedeutet, erläutert Franz Xaver, der sie auch gestaltet hat. Nicht zwingend von digitalen – auf jeden Fall aber logischen Verkettungen handelt der Text von Barbara Eder, die über Konrad Zuses Z4 und die Programmiersprache Plankalkül schreibt. 

Prall gefüllt ist der Speicher dieser Ausgabe mit Buch- und Filmbesprechungen: Melanie Letschnig vollzieht die Perspektiven im Film UNTEN von Djordje Čenić und Hermann Peseckas nach, Till Schmidt rezensiert einen Sammelband zur Gedächtnisgeschichte des Holocaust in den 1950er & 1960er Jahren, Chris Weinhold die Wolfgang-Pohrt Biografie des Herausgebers Klaus Bittermann. Und David Hellbrück schildert die Geschichte hinter Filip Müllers Bericht »Sonderbehandlung« über dessen Jahre als Mitglied eines jüdischen »Sonderkommandos« in den Krematorien und Gaskammern von Auschwitz. Außerdem: Eine profunde Kritik der pädagogischen Harmonisierung der Kindheit, die Magnus Klaue am Gegensatz zwischen der »kompetenzorientierten« Kleinkindforschung Martin Dornes‘ und dem Konzept des »Attachment Parenting« illustriert, ein Auszug aus Alexander Keppels Romandebüt »Der Zweite Kontinent« und ein kleiner Bildbericht vom Stadtwerkstatt-Showcase in Nantes. 

Dann ist es aber auch gut, meint 
die Redaktion