KI isst Erde auf

Michael Aschauer über das Verhältnis von Energieverbrauch, Datenzentren und KI.

Die künstliche Unintelligenz, so wie wir sie heute kennen, verbraucht große Mengen an Energie. Zumindest hat sich diese Erkenntnis inzwischen in den Köpfen und der Allgemeinbildung festgesetzt. Der Trend zu immer mehr KI treibt den Energieverbrauch und die Emissionen des ohnehin wachsenden digitalen Sektors in die Höhe. Was steckt hinter den dystopischen Prognosen über den Energie- und Rohstoffverbrauch von immer mehr Rechenzentren und den wahnwitzigen Ankündigen und Wunschvorstellungen von Tech-CEOs über Ausbau von Rechenzentren und die Renaissance der Kernenergie? Was sagen die aktuellen Zahlen wirklich?

 

Um es gleich vorweg zu sagen: Will man über Energie und Emissionen im globalen Maßstab und vor allem von der Zukunft sprechen, gibt es einige kleine Schwierigkeiten. Bis heute existiert kein einheitlicher, verbindlicher Standard, wie Energieverbrauch und CO2 Emissionen budgetiert werden. Asim Hussain, Direktor der Green Software Foundation, die sich für Standards in der digitalen CO2 Bilanzierung einsetzt,1 demonstrierte dies im Dezember 2024 auf der GreenIO-Konferenz in Paris eindrücklich: Anhand eines Nature-Artikels, in dem berechnet wurde, dass die Kohlenstoffemissionen bei Schreib- und Bilderstellungsaufgaben durch eine KI 1000 Mal geringer als bei Menschen sei,2 zeigte er, dass je nach Methode und Annahmen, ein Mensch umgekehrt genauso gut 24 % weniger Emissionen als ChatGPT verursacht.3 So ergeben sich unterschiedliche Verluste oder Fehler. Die Menge der CO2 Emissionen schließlich ist nicht nur vom Energiekonsum, sondern auch von Zeit, Ort und Art der Energie-Erzeugung abhängig.

 

Der Energieverbrauch von KI ist auch nicht so leicht zu quantifizieren, häufig werden dazu einfach die technische Dokumentation und Verkaufszahlen von NVIDIA-GPUs verwendet und mit den geplanten Produktionskapazitäten von NVIDIA hochgerechnet. Prognosen sind ähnlich zuverlässig wie Kaffeesudlesen, vor allem in einem Zeitalter, wo großspurige – aber nicht umgesetzte – Ankündigungen und „flooding the zone with shit“ gängige Praxis sind.

 

Was sagen die aktuellen Zahlen? Die neueste Studie zur globalen Umweltauswirkung der Digitalisierung4 wurde am 5. Februar in einer zweisprachigen Online-Pressekonferenz von der französischen Green IT Association präsentiert und schätzt, dass 3,4 % der globalen Treibhausgase 2023 durch den digitalen Sektor verursacht wurden. Das ist doppelt so viel wie die Schätzungen der Weltbank und der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) aus dem Jahr 2023, die noch bei 1,7 % der Emissionen lagen oder einem Gesamtenergieverbrauch von 1183 Terawattstunden (Twh).5

Betrachtet man den gesamten digitalen Bereich, macht Künstliche Intelligenz derzeit einen vergleichsweise kleinen Teil der Emissionen aus – laut Green IT beträgt dieser etwa 4 %. Dieser wird normalerweise den Rechenzentren zugeordnet. Rechenzentren sind der Internationalen Energiebehörde (IEA) zufolge für ca. 2 % (240 bis 320 TWh) des globalen Energieverbrauchs im Jahr 2022 verantwortlich, geografisch stark gebündelt: in westlichen Ländern eher 3 bis 4 %, in manchen Regionen und Ländern, wie Irland, kann der Anteil bis zu 20 % ausmachen. Dazu kommen noch Kryptowährungen, die allein circa 110 bis 150 Twh verbrauchen.6

 

Rechenzentren wiederum sind nur ein Teil des digitalen Sektors. Ein ähnlich großer Anteil (260 bis 340 TWh) geht auf das Konto von Telekommunikation und Netzwerken zur Übertragung von Daten. Dabei handelt es sich um ineffiziente Infrastruktur, die für Spitzenauslastung gebaut wurde und „always on“, also immer an ist.

