Der letzte linke Kleingärtner, Teil 17: Der Komposthaufen: Mitte des Universums

Der Kleingarten hat zwei Zentren. Erstens mich und zweitens den Komposthaufen. Beide Zentren sind wahre Wundertüten, am meisten aber der Komposthaufen, der ein Ort der Verwandlung par excellence ist. Um Letzteren tanzt ein Kleingärtner wie ein Götzendiener ums goldene Kalb und bringt ihm reichlich Opfergaben. Er wirft wertloses Zeugs – Blätter, kleine Äste, Pflanzenreste etc. drauf – wartet ein paar Monate und aus dem Abfall wird das Gold für den Garten: wertvoller, nährstoffreicher, humushaltiger Boden, den der Kleingärtner das ganze Jahr über in den Garten einarbeitet. Je nachdem, wie viel Kompost zu welcher Jahreszeit verfügbar ist. Kann man zu viel Kompost haben? Genauso gut könnte man fragen, ob man zu viel Intelligenz haben kann. Nein, man hat nie genug. 

 


Manchmal wünsche ich mir in der Parteipolitik und in den öffentlichen Diskussionen einen ähnlichen Verwandlungseffekt. Was wäre, wenn man in Österreich wie in Deutschland all die parteipolitischen Aufgeregtheiten über die Dummheit des politischen Gegners und das Gerede über das vermeintlich von Migranten so bedrohte Europa einfach auf den Komposthaufen werfen könnte. Nach ein paar Monaten würde man Gold erhalten oder, wie es der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl mal ausdrückte, »blühende Landschaften« (er meinte den Osten der Republik). Mensch, was würde ich mir feist und vor Glück grunzend auf die Schenkel schlagen. Ich würde gar einen Schritt weiter gehen und mir ein paar Premium-Parteipolitiker einfangen, sie in ein Gehege setzen – mit Gittern aus lokal hergestelltem Stahl (sehr regional und bald CO2-frei) – und mich diebisch über ihre Aufgeregtheiten freuen, die sie nonstop produzieren und die ich dann nur noch auf das mittlerweile weltumfassende System von Komposthaufen bringen muss, die ich ebenfalls in Gitterstäbe aus EU-Stahl einfassen würde. Damit dieser Quell meiner Reichtumsvermehrung nie versiegt, würde ich die zweibeinigen Herdentiere ordentlich füttern mit ihren eigenen verbalen und schriftlichen Ausscheidungen der letzten Jahre. Denn nur wer gut isst, kann gut arbeiten. 

Auch wenn ich als Kleingärtner lapidar sage, dass man vom Kompost nie genug haben kann, müsste die Welt doch bei genauer Betrachtung an Kompost regelrecht ersticken. Wenn, ja, wenn es gelänge, allen sprachlichen wie schriftlichen Bullshit der weltweiten Kaste der Parteipolitiker:innen und Autokrat:innen auf dem Komposthaufen landen zu lassen. Das hätte zwei Riesenvorteile und wäre für mich eine Win-Win-Situation: Der Müll selbst und vor allem seine gigantische Menge wären ökologisch entsorgt und würden fortan Teil der gar nicht mal so schlechten Kreislaufwirtschaft werden. Gleichzeitig würden Kleingärtner dadurch ein Werk der Integration vollziehen, indem sie den enormen Müll all der schrulligen Gestalten wie Putin, Bolsonaro, Trump, Orban, Le Pen, Meloni, Erdogan, Kickl, Weidel und wie sie alle heißen mögen, rückstandsfrei entsorgen und ihre Verursacher damit wieder zu vollwertigen Mitgliedern der Gemeinschaft machen. Der zweite Vorteil liegt auf der Hand: Sie könnten noch so viel Mist produzieren, durch die Verwandlungskünste des Komposthaufens und die organisatorische Regelkompetenz von uns Kleingärtnern, bliebe alles im grünen Bereich und die ganze Menschheit würde von dem Unfug der genannten Gestalten profitieren und nicht darunter leiden. 

So stelle ich mir eine ökologische Kreislaufwirtschaft vor, die der Menschheit nützt – wir Kleingärtner haben zwar keine Arbeiterklasse im Visier, dafür aber gleich alle Menschen auf Erden – und geräuschlos alle Streitigkeiten löst. Und als kleines ökonomisches Bonbon könnte unsere EU-Stahlindustrie fleißig Gitterstäbe produzieren für die Einhegung der riesigen Kompostberge. So hätte die Menschheit mit uns Kleingärtnern im Zentrum zumindest eines ihrer relevanten Probleme gelöst und dann Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen, beispielsweise alle Menschen satt zu machen, weil doch seit Jahren genügend Lebensmittel für alle produziert werden. Eigentlich. Und klar, Chef von uns Kleingärtnern, die die weltumspannende Logistik zur Rund-um-die-Uhr-Aufrechterhaltung der permanenten Kompostproduktion am Laufen halten, wäre ich. Wer sonst? Mein Konto würde sich dabei unentwegt vergrößern. Ich wäre dann die personifizierte nachhaltige Geldanlage und würde ökologisch korrekt in – na in was denn? – die nächsten Komposthaufen investieren. Bis, ja bis, die Welt ökologisch korrekt am Kompost regelrecht erstickt. Mir soll es recht sein. So würde die Welt langsam zusammen wachsen zu einem einzigen Komposthaufen. Und da man dem Müll seine Herkunft nicht ansieht, würde ich die zum Teil ebenfalls wenig geistreichen Ausscheidungen mancher Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) ebenfalls via Komposthaufen entsorgen – direkt neben den Ausscheidungsprodukten der Autokrat:innen. Das wäre die ökologische Vollendung. Mehr Ökologie geht nicht.  

Drei Praxistipps zum Komposthaufen: 

1. Schimpfe nie über ihn.
2. Grüße ihn freundlich.
3. Sei zärtlich zu ihm. 

Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V. (www.a3wsaar.de), einer allgemeinpolitischen NGO in Deutschland, die bundesweit arbeitet, u.a. zu Landwirtschaft, Asyl, Migration, Islamismus, Antisemitismus, Fairer Handel. Er mag den Begriff „Hobby“ nicht und lebt einen Teil seines Lebens als aktiver Fußballfan. Die Gartenkolumne erscheint auch in der Luxemburger Wochenzeitung WOXX .