»Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet?«
(Georg Büchner, Dantons Tod, 1835)
»Ich will unbeschriebene Blätter. Ich will verschwiegene Gräber.
Dass die Zukunft damit aufhört, die Gegenwart zu spiegeln.«
(Kante, Ich Kann Die Hand Vor Meinen Augen Nicht Mehr Sehen, 2004)
Prognosen sind schwierig und ohnehin überbewertet – dennoch sei diese eine gewagt und erlaubt: There will be no reckoning. Es wird keine Abrechnung geben, keine Läuterung, keine poetische Gerechtigkeit, keinen we told you so-Moment und keine Katharsis, die ein goldenes Zeitalter einläutet. Es werden beim nächsten extremen Hitze-, Sturm-, Kälte- oder Überschwemmungsereignis nicht plötzlich alle bisherigen Fans fossiler Brennstoffe auf die Knie fallen und um Vergebung für ihre Sünden flehen und kein MAGA-Maniac wird sich dafür verantwortlich fühlen, wenn die Verwaltung krachen – und deshalb nichts mehr – geht.
Der ideologische Zement ist fast abgehärtet und die »shifting baselines« sind eher ein Wimmelbild aus Haarrissen, in dem lediglich verschiedene Faschismen voneinander abgegrenzt werden können. Wenn dann doch der große Kladderadatsch kommt, fragt erstmal niemand, ob jemand bessere Ideen für die Menschheit hatte. Ein schmollmundiges »ihr wolltet ja nicht hören!« interessiert da nicht. Sollte also der einzige Trost für die Bedeutungslosigkeit der eigenen politischen Positionen in einer – oft eher erhofften als befürchteten – Kassandra-Dividende bestehen, sind das in der Tat schlechte Nachrichten. Was also tun? Das ist eine Frage für die jeweils kurrenten Bewegungsgurus – wir suchen weiter nach möglichst gründlicher Kritik, die – so sie schon nicht selbst eine Bresche in die Festung schlagen kann – zumindest zur Stelle ist, sobald sich eine auftut.
Wenn die Glühfunzel der Vernunft tief steht, wirft auch der Nationalsozialismus wieder längere Schatten in die Gegenwart, weshalb es umso wichtiger ist, die NS-Barbarei niemals zu vergessen. Paul Schuberth rekapituliert die Geschichte der Linzer Nibelungenbrücke, die gerade Gegenstand einer Ausstellung in der Linzer Kunstuniversität war, Marina Wetzlmaier analysiert die Debatten um die Umbenennung einer Welser Schule im Gedenken an Elfriede Grünberg und Richard Wall erinnert an den Dichter und Résistance-Kämpfer René Char.
Maximilian Hauer bespricht Simon Schaupps Buch »Stoffwechselpolitik«, Alexandra Bandl einen erstmals auf deutsch veröffentlichten Langessay von Alain Finkielkraut über linke Holocaustrelativierung und Frédéric Valin zieht ein Fazit über die Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland und Österreich. Magnus Klaue wiederum widmet sich anhand der UNESCO dem Verhältnis von Kultur- und Rechtssphäre und Günther Ziehlinger porträtiert mit »The Curators« eine Formation, die lieber eine Band spielt, als als Band zu spielen. Michael Aschauer erörtert die Frage, inwieweit sich der Energieverbrauch von Datenzentren und KI zuverlässig einschätzen lässt und Barbara Eder zeichnet einen Vortrag der Whistleblowerin Lisa Ling zum Datenhunger von Drohnen.
Ist Vernebelung Teil dessen, worauf die Stadtwerkstatt mit ihrem 2025er-Jahresclaim »FOG Manifesto« abzielt? Nicht zwingend – es geht um Nebel als Material und Manifest. 2025 soll die STWST zum Fog Cube der techno-kapitalistischen Desorientierung werden. Ein Open Call ist formuliert. Weitere künstlerische Aktivitäten des Hauses führen etwa zur Radiokunst, Daniela Silvestrin hat aus diesem Anlass über den
elektromagnetischen Raum geschrieben.
Elektrisierend-widerständige Lektüre wünscht:
die Redaktion