 

Der weitaus größte Teil – unter Berücksichtigung des vollständigen Lebenszyklus – des Energieverbrauchs und damit der Emissionen wird jedoch durch die Endgeräte verursacht. Das sind geschätzt 4,6 Milliarden Smartphone, 2,4 Milliarden Fernseher, dazu Monitore, Laptops, Tablets, etc., insgesamt etwa 30,5 Milliarden Geräte. Nach Studien von ADEME (der französischen Agentur für den ökologischen Übergang) und Arcep (die französische Regulierungsbehörde für elektronische Kommunikation) machte das 2020 in Frankreich 79 % der digital verursachten Treibhausgase aus: „Geräte verursachen den größten Kohlenstoff-Fußabdruck und sind die Hauptquelle für den Abbau abiotischer Ressourcen“.7

 

Die Anteile von Rechenzentren, Netzwerken und Endgeräten unterscheiden sich je nach Studie, die Dominanz der Endgeräte ist aber eindeutig. Das letzte Update der ADEME-Arcep Studie von Januar 20258 korrigierte die Anteile – bezogen auf die Treibhausgase des digitalen Sektors in Frankreich auf 51 % für Endgeräte, 46 % für Datenzentren (unter Einrechnung ausländischer Datenzentren, die von Frankreich aus genutzt werden) und 4 % für Netzwerke – bei einem Anteil des digitalen Energieverbrauchs am gesamten Frankreichs von 11 %. Bei den weltweiten Zahlen schätzen Weltbank und ITU den Anteil von Endgeräte auf 63 %, Datenzentren 13 % und Netzwerke 27 %. In den aktuellsten Schätzungen der Green IT Association verteilt sich der Verbrauch auf 54 % für Endgeräte und je 23 % für Datenzentren und Netzwerke (bezogen auf das Jahr 2023) und ist damit in etwa stimmig mit älteren Daten der Energiebehörde.

 

Soweit die vorhandenen Zahlen zum aktuellen Verbrauch. Klar ist jedoch, das der Energie- und Rohstoffverbrauch von KI exponentiell wächst. So hat sich etwa der Schadstoffausstoß von Datenzentren in den USA seit 2018 etwa verdreifacht.9 Aktuell kann natürlich niemand Ausmaß und zukünftige Entwicklungen vorhersehen, sowohl, was gesellschaftliche Akzeptanz und Nutzung, als auch mögliche Effizienzsteigerungen dieser – aktuell – brute-force-Technologien betrifft. Effizienzsteigerungen führen aber nicht zwangsläufig zu weniger Verbrauch, sondern häufig zu mehr, weil dafür die Nutzung ansteigen könnte (auch bekannt als Rebound-Effekt10 bzw. Jevons Paradoxon11).

 

Das US-Energieministerium prognostiziert, dass der Strombedarf der US-Rechenzentren ab 2023 jährlich um etwa 13 bis 27 % steigen wird und 325 bis 580 Terawattstunden im Jahr 2028 erreichen könnte, was 6,7 bis 12 % des gesamten Strombedarfs in den USA ausmachen würde.12 Der Unternehmensberater McKinsey rechnet mit einer Steigerung der Nachfrage an Datenzentren für KI von 19 bis 22 % pro Jahr, und einer Verdreifachung bis 2030.13

 

Die Internationale Energiebehörde geht davon aus, dass es zu einer Verdoppelung des Stromverbrauchs von Rechenzentren, KI und Kryptowährungen bis 2026 kommen könnte. Damit könnte der Gesamtstromverbrauch von Rechenzentren im Jahr 2026 mehr als 1000 TWh erreichen. Dieser Bedarf entspricht etwa dem Stromverbrauch von Japan.14 Das ist das oberste Ende der möglichen Szenarien bei einem geschätzten Verbrauch zwischen 620 bis 1050 TWh. Ein ähnlicher Strombedarf wird im übrigen auch für die steigende Flotte an elektrischen Fahrzeuge vorhergesagt, deren Verbrauch 2023 bei bescheidenen 130 TWh lag, bis 2035 aber mit bis zu 2700 TWh betragen wird15 (mit dem Unterschied, das es hier als Begrünung und Verbesserung gefeiert wird).

