Lido Sounds – Posthof

Kommentar von Jörg Parnreiter // Stadtwerkstatt

Mit dem Lido Sounds hat es Linz endlich geschafft: das lang ersehnte, richtig große Musikfestival ist da. In vergangenen Jahren an diversen Standorten der Stadt angedacht (Segelflugplatz im Hafen z.B.) hatte der Festivalzirkus diesen Sommer am Jahrmarktgelände in Linz Urfahr einen vorläufigen Platz gefunden. Wie Posthofchef Gernot Kremser im OÖN-TV-Interview erklärt, ist es ein ideales Gelände für ein Festival, da es »mit (Leitungs)Wasser, Netzstrom und Asphalt« eine für den Veranstalter sehr gute öffentlich finanzierte Infrastruktur aufweist. Wir ergänzen weiter: und damit kostenschonend dem Profit zuträglich ist. Konkret wandert dieser übrigens (soweit vorhanden) ohnehin zu großen Teilen ins benachbarte Ausland: Der Veranstalter hinter dem Lido Sounds Festival, die Arcadia Live, ist zwar eine »österreichische« Firma, allerdings im Besitz der FKP Skorpio Gruppe, die wiederum zu 51% CTS Eventim gehört. Mit rund 3500 Angestellten und fast 2 Mrd. Euro Umsatz ist die CTS Eventim Marktführer im Ticketing und bei Live-Veranstaltungen. Lassen wir die Cashcow Ticketing kurz beiseite und werfen einen Blick auf deren Veranstaltungssektor: Neben dem Lido Sounds veranstaltet der Konzern beispielsweise Hurricane & Southside Festival, Rock im Park & Rock am Ring, oder auch das Deichbrand Festival, um nur die bekanntesten zu nennen. So ganz nebenbei zählen etliche große Veranstaltungshäuser auf dem Kontinent zum Eigentum von CTS Eventim, unzählige weitere werden regelmäßig gemietet und mit Künstlerinnen der ebenfalls konzerneigenen Agenturen bespielt. Das läuft schon seit Jahren so, und damit zum Ticketing (unnötig zu erwähnen, dass das durchaus einträgliche Vorverkaufs-Geschäft in der Konzernfamilie bleibt): Ö-Ticket ist selbstverständlich auch im Besitz der CTS Eventim. Und Linz hat nun mit Lido Sounds seinem Angekommen-Sein im Milliardenspiel der internationalen Veranstaltungs-Industrie das berühmte Schlagobers-Häubchen aufgesetzt. Ein Festival dieser Größenordnung mitten im Stadtgebiet wirft naturgemäß viele Fragen auf, vor allem Richtung städtischer Kulturpolitik, Stadtteilplanung und Entwicklung. Kulturpolitisch stellt sich die Frage, warum ein subventioniertes, im öffentlichen Eigentum befindliches Veranstaltungshaus wie der Posthof als Steigbügelhalter für ebenso profitable wie skrupellose Konzerne fungiert. Sollten solche Häuser nicht eher Rand, Nischen und Subkultur fördern sowie eigene Programmformate mit Ecken und Kanten forcieren? Stattdessen fließen Produktionsmittel in die Unterstützung einer durch und durch kommerziellen Veranstaltung. Das erscheint zumindest fragwürdig – und dass ein derart mächtiges Festival auch zu Verdrängungen führt, liegt auf der Hand. Kaum ein Festivalveranstalter, ob privat oder städtisch, wird das Areal noch nutzen wollen, niemand kann und will sich mit der nun »größten Bühne in Österreich« (die nur einer hat) messen. Also scheint es folgerichtig, dass auch bereits Veranstaltungen wie das Stream Festival (Stadt Linz) nach erfolgreichen Jahren in Urfahr wieder über die Donau in die Innenstadt gewandert sind. Aber versuchen wir trotzdem kurz, mögliche Vorteile im Sinne des gegenseitigen Nutzens zu denken: Ein Festival dieser Dimension würde auch die Möglichkeit bieten, die kulturelle Szene der ganzen Stadt einzubinden – immerhin war beim Lido Festival um 24:00 Uhr Schluss und laue Sommernächte können bekanntlich lang sein. Das böte Potenzial für eine tolle Party an vielen Locations über die Stadt verteilt – aber passend zum Geschäftsmodell und im Sinne der Profitmaximierung wurde darauf verzichtet. Und stattdessen wurde wieder auf die Karte gesetzt, auf den eigenen Profit und die hauseigene Location zu zentrieren: auf die After-Show-Party im Brucknerhaus nämlich, also das nächste Veranstaltungshaus der Stadt Linz, das für den Profit eingespannt wird. Aber egal, vermutlich war ohnehin kaum jemand von den bis zu 30.000 Tagesbesuchern in der Lage, so wirklich zu feiern: Erschöpft von 10 Stunden Festival zwischen heißem Asphalt, Konsum-Infrastruktur und brennender Sonne, im totalen »Ab in den Süden«-Pausenhit-Festival-Urlaubs-Endorphin-Rausch und mit leeren Taschen, ließen sich diese, gesichert durch meterhohe Zäune, rund ums neue Rathaus auf die Nibelungenbrücke Richtung Hauptplatz leiten. Die geleitete Masse hat sich vermutlich kaum Gedanken gemacht, dass sie mit ihrem Festivalbesuch weniger den Rock’n’Roll als vielmehr Finanz-Konzernriesen unterstützt. Und so bleibt am Ende vorerst wieder ein einzelner kleiner Baum mit Symbolwert: Immerhin musste der Veranstalter eine stattliche Summe zahlen, weil die Auflage, die Bäume am Gelände unbeschadet zurückzulassen, zumindest nicht ganz erfüllt wurde. Bleibt die Frage, aus welcher Tasche die 60.000 Euro für den illegal zusammengestutzten Baum final bezahlt wurde, vom Profitriesen – oder wieder der Stadt Linz und ihrem Steuergeld. 

Unbeschadet sieht anders aus.