Der letzte linke Kleingärtner, Teil 13: Bauern nerven

Bevor er im Frühjahr wieder an der gärtnerischen Heimatfront aktiv wird, hat sich der letzte linke Kleingärtner für uns die Bauernproteste in Deutschland angeschaut.

Die nach der Corona-Pandemie leicht schwächelnde Empörungsindustrie hat eine neue Produktionsstätte eröffnet und entsendet seit Dezember in Deutschland und anderswo in Europa tausende Bauern sowie ganz vereinzelt Bäuerinnen mit ihren Treckern durch die Republik. Die fahren dann laut hupend hunderte Kilometer weit und meist kreuz und quer über die gut ausgebauten Straßen. Auch den heiligen deutschen Autobahnen statten sie Besuche ab und bevölkern diese mit ihren vergleichsweise langsam fahrenden Arbeitsgeräten. Während in Deutschland üblicherweise bei Autobahnblockaden gerne das schärfste Schwert des Rechtsstaates geschwungen wird, was da heißt Ermittlungen in Sachen terroristischer Vereinigung – zumindest bei den »Klimaklebern« der Letzten Generation sowie vor Jahren bei Kurden – halten sich staatliche Stellen hier zurück. Offenbar sind es zwei Paar Schuhe, wenn zwei das Gleiche tun. Die einen mag man, die anderen sind unerwünscht. Zum Teil demonstrieren Bauern in Deutschland auch vor Medienhäusern. Auch das kennt man aus der Corona-Pandemie und aus dem AfD-Spektrum, für die Rundfunkhäuser und Zeitungen oft »linksgrün versiffte Systemmedien« sind. In Ungarn und Polen sieht man, was damit gemeint ist.

Agrarpolitik wird in Deutschland traditionell vom Deutschen Bauernverband praktiziert. Der bestimmte jahrzehntelang, wer Agrarminister wird. CDU/CSU und die FDP hatten dies dann demokratisch im Bundestag zu beschließen. Man fühlte sich in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg in West-deutschland oft an das preußische Junkertum aus der Zeit davor erinnert. Dieser geölte und auch sonst ordentlich geschmierte Ablauf bekam das erste Mal einen Riss, als Anfang 2001 der ansonsten unsympathische sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder im Zuge der sogenannten »BSE-Krise« die Reißleine zog und seinem grünen Koalitions-partner das ungeliebte Agrarministerium gab. Sollen sich doch die Grünen an diesem heißen politischen Eisen zwischen den beiden Polen von aufgescheuchten und hyperventilierenden Verbraucher:innen einerseits und dem Bauernverband andererseits, die Flossen verbrennen. Gesagt, getan, die Grünen bekamen das Agrarministerium. Und als wäre dies noch nicht genug, besetzen die das Ministerium mit einer Frau. Das war gleich ein doppelter Bruch. Die Männerwelt des alles dominierenden Deutschen Bauernverbandes musste sich mit einem menschenähnlichen Geschöpf auseinandersetzen, das aber definitiv kein Mann war. Was für eine Schmach. Künast blieb bis 2005 Ministerin, etablierte das EU-Ökosiegel und schrieb sich mit dem Spruch »Klasse statt Masse« in die Geschichtsbücher der agrarpolitischen deutschen Welt ein.

Und jetzt haben die deutschen Grünen bei ihrer zweiten Regierungs-beteiligung seit 2021 schon wieder das Agrarministerium inne. Doch damit nicht genug – statt aus der ersten Runde zu lernen, setzten sie jetzt gar einen Minister mit »Migrationshintergrund« auf den Posten: Cem Özdemir. Dass der in Baden-Württemberg geboren wurde und besser schwäbelt als viele »Bio-Schwaben«, interessiert nicht. Özdemir klingt nicht wie Kartoffeln, Schnitzel und Sauerkraut; sondern, richtig, wie »türkischer Basar«. Mit dieser rassistischen Sense wurde Cem Özdemir, der sich am 18.12. in Berlin dem Protest des Deutschen Bauernverbandes und der teilweise recht rechtsoffenen Bauerngruppe »Land schafft Verbindung« stellte, abgewatscht, wonach die Menge vor Vergnügen johlte und frohlockte.

Und an welchen Aufenthaltsort man die grüne Bundesvorsitzende Ricarda Lang – okay, auch wieder ein nicht männliches Wesen – wünschte, zeigten die protestierenden Bauern und der veranstaltende Bauernverband am 19. Dezember im saarländischen St. Ingbert: Man stellte ihr einen Galgen hin. Und wieder johlte die Menge.

Alles in allem gibt es gute Gründe für Bauern – vereinzelt sind auch Bäuerinnen dabei – zu protestieren. Die Agrarpolitik in Deutschland fördert die Großen, verhindert weitestgehend Nachhaltigkeit und betrachtet Agrarökologie als Werk des Teufels, der es ausschließlich auf die armen, geknechteten Bauern abgesehen hat. Aber gegen genau diese jahrelangen Versäumnisse in der Agrarpolitik, die von CDU/CSU und FDP Ministern verantwortet wurden, richtet sich der Protest nicht. 

Umgekehrt haben sich auch die SPD und die Grünen beileibe keine agrarpolitischen Lorbeeren verdient. Sie vermieden die Korrekturen der schlimmsten Auswüchse und schauen jetzt dumm aus der Röhre. Die politische Linke hat es genauso gemacht und sich in den letzten Jahrzehnten schlichtweg nicht mit Agrarfragen beschäftigt. Jetzt sollen wir Kleingärtner an der Gartenfront all den Unbill wieder richten. Hauptsache an die Front. Da fühlt sich unsereiner als Deutscher immer noch am wohlsten.

Drei Praxistipps für den Garten:
1. Traue nicht jedem Bauern.
2. Traue nicht jedem Deutschen.
3. Traue nicht jedem Linken.

Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V. (www.a3wsaar.de), einer allgemeinpolitischen NGO in Deutschland, die bundesweit arbeitet, u.a. zu Landwirtschaft, Asyl, Migration, Islamismus, Antisemitismus, Fairer Handel. Er mag den Begriff „Hobby“ nicht und lebt einen Teil seines Lebens als aktiver Fußballfan. Die Gartenkolumne erscheint auch in der Luxemburger Wochenzeitung WOXX .