 

Nicht immer ganz klar ist, wo diese Energie herkommen soll. Regionale Netze sind jetzt schon oft überfordert und der Widerstand gegen Datenzentren steigt. Google, Microsoft, Amazon, OpenAI und Co. setzen auf kleine modulare Reaktoren (SMR) und die Wiederbelebung der totgeglaubten Atomenergie. Bis jetzt gibt es jedoch keine kommerziellen Installationen von SMR oder Anzeichen dafür, dass Atomenergie ohne massive staatliche Förderungen ökonomisch jemals konkurrenzfähig sein wird,16 zentrale Aspekte wie die Endlagerung bleiben ungelöst. Natürlich passen die Prophezeiungen von modularen Reaktoren und Kernfusion zur Religion der Technologie und den Milliardärsphilosophien von Mars-Besiedelungen, künstlicher Superintelligenz und ewigem Leben.

 

Ein Gegentrend entwickelt sich in Frankreich, das – wie viele – versucht, dem politischen Imperativ zu folgen und sich als gewichtiger Player in Sachen KI auf der Landkarte zu positionieren. Einerseits verweist Frankreich gerne darauf, dass es über ausreichend saubere Atomkraft verfügt und zukünftig massiv in Datenzentren investieren würde.17 Andererseits wurde hier von offizieller Stelle der Begriff der „frugalen KI“ eingeführt. Die offizielle französische Stelle für Normung (AFNOR) veröffentlichte im Juni 2024 mit der Spec 2314 einen „Allgemeinen Rahmen für frugale KI“.18 In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für den ökologischen Übergang und territorialen Zusammenhalt, werden hier Berechnungsmethoden und Verfahren für Messung und Reduzierung der Umweltauswirkungen von KI und Kommunikationstechnologien festgelegt. Im Umfeld des großen, internationalen KI-Gipfels in Paris im Februar 2025 formierte sich auch der Widerstand. Eine Vielzahl von Organisationen der französischen Zivilgesellschaft schloss sich in der Koalition „Hiatus19 zusammen, die sich gegen den massiven und flächendeckenden Einsatz von KI wehrt. Mehr als 120 internationale Organisationen nutzten den Anlass, um einen gemeinsamen offenen Brief zu formulieren: „Within Bounds: Limiting AI's environmental impact“,20 in dem sie fordern, die wahren Umweltkosten der KI anzuerkennen und KI-Systeme in Einklang mit den planetarischen Grenzen zu bringen. Wie viel Beachtung das finden wird, wird sich weisen.

 

Die IEA kommt – unter Berücksichtigung der Explosion von künstlicher Intelligenz in vollem Umfang – zum Schluss: „Betrachtet man den globalen Anstieg des Gesamtstromverbrauchs in einem breiteren Kontext, so ist der Beitrag der Rechenzentren bescheiden. Die globale Gesamtstromnachfrage steigt bis 2030 in unserem Stated Policies Scenario um 6750 Terawattstunden, was mehr ist als die kombinierte Nachfrage der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union heute. Die zunehmende Digitalisierung, einschließlich des Aufstiegs der künstlichen Intelligenz, ist zwar ein Faktor, aber das anhaltende Wirtschaftswachstum, Elektrofahrzeuge, Klimaanlagen und die zunehmende Bedeutung der stromintensiven Fertigung sind allesamt größere Treiber.21

 

