Der Roman »Der futurologische Kongress« des Schriftstellers Stanisław Lem beginnt mit der zeitgemäßen Überlegung, wonach jene in die Galaxis fliegen, welche die Sorgen der Erde satt haben. Magnus Klaue nimmt Lems Ablehnung der Gattungsbezeichnung »Science-Fiction« für sein Werk zum Ausgangspunkt eines kleinen Porträts des vor 100 Jahren Geborenen. In der Gegenwart ist Weltraumtourismus bislang Spielfeld gelangweilter Millionäre, deren Gebaren Svenna Triebler skizziert. Ein zentrales Thema von Lems Buch ist die Selbstnarkotisierung einer Zivilisation, die sich nicht mehr ertragen kann und selbst täuschen muss, weil sie sich enttäuscht hat. Damit beerbt Lems »Psychemie« Religionen als »Opium des Volkes« – diese hatten als Gegenstand der Kritik aber zumindest ein aufklärerisches Moment. Johannes Hauer begibt sich in deren Nebelregionen, um zu ergründen, warum die Kritik der politischen Ökonomie Anleihen an religiösen Sprachbildern nimmt.

Identitätspolitische Debatten teilen mit Religionen oft deren Dogmatismus; sowohl Sara Rukaj und Nico Hoppe in ihrem Beitrag, als auch Richard Schuberth im ausführlichen Interview kritisieren Voraussetzungen und gemeinsame Annahmen der – bei oberflächlicher Betrachtungen – antagonistischen Ansichten.

Handfestere Kämpfe wurden vor 250 Jahren im Zuge von Errichtung und Niederschlagung der Pariser Kommune ausgefochten – die genaue Opferzahl ist nicht bekannt, wohl aber die Nummern, mit denen manche Gefallenen versehen und fotografiert wurden. Den Überlegungen dahinter versucht Anton Tantner auf die Spur zu kommen. Der Kurs der aktuellen österreichischen Bundesregierung wurde kommuniziert als zwanglose Koalition« des »Besten beider Welten« (»Schutz des Klimas und der Grenzen«) – was von ihr zu halten ist, analysiert Rolf Dübingthal, gerade auch hinsichtlich der »nationalen Vergangenheitsbe-wältigung«, die zu einer Instrumentalisierung der Shoah tendiert. Auch im Gespräch mit der Historikerin Waltraud Neuhauser-Pfeiffer über die Geschichte jüdischen Lebens in Steyr zeigt sich der Unwillen des postnazistischen Österreich, seine Verbrechen ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Der Staat Israel hat dagegen größere Sorgen, als die halbherzige Auseinandersetzung dieses Landes mit sich als Täternation – etwa die Vernichtungsdrohun-gen vonseiten des Iran. Zur Kontinuität des Antisemitismus unter der neuen iranischen Regierung schreibt Stephan Grigat.

Wie weit sich der Zustand digitaler Existenz vom Potenzial der selbstbestimmten (auch künstlerischen) Nutzung von Kommunikationstechnologien entfernt hat, illustriert der Dialog zwischen Benjamin Heidersberger und Jan Claas van Treek, die das Projekt »Piazza virtuale« der Medienkunstgruppe »Van Gogh TV« bei der documenta IX in Kassel 1992 Revue passieren lassen. Mit STWST TV gab es hier im Hause zu jener Zeit eine analoge Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten und einem »Fernsehen in Künstlerhand«.

Was bei der Rede von der »virtuellen Realität« oft in Vergessen-heit gerät, ist deren feststoffliche Bedingtheit – Barbara Eder nimmt Matthew G. Kirschenbaums Buch »Track Changes« zum Anlass, über die Materialität von Schreibprozessen nachzudenken, also jenen, die beispielsweise ein Buch wie »Triceratops« von Stephan Roiss zum Resultat haben, aus dem wir einen kurzen Auszug präsentieren – die für 16. Dezember geplante Lesung muss leider verschoben werden.

Dass die Stadtwerkstatt pandemiebedingt derzeit wieder für Publikumsverkehr gesperrt ist, bedeutet mitnichten, dass nicht künstlerisch gearbeitet wird: Ein Projekt unter dem Titel »We have a Situation here« betreibt die Umformung der STWST-Donaulände in ihr prismatisches Komplementär der Winterlände Dunkellände, bei der seit Ende November als installatives Setting drei mobile Kabinen (Wärme, Nahrung, Kunst) der Idee einer anarchischen Ökonomie kleiner Einheiten folgen. Bei In Gardens we live in arbeitet zudem seit Herbst – im Sinne einer Permakultur in Progress – Andrea Lehmann gemeinsam mit der Stadtwerkstatt im städtischen Wildwuchsareal der Donaulände zwischen Ausholzen-Praxis und künstlerischer Intervention. Eine Gegend zum Spazierengehen, zum Beispiel mit Walter Benjamin – wie Simon Pfeiffer es tut.

Man sollte sich vom Bestehenden weder einschüchtern lassen, noch es einfach akzeptieren – obwohl es mitunter leichter ist, sich ein Ende der Realität vorzustellen, als ein Ende des Realismus. Mutmaßt jedenfalls

die Redaktion