Datenzentren sind die Fabriken der digitalen Revolution und Digitalisierung ist keine Wolke, sondern ein materielles Ungetüm, das Unmengen an Energie, Wasser und Rohstoffe verbraucht und Treibhausgase und Schadstoffe produziert. KI-getriebene Datenzentren sind aber auch nur die jüngste, vielleicht sichtbarste, aber sicherlich nicht die letzte Ausgeburt des unstillbaren Hungers nach mehr, der unsere Konsum- und Wachstumsgesellschaft ausmacht. Sowie, nicht zu vergessen: das neueste iPhone, der Ultra-HD-Fernseher oder (e)SUV eben auch. Ist es nicht logische Folge eines technologischen und kapitalistischen Wachstumszyklus, der seit Hunderten von Jahren anhält? Einmal mehr stellt sich die Frage, wie Entwicklung und Anwendung von Technologie gesellschaftlich geregelt werden können. Die Innovation, die wir brauchen, ist letztlich nicht technologischer, sondern sozialer und politischer Natur. Die heutige künstliche Intelligenz wird uns dabei nicht helfen. Solange sich also nicht echte Intelligenz durchsetzt, gilt weiterhin: Freie Fahrt für freie Bürger, die es sich leisten können.

 

 

1 Green Software Foundation: Impact Framework, https://if.greensoftware.foundation/

2 The carbon emissions of writing and illustrating are lower for AI than for humans, 14 February 2024, https://www.nature.com/articles/s41598-024-54271-x

3 Presentation Slides, The Impact Framework: doing for sustainability, what open source did for software, https://drive.google.com/file/d/1F-UjXf42WOjqt3X6hiyk308umb6vtbc4/view

8 Etude ADEME – Arcep: Evaluation de l'impact environnemental du numérique en France (2025), https://librairie.ademe.fr/changement-climatique/7880-evaluation-de-l-impact-environnemental-du-numerique-en-france.html

9 MIT Technology Review: AI’s emissions are about to skyrocket even further, December 13, 2024, https://www.technologyreview.com/2024/12/13/1108719/ais-emissions-are-about-to-skyrocket-even-further/

11 What is Jevons Paradox? And why it may — or may not — predict AI’s future, February 7, 2025, https://news.northeastern.edu/2025/02/07/jevons-paradox-ai-future/

12 DOE Releases New Report Evaluating Increase in Electricity Demand from Data Centers, December 20, 2024
https://www.energy.gov/articles/doe-releases-new-report-evaluating-increase-electricity-demand-data-centers

16 Der Standard: Energiemanager Hering: "Wind- und Solarstrom sind viel günstiger als Atomkraft", 09.02.2025 https://www.derstandard.at/story/3000000255799/energiemanager-hering-wind-und-solarstrom-viel-guenstiger-als-atomkraft

17 Le Monde : Intelligence artificielle : avec l’annonce de « 109 milliards d’euros d’investissements » privés, Emmanuel Macron entend se mesurer aux Etats-Unis, 09.02.2025 https://www.lemonde.fr/economie/article/2025/02/09/intelligence-artificielle-avec-l-annonce-de-109-milliards-d-euros-d-investissement-emmanuel-macron-entend-se-mesurer-aux-etats-unis_6539184_3234.html

19 Hiatus, Résister à l’IA et son monde / Widerstand gegen die KI und ihre Welt, https://hiatus.ooo

Launch of the Hiatus Coalition, to Resist AI and its World, https://www.laquadrature.net/en/2025/02/07/launch-of-the-hiatus-coalition-to-resist-ai-and-its-world

20 Within Bounds: Limiting AI's environmental impact. Joint statement from civil society for the AI Action Summit, Published on Feb 5, 2025, https://greenscreen.network/en/blog/within-bounds-limiting-ai-environmental-impact/

21 IEA, What the data centre and AI boom could mean for the energy sector, 18 October 2024, https://www.iea.org/commentaries/what-the-data-centre-and-ai-boom-could-mean-for-the-energy-sector

»Eat Poop You Robot« ist ein Experiment zur Erzeugung von KI-Kunst, das eine endlose Kette von Bildern erzeugt. Jedes Bild wird auf Grundlage einer KI-Beschreibung des vorhergehenden Bildes generiert. 
So entsteht eine sich entwickelnde visuelle Reise, die langsam von einem Konzept zum nächsten driftet, inspiriert von dem Partyspiel »Telephone Pictionary« (auch bekannt als »Eat Poop You Cat«), bei dem die Spieler:innen abwechselnd die Zeichnungen der anderen zeichnen und beschreiben. 

https://eat-poop-you-robot.backface